
Studie: Wirtschaftskriminelle sind meist jung und in Führungspositionen
Er genießt großes Vertrauen, ist meist zwischen 36 und 45 Jahren alt, lange im Unternehmen beschäftigt und in einer Führungsposition: der typische Wirtschaftskriminelle.
Männlich, zwischen 36 und 45 Jahren, langjähriger Mitarbeiter und in einer Führungsposition – das hört sich vielleicht unauffällig an, doch tatsächlich trifft dieses Profil auf die meisten Wirschaftskriminellen zu. Das fand die Wirtschaftsprüfung KPMG in ihrer internationalen Studie "Who is a typical fraudster" heraus. Untersucht wurden dazu 350 Delikte aus 69 Ländern.
Demnach sind 87 Prozent der Täter männlich, 82 Prozent haben eine Führungsposition inne, vor allem im Finanzbereich oder Vertrieb. 41 Prozent der Delikte werden von Tätern verübt, die zwischen 36 und 45 Jahre alt sind. Fast zwei Drittel der Täter sind bereits länger als fünf Jahre im Unternehmen, wenn die Straftat aufgedeckt wird, ein Drittel sogar zehn Jahre und mehr.
"Der Täter kennt die Prozesse in- und auswendig und kann Kontrollmechanismen dadurch viel leichter außer Kraft setzen", erklärt Frank M. Hülsberg, Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Weil er meist lange im Unternehmen und in der Hierarchie relativ weit oben ist, genießt der Wirtschaftkriminelle ein hohes Vertrauen, das er ausnutzt. Zudem kommen drei von vier Tätern laxe interne Kontrollen entgegen – Gelegenheit schafft Diebe, denn die wenigsten Mitarbeiter kommen laut Hülsberg schon mit dem Vorsatz ins Unternehmen, einen Betrug zu begehen. "Oft führen Veränderungen der persönlichen Lebensumstände oder Frustration und Leistungsdruck dazu, einen Betrug zu begehen", ist er überzeugt.
Die häufigsten Delikte sind Veruntreuung von Vermögenswerten und Betrug beim Einkauf vom Waren und Dienstleistungen (43 Prozent der untersuchten Fälle). Außerdem werden häufig die Zahlen im Finanz-Reporting geschönt oder gefälscht. "Die Annahme von Bestechungsgeldern für die Akzeptanz von überhöhten Projektkosten ist ebenfalls eine gängige Methode", berichtet Hülsberg. Durchschnittlich richten die Kriminellen einen Schaden von einer Million Euro an. Im internationalen Durchschnitt gab es in 61 Prozent der Fälle Mittäter, neben Kollegen auch Geschäftspartner wie Kunden, Lieferanten oder Berater. In Deutschland gab es bei rund der Hälfte der Delikte Mittäter.
Häufig könnten kriminelle Handlungen schon im Vorfeld aufgedeckt werden, wenn andere Mitarbeiter Warnsignale ernst nehmen würden. In 56 Prozent der untersuchten Fälle fand das allerdings nicht statt. Als Anzeichen nennt die Studie, wenn ein Mitarbeiter plötzlich einen exzessiven Lebensstil führt und offensichtlich über seine Verhältnisse lebt. Oder wenn sich jemand weigert, in Urlaub zu gehen – aus Angst vor Entdeckung. Nur in sechs Prozent der Fälle seien aber solchen Hinweisen nachgegangen worden. Das sind 20 Prozentpunkte weniger als bei vorherigen Untersuchungen.
Kommunikativ erhalten die Unternehmen schlechte Bewertungen durch die Studie. Denn werden kriminelle Handlungen aufgedeckt, gibt es meist keine Kommunikation nach außen und in über der Hälfte der Fälle werden nicht einmal die eigenen Mitarbeiter informiert. "Das ist eine vertane Chance mit Blick auf Prävention", findet Hülsberg.
Zu den gesetzlichen Vorgaben gegen Wirtschaftskriminalität, gehören für 83 Prozent der Unternehmen auch interne Richtlinien zur "Compliance". Aber nur für 17 Prozent der Befragten beinhaltet der Compliance-Begriff auch Ethik, Moral oder nachhaltiges Wirtschaften. Für den KPMG-Partner Oliver Engels ist das ein Zeichen dafür, dass das Risiko eines Reputationsschadens durch unethisches, aber nicht rechtswidriges Verhalten unterschätzt wird. "Dabei kann ein Imageschaden für das Unternehmen ebenfalls gravierende negative Folgen haben."
Aufgedeckt werden die Fälle häufig durch anonyme Hinweise aus dem Unternehmen oder von Geschäftspartnern. Bei vielen Unternehmen gibt es dazu inzwischen eine Telefonhotline oder ein Email-Postfach.