Rheingold Institut:
Studie: So wirkt Werbung in Podcasts
Podcasts erzeugen eine hohe Verbundenheit und Treue. Das ist Chance und Herausforderung für Werbungtreibende zugleich. Eine tiefenpsychologische Studie erforscht dieses Phänomen.
Das Rheingold Institut hat gemeinsam mit Ad Alliance und dem Vermarkter AS&S ARD-Werbung Sales & Services eine tiefenpsychologische Studie durchgeführt zu Podcasts und was sie für Werbungtreibende so besonders macht. Erstes Fazit: Erstaunlich sei das hohe Potenzial der Podcasts auf der einen Seite und die große Fallhöhe auf der anderen Seite. Da sowohl die Nähe der Nutzer zum Medium als auch die Sensibilität gegenüber Unterbrechungen und Einwirkungen sehr hoch seien.
Jeder vierte Deutsche ist mittlerweile aktiver Podcast-Hörer. Inhaltlich interessiert das Format vor allem bei Problemen, die den Alltag der Menschen prägen und bestimmen – durch die Pandemie haben Podcasts einen Extra-Schub bekommen, so die Rheingold-Psychologin Nicole Hanisch. Zwischen Januar und April wurden nach Angaben der Podcast-Plattform Acast weltweit mehr als 1.400 Podcast-Episoden, die Corona oder Covid-1 im Namen tragen, veröffentlicht und mehr als 27,5 Millionen Mal heruntergeladen.
Alltagsflucht als Motivation Podcast zu hören
Podcast behandeln Probleme der Gegenwartskultur. Sie helfen bei der Selbstoptimierung, lindern die Einsamkeit, spenden Zuspruch und offerieren ein verführerisches Multitasking. Sie ermöglichen eine Alltagsflucht. Die ständige Erreichbarkeit und permanente Reizzufuhr werden als anstrengend und ermüdend erlebt. Zugleich besteht der Druck, mitzuhalten und den Anschluss nicht zu verlieren. Auch Einsamkeit ist ein großes Thema – ein Defizit an sozialen Kontakten, verstärkt durch die Coronazeit – intensiviert das Bedürfnis nach Nähe und Berührung im übertragenen Sinne. Davon profitieren Podcasts. Sie werden oft über Kopfhörer oder über das Smartphone gehört. Der direkte Zugang stärkt die persönliche Beziehung zum Moderator, schafft Intimität.
Podcasts befriedigen zwei Bedürfnisse
So ermöglichen Podcasts eine Alltagsflucht, aber gleichzeitig auch das Streben nach effizientem Multitasking sowie der Steigerung der eigenen Performance. Dem zugrunde liegt bei beiden Verfassungen ein Gefühl des Feststeckens, das durch Podcasts gelöst wird. Das könne ein Gedankenkarussell durch Sorgen oder Überlastung oder ein dicht getakteter Lockdown-Alltag im Home-Office sein, der keine Pausen ermöglicht. Hier böten Podcasts zum Beispiel beim Kochen oder Aufräumen eine kleine Flucht, bei der man dennoch noch funktioniere, so die Studie.
Hohe Bindungsqualität
Die erlebte Nähe, die Podcasts ihren Hörern bieten, tragen zu einer neuen Öffnungs- und Bindungsqualität bei. Podcasts werden gerne als entspannende Abkapselung gegenüber dem visuell reizüberflutenden Alltag verstanden. Das reine Hören ist reduzierter und dadurch intimer als Video und besitzt eine besondere Eindringlichkeit. Sie fördern eine große Treue und Loyalität zum Format und den Moderatoren und werden von Probanden sogar wie eine moderne Beziehung beschrieben. Er sei immer für einen da und es entsteht ein Gefühl des sozialen Miteinanders ohne Risiko und Ansprüche.
Aussagen von Probanden belegen beispielhaft die zwei Bedürfnisse: Alltagsflucht und Multitasking. "Die meint mich persönlich. Das ist so angenehm zu hören, wie eine lange Sprachnachricht von meiner Cousine, mit gut gemeinten Tipps.", so der Satz eines Probanden. Oder: "Ich lasse den Podcast dann schon morgens beim Fertigmachen laufen. Der erklärt mir, wie man ein guter Verkäufer wird und sagt auch immer wieder: Jeder kann ein guter Verkäufer sein." Mit dem Coach im Ohr erführen die Nutzer Ermutigung und Zuspruch. So werden Grenzen überwunden und sogar Verhaltensänderungen bewirkt.
Davon profitieren Werbungtreibende
Aus den spezifischen Podcast-Verfassungen entsteht eine höhere Sensibilität für Werbeinhalte, so die Studie. Eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Denn das erfordere eine hohe Aufmerksamkeit für die besondere seelische Verfassung, in der sich die Hörer befinden. Das Gefühl der unmittelbaren Wirkung des Gehörten direkt im Kopf weckt die Sorge, den Werbeinhalten ungeschützt ausgeliefert zu sein. Außerdem werden Werbeunterbrechungen leicht als Störung der Verfassung des Abtauchens und Abkapseln empfunden. Die Fantasieblase im Kopf platzt oder die Werbeinhalte gelangen ungesteuert ins Unbewusste, so die Befürchtungen der Probanden.
Chance und Herausforderung zugleich
Zugleich unterscheidet sich die Wahrnehmung von Werbeinhalten in Abhängigkeit von den verschiedenen Formaten deutlich. Formate mit intimerer Bindung zum Hörer zum Beispiel aus den Bereichen Unterhaltung oder Lebens-Coaching bieten grundsätzlich großes Potenzial und eine hohe Offenheit. Werbung wird hier als freundlicher Tipp des Moderators auch eingebettet akzeptiert. Auf Werbeinhalte in Formaten mit distanzierter Beziehung zu einer Autorität (Wissen, Management-Training, Crime) wird hingegen deutlich kritischer reagiert. Hier kommen schnell Zweifel an der Seriosität auf. Leitlinie sollte hier sein, Werbung und Inhalt deutlich voneinander abzugrenzen.
Sponsoring als ideale Werbeform
Als ideale Werbeform habe sich Sponsoring erwiesen. Klar abgegrenzt und als Werbung kenntlich gemacht, wirke es wenig störend und maximal transparent. Gerade Jüngere sehen es als Teil der Influencer-Logik. Für sie ist es selbstverständlich, dass sich der Podcast auch finanzieren muss. Gleichzeitig konnten positive Rückstrahleffekte auf die Marke festgestellt werden, die als Unterstützerin des geliebten Podcast wahrgenommen wurden.
Das gilt auch für Branded Postcasts. Sie können zur Markenstärkung gut funktionieren, wenn das Transparenzgebot eingehalten wird und der Podcast nicht in erster Linie dem Verkauf dient. Ein guter Podcast baue in erster Linie wertvolles Vertrauen und Kundenbindung auf. Deshalb entscheiden bei der Content-Erstellung eine feine Abstimmung zwischen Markenkern und Inhalte-Konzept, das psychologisch Herz und Hirn der Nutzer gleichermaßen adressiert, warnt die Studie.