Digitalwerbung:
Spart Procter & Gamble weniger Onlinewerbung als behauptet?
Was steckt wirklich hinter dem Digital-Bashing von Procter & Gamble? W&V-Redakteur Thomas Nötting hat sich in der Branche umgehört.
Procter & Gamble ist der größte und wichtigste Werbungtreibende der Welt. Jährlich investiert der Mutterkonzern von Marken wie Gillette, Braun und Pampers mehr als 7 Milliarden Dollar in Anzeigen, Ads und Spots. Ändert der Konsumgüterriese auch nur minimal seinen Mediaplan, erzittert die Werbewelt.
So geschehen Anfang der Woche: In einem Interview mit dem "Wall Street Journal" erklärte Konzern-Finanzchef Jon Moeller, das Unternehmen habe im ersten Halbjahr 100 Millionen Dollar an Onlinewerbung eingespart – und trotzdem keine negativen Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung bemerkt. Moellers Fazit: "Das beweist, dass diese Digital-Marketing-Spendings weitgehend wirkungslos sind." Eine vermeintliche Fundamentalkritik, die sogar den Sinn von digitaler Kommunikation grundsätzlich infrage zu stellen scheint.
Die P&G-Parolen beschäftigen seitdem die deutsche Branche. "Bei uns haben sich nach den Aussagen von Procter & Gamble einige Kunden gemeldet", berichtet Julius Müller, Digital-Direktor der Düsseldorfer Mediaagentur Zenith. Sie hätten "ganz offen gefragt, was davon zu halten ist".
"Zweifel" an den 100 Millionen Dollar
Müller Antwort lautet: "Man muss man das in einen Kontext setzen." Seine Hauptthese: Tatsächlich spare Procter & Gamble wohl viel weniger Digital-Werbegeld ein, als es behaupte. "De facto dürften die Einsparungen sehr viel niedriger sein."
Die Zahl 100 Millionen Dollar "zweifelt" der Zenith-Manager "an". Die Summe dürfte "kaum die realen Netto-Ausgaben widerspiegeln", sondern vielmehr einen "errechneten Brutto-Gegenwert", vermutet Müller. "Nicht erfasst wären also Spendings für Programmatic sowie für Google und Facebook – Kanäle, in denen Procter & Gamble aber sehr aktiv ist", rechnet Müller vor. Er glaubt, dass der Großkonzern mit diesen Aussagen den Druck auf die Digitalbranche hoch halten will. "Vermutlich hat das politische Motive."
Für Müllers These spricht einiges: Procter & Gamble hat im großen Stil eigene Systeme für den programmatischen Einkauf von Werbekontakten aufgebaut – ein Posten, der in klassischen Brutto-Bilanzen nicht mehr erfasst wird. Und der Konzern erhöht seit Monaten den öffentlichen Druck auf Digitalvermarkter und Agenturen, vor allem aber auf Google und Facebook.
Mediacom-Chef Krause: Bewiesener Digital-Wirkungsbeitrag "ist unzureichend"
Einer, der wissen müsste, wie viel Budget Procter & Gamble im deutschen Markt tatsächlich einspart oder umverteilt, ist Tino Krause. Der 39-Jährige ist seit kurzem neuer Geschäftsführer von Mediacom – der Agentur, die seit vielen Jahren in Deutschland den Mediaetat des Konsumgüterkonzerns betreut – künftig als Seniorpartner des neuen Agentur-Joint-Ventures für den Großkunden.
Zu Budget-Shifts seines Klienten äußert sich Krause nicht. Aber er nutzt die Gelegenheit, um öffentlich in dieselbe Kerbe wie sein Großkunde zu schlagen: "Wir stehen in dieser Frage voll und ganz an der Seite unseres Kunden Procter & Gamble", sagt Krause. "Wir sprechen mit einer Stimme und gehen gemeinsam auf Vermarkter und Marktpartner zu." Die Digitalbranche müsse endlich "Dinge standardisieren und unsichere Umfelder ausschließen". Es bestehe Handlungsbedarf: "Der bewiesene Wirkungsbeitrag von Digital ist noch unzureichend. Die Werbewirkung steigt nicht in gleichem Maß wie die Kosten."
Digitalverband: BVDW: "Dass keine Etats aus Deutschland abgezogen wurden, spricht Bände"
Beim deutschen Digitalverband BVDW fühlt man sich von der jüngsten Kritik aus dem Hause P&G nur teilweise angesprochen. "Procter & Gamble stellt nicht per se den Effekt von digitalem Marketing in Frage", erklärt Rasmus Giese, Chef des Vermarkters United Internet Media und stellvertretender Vorsitzender des Online-Vermarkter-Kreises (OVK). Dem Großkonzern gehe es eher "darum, die Spendings aus den Bereichen abzuziehen, in denen Bot-Traffic zu befürchten war". Und da sehe es hierzulande besser aus als in den USA. "Dass keine Etats aus Deutschland abgezogen wurden, spricht Bände", meint Giese. "Über Jahre hat der OVK gemeinsam mit dem Markt hohe Qualitätsstandards getrieben und etabliert. Das macht sich im wahrsten Sinne natürlich bezahlt."
Ähnlich sieht das auch der Mediaagentur-Verband OMG. Dessen Sprecher Klaus-Peter Schulz findet "diese Diskussion grundsätzlich positiv". Procter und Gamble werfe, "wie viele andere Werbungtreibende in jüngerer Zeit, die Frage nach absatzorientierter Werbewirkung auf. Das ist ein Thema, dem sich Mediaagenturen stellen müssen", sagt Schulz. Die Debatte werde "letztlich alle Beteiligten anspornen, bessere Lösungen zu finden".