
Video-on-Demand:
So will lineares Fernsehen überleben
Video-on-Demand boomt. Das belegt einmal mehr eine aktuelle Studie von Deloitte. Aber die Flucht in Traumwelten macht einsam, kontert eine RTL-Rheingold-Analyse.

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"Konsumenten erwarten, dass relevante und attraktive TV- und Videoinhalte jederzeit und überall abrufbar sind – und zwar in dem Format, das ihren aktuellen Bedürfnissen am besten entspricht.", sagt Klaus Böhm, Leiter Media & Entertainment Deloitte. Und das erfüllen vor allem die großen Streamingdienste.
Fast die Hälfte der Deutschen nutzt mindestens einmal pro Woche Video-on-Demand-Abonnements, so die aktuelle Deloitte-Studie zur Zukunft der TV-und Videobranche 2030. Das entspricht einem Anstieg von über 80 Prozent gegenüber 2016.
Besonders die jungen Zuschauer nutzen Video-on-Demand-Abos stärker als TV - 45 Prozent täglich. Das wirkt sich auf den Fernsehkonsum aus, der ist in dieser Gruppe auf 42 Prozent täglich gesunken.
So könnte die Zukunft 2030 aussehen
Das rasante Wachstum wird vor allem durch die Digitalisierung gefördert. Sei es bei der technischen Übertragung (5G und Glasfasernetzausbau) oder der Benutzerfreundlichkeit der Dienste (Empfehlungsalgorithmen, Datenanalyse). Lineares Fernsehen kann bisher noch mit Live-Events punkten, wie beispielsweise die Fußball-WM.
Deloitte hat für das Jahr 2030 vier Zukunftsszenarien entwickelt:
- Einmal den "Universal Supermarket". Hier dominieren die großen digitalen Plattformen den Markt als Content-Produzenten, -Besitzer -und Distributoren. Sie unterscheiden sich nur noch bei exklusiven Produktionen und Sportrechten. TV-Sender sind reduziert auf die Produktion nationaler Inhalte, ohne Distribution.
- Ein anderes Szenario nennen die Marktforscher "Content Endgame". Hier dienen die digitalen Plattformen nur noch der Distribution, die Verbraucher zahlen nicht für einen bestimmten Anbieter, sondern für die Inhalte.
- Ein drittes Szenario firmiert als "Revenge of the Broadcasters". Die Fernsehsender schlagen zurück. Sie haben die Digitalisierung geschafft und bieten in großem Stil On-Demand-Inhalte vor allem lokaler Art an. Auch die Stremingdienste behalten ihren Platz am Markt mit internationalen Produktionen und Blockbustern.
- Ein viertes Szenario nennt sich "Lost in Diversity". Kein Akteur dominiert, die Anbieter sind im Wettstreit, Konsumenten werden von verschiedenen Plattformen umworben.
Die Forscher von Deloitte empfehlen den Sendern aufgrund dieser Szenarien Allianzen und Kooperationen - auch mit dem vermeintlichen Feind. Gemeinsame Produktionen, Vertriebsmodelle oder Plattformen seien geeignete Maßnahmen, um gegen die Bedrohung von Netflix, Amazon, Apple und Google zu bestehen.
"Der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit der heute etablierten Sender und Content-Produzenten ist der Ausbau der Digitalkompetenzen“, sagt Alexander Mogg, Partner und Medienexperte Deloitte. Für die Konsumenten gehe es in erster Linie um attraktive Inhalte, doch um diese in einer digitalisierten Zeit zu produzieren und mit ihnen am Ende auch die Kunden zu erreichen, seien erstklassige technologische Angebote unerlässlich.
Das unterscheidet TV von VoD
Die TV-Anbieter kontern mit dem Ausbau ihrer Mediatheken und eigener Marktforschung. So beschreibt die Mediengruppe RTL Deutschland und das Rheingold Institut in der Studie "Bewegtbild im Wandel" die Video-on-Demand-Nutzung als "Tagtraum-Logik".
Demnach stützt das Fernsehen die Alltags-Logik der Menschen, es strukturiert mit festen Sendeplätzen den Tag und liefert mit seinem Programm Realitätsbezug und eine Plattform für Gemeinschaftsgefühle. Während Video-on-Demand eine Traumblase konstruiere, in die sich der Nutzer zurückzieht um dem Alltag zu entfliehen.
Der große Fundus an selbstbestimmbaren Inhalten kaschiere aber, dass sich der Zuschauer "für viele Stunden weitgehend stilllege und suchtartig in parallele Welten eintauche, die bisher den persönlichen Tagträumen vorbehalten waren". Der Nutzer sei "lost im Stream" mit wenig Impulsen für die eigene Lebensgestaltung und wenig Gesprächsanlässen.
Ganz anders das Fernsehen: TV ist der Realitätsanker, den der Zuschauer erwartet und schätzt, wenn er sich entspannen und berieseln lassen will. Dazu trage das Programm mit Nachrichten, Talkshows und Reality-Formaten bei. Der Bezug zum eigenen Alltag könne immer hergestellt werden. Zudem hat Fernsehen mit Sendergesichtern -und marken eine Identität, anders als die Streamingdienste, so die Studie. Das führe zu einer "tiefgehenden Partnerschaft der Zuschauer mit dem Fernsehen".
Als Realitätsanker spielt Werbung eine erhebliche Rolle: "Die Spots sorgen für alltägliche Zusammenhänge, die den Zuschauer immer wieder in den Alltag und die Realität zurückholt", sagt Thomas Kreyes, Mitglied der Geschäftsleitung der Mediengruppe RTL Deutschland. TV sei das Fenster zur Welt.