Schleichwerbe-Verdacht:
So kuscheln Printverlage mit ihren Anzeigenkunden
Die Printhäuser räumen den Anzeigenkunden nicht nur großzügige Rabatte ein. Der wirtschaftliche Druck schwemmt auch die Grenzen zwischen werblicher und redaktioneller Berichterstattung zunehmend auf. Eine Auswahl aktueller Beispiele.
Vor Kurzem berichtete der "Tagesspiegel" unter dem Titel "Schleichwerbe-Verdacht" über die "Bunte". Das Burda-Blatt habe möglicherweise in einem Bericht über Politikerin Julia Klöckner und ihrem Abnehm-Erfolg mithilfe von Weight Watchers die Grenzen der unabhängigen Berichterstattung überschritten. Aber nicht nur "Bunte", sondern auch beinah jedes andere Lifestyle-, Wohn- und Modeblatt scheint zuweilen die Trennschärfe zwischen Anzeige und Redaktion aus den Augen zu verlieren. Jüngst räumte die Zeitschrift "Grazia" (Joint-Venture Klambt/Gruner + Jahr) beispielsweise in Ausgabe 7/14 einem Special über Heidi Klum mehrere Seiten ein. Pünktlich zum Start der neuen Staffel ihrer Castingshow "Germany's Next Topmodel" brachte "Grazia" sieben Seiten Berichterstattung über die Model-Mama inklusive TV-Hinweis: "Ab sofort donnerstags, 20.15 Uhr, ProSieben." Auch auf dem Cover wurde Klum mit Juror-Kollege Joop präsentiert, dazu kamen sieben Seiten Berichterstattung, die zusätzlich mit einem "GNTM Special"-Sticker gelabelt war. In der gleichen Ausgabe: eine Anzeige zur Show - vom Sender ProSieben.
Ähnlich auffällig: "Gala Look" präsentiert eine opulent fotografierte Strecke: "Im Juwelenreich an der Fifth Avenue" lautet der Titel. Tiffany & Co. wird schon im Vorspann des Gruner+Jahr-Blattes groß promoted: "Der Privatsalon ist einer der luxuriösesten Orte der Welt", heißt es zu Beginn der zehnseitigen Strecke, in der ausschließlich Tiffany-Schmuck gezeigt wird. "Gerade Frauen- und Lifestyletitel kommen immer stärker als schlecht getarnte Anzeigenprospekte daher", fasst Sabine Kieslich von der Uni Mainz zusammen. Sie hat soeben ihre Doktorarbeit zur Erkennbarkeit von Schleichwerbung veröffentlicht. "Diese Entwicklung ist der wirtschaftlichen Situation der Verlagshäuser geschuldet", so die Medienwissenschaftlerin. "Die Redaktionen sind stärker als früher unter Druck, den Werbekunden entgegenzukommen."
In vielen Verlagshäusern bringen die Manager inzwischen Redaktion und PR an einen Tisch. In sogenannten Kreativ-Tagen oder Round Tables wird mit dem Kunden erörtert, wie man sein Produkt einbinden kann. In einem Verlagshaus wissen die Redakteure, die zu "Jahresgesprächen" eingeladen werden, längst, dass es dort nicht um ihre beruflichen Perspektiven im Haus geht, sondern darum, wie der Kunden glücklich gemacht werden kann.
Mehr Beispiele über sogenannte Mono-Brand-Geschichten - Storys, in denen es nur um ein einziges Produkt geht - sehen Sie im aktuellen "Kontakter" (EVT: 6.3.). Lesen Sie auch, was der Presserat dazu sagt und die Verlage. Abo?