Toxische Männlichkeit:
Sexismus in Agenturen: Don Draper 2.0, verpiss Dich!
Britta Poetzsch, Kreativchefin bei Track, hat genug von Machogehabe und Übergriffen. Ein Don Draper kann eine ganze Agentur in Misskredit bringen - bei den Auftraggeberfirmen, aber auch bei jungen Talenten.
Die Sexismus-Debatte in Agenturen ist nicht neu. Neu ist, dass sie Konsequenzen hat. Seit der "Mee too"-Bewegung rollen Frauen nicht mehr heimlich mit den Augen und belassen es dabei, wenn der Kollege einen dämlichen Spruch gebracht hat. Und sie behalten es auch nicht mehr für sich, wenn es um sexuelle Belästigung geht. Immer schön lächeln. Bloß nicht als die Ziege dastehen, die keinen Spaß versteht - das ist vorbei.
Ich habe sie noch erlebt. Die Nackenkneter, die plötzlich hinter dem Bürostuhl auftauchen. Die schlüpfrigen Sprücheklopfer, die auf ihren schmierigen Kommentaren fast selbst ausrutschen. Die Kollegen, die hinter einer scheinbar humorvollen Bemerkung ganz unverblümte Angebote machen. Und das nicht sturzbetrunken auf der Weihnachtsfeier, sondern knallnüchtern am Flughafen auf dem Weg zum Kunden. Das Bild von Frau und Kindern im Portemonnaie. Die Vorgesetzten, die sich keine Namen merken wollen, sondern ihre Mitarbeiterinnen stattdessen mit "Schätzchen" anreden. Die Chefs, die es witzig finden, in der GF-Montagsrunde auf Schenkelklopferniveau zu scherzen. Worauf die Herrenrunde in allgemeine Fröhlichkeit ausbrach und sich die drei anwesenden Frauen vielsagende Blicke zu warfen.
Ich habe diese Form der Belästigung auch immer als Machtausübung verstanden. Egal wie erfolgreich du bist, wie gut die Präsentation lief oder wie groß der Auftrag, den du mit an Land gezogen hast – am Ende wollen dich diese Typen damit auf die Plätze verweisen. Dominanzverhalten wie aus dem Tierreich.
Spätestens seit vor ein paar Jahren die ersten hochrangigen internationalen Manager ihren Job verloren haben aufgrund ihres offenen sexistischen Fehlverhaltens, hätte es bei dem ein oder anderen männlichen deutschen Agenturmitarbeiter ja mal dämmern können, das was mit dem eigenen Verhalten nicht stimmt. Vom Fall Weinstein mal ganz abgesehen.
Da ist die Lernkurve teilweise noch flach. Als erst neulich eine Branchenkollegin über Facebook den dummen Kommentar ihres Ex-Chefs zu ihrem Foto mit einem Film öffentlich machte, war die Kommentarspalte plötzlich voll mit Beiträgen, dass man das doch nicht machen könne. Den armen Mann so an den Pranger zu stellen. Er hätte sich doch entschuldigt. Ja, wann denn? Doch erst als sie keine Lust mehr hatte, das einfach hinzunehmen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht? Manchmal einfach nicht mehr.
Ist das Machogehabe, Machtmissbrauch und Übergriffigkeit typisch für die Agenturbranche? Es ist typisch für hierarchische Strukturen. Die werden flacher. Und viele Männer empfinden diese Gebaren genauso widerlich wie die Frauen selbst.
Außerdem: Agenturen kämpfen um gute Talente. Keiner kann es sich wirklich leisten, gute Bewerberinnen oder Mitarbeiterinnen zu verprellen, weil einer denkt, er sei Don Draper. Bei den Frauen auf der Auftraggeberseite kommt das auch nicht gut an. Und spätestens, wenn es ums Geld geht, hört der Spaß bekanntlich auf.
Was ist also zu tun? Hinschauen, Mund aufmachen, sich nichts mehr gefallen lassen. Das Thema ist definitiv in der ganzen Branche auf der Agenda. Don Draper, verpiss Dich!
Über die Autorin: Britta Poetzsch arbeitet seit Anfang 2017 als Chief Creative Officer Campaign bei Track. Nach ihrem Studium an der Hochschule der Künste startete sie ihre Laufbahn bei Agenturen wie KNSK und Springer & Jacoby. Von 2002 bis 2012 war sie bei McCann Erickson, danach bei Serviceplan Sales. Anfang 2015 wechselte sie zu Ogilvy Düsseldorf, wo sie als Global Creative Director u.a. den Allianz-Etat betreute. Poetzsch ist langjähriges Mitglied im Vorstand des ADC und wurde im Laufe ihrer Karriere vielfach ausgezeichnet.