W3B-Studie:
Retargeting führt zum Überdruss
Online-Werbung, die den Nutzer noch Tage oder Wochen lang verfolgt, führt im besten Fall zum Desinteresse, schlimmstenfalls aber zum Einsatz von Ad Blockern und zur Kaufverweigerung, analysierte Fittkau & Maaß.
Online-Werbung, die den Nutzer noch Tage oder Wochen lang verfolgt, führt im besten Fall zum Desinteresse, schlimmstenfalls aber zur Kaufverweigerung, analysierte Fittkau & Maaß in seinem aktuellen W3B Report "Werbung im Internet und Mobile Web". Retargeting hat durchaus seine Berechtigung: Werbung dieser Art kann sehr wirksam sein, wenn es darum geht, Konsumenten zu motivieren, ein bestimmtes Produkt online zu bestellen. Sie kann aber auch negative Auswirkungen haben – z. B. wenn der Kunde von dem Produkt eigentlich gar nicht so begeistert war, oder es der Werbedienstleister mit der Häufigkeit der Erinnerungen übertreibt.
Jeder Dritte verabscheut aufdringliche Werbung
In ihrer aktuellen Studie stellten die Marktforscher die Frage: "Angenommen, Ihnen begegnet auf verschiedenen Websites mehrmals hintereinander immer wieder die gleiche Werbung eines bestimmten Webshops (z. B. für ein konkretes Produkt oder Sonderangebot). Wie reagieren Sie?"
Diese Frage beantworten 60 Prozent der befragten Internet-Nutzer neutral/gelassen bis gelangweilt. 35 Prozent fühlen sich dadurch sehr gestört. Nur knapp fünf Prozent freuen sich über diese Art der Erinnerung an gesehene Produkte und Websites. Dabei handelt es sich um jüngere Zielgruppen (51 Prozent sind jünger als 35 Jahre), die häufig spontan kaufen, gern Neues ausprobieren, qualitätsbewusst sind und beim Einkaufen durchaus auf Preise achten. Bei Computer-Hardware, Kleidung, Einrichtungsgegenständen und Körperpflege/Parfüm freut sich diese Zielgruppe besonders über das Retargeting. Interessant auch, das 61 Prozent von ihnen angeben, dass sie von Bekannten um Rat bei Kaufentscheidungen gefragt werden.
Welche Einstellungen eint die Gruppe der Genervten? Es sind Online-Einkäufer ab 40 – je älter, desto mehr steigt die Antipathie. Insgesamt sind Ablehner neuen Produkten aufgeschlossen. So geben 31,2 Prozent an, dass sie Produktneuheiten gern früh kaufen (23,3 Prozent Internet gesamt) und auch auf Werbung achtgeben (33,5 Prozent vs. 23,1 Prozent Internet gesamt).
Wenn es nur bei einer gewissen Gereiztheit bliebe, wäre das schon schlimm genug. Etwas mehr als 40 Prozent der Befragten gaben an, die Werbung einfach zu ignorieren. Aber viele (41 Prozent) ziehen es vor, sich mithilfe von Adblockern der Werbung komplett zu entziehen. 29 Prozent sagen aus, einen Besuch des betreffenden Webshops zukünftig zu vermeiden und gut 25 Prozent wollen in dem Webshop in Zukunft gar nichts mehr einkaufen. Zusammenaddiert zeitigt zu häufig wiederholte Werbung bei etwa 60 Prozent derjenigen, die sich gestört fühlen, massive negative Folgen für den Werbetreibenden.
Wer, wie reagiert, ist deutlich altersabhängig. Jüngere greifen eher zum Adblocker. 51 Prozent der unter 30-jährigen Internet-Nutzer setzen bei zu aufdringlicher Werbung Ad Blocker ein. Ältere Nutzer zeigen sich besonders nachtragend und wollen auch zukünftig in dem werbetreibenden Webshop nichts mehr einkaufen (29 Prozent).
Interessant ist, wer Ad Blocker einschaltet: Überproportional vertreten sind 20- bis 45-Jährige sowie Nutzer mit einem Studium. Sie sind breit interessiert an Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und lesen Nachrichten gern im Internet. Es sind eifrige Online-Medienkonsumenten und auch aktive Online-Einkäufer, die in den vergangenen zwei Wochen für mehr als 500 Euro im Internet eingekauft haben. Käufer von Consumer Electronic – Computer-Hardware, Haushaltsgeräten, Unterhaltungselektronik etc. – sowie Lebensmitteln tendieren überdurchschnittlich häufig zum Einsatz des Ad Blockers.
Das Fazit dieser Ergebnisse, so Holger Maaß: "Beim Einsatz von aufmerksamkeitsstarken und hocheffizienten Werbeformen wie Targeting/Retargeting ist Fingerspitzengefühl für das potentielle Verhalten der Zielgruppen gefragt. Ein zu hoher Werbedruck kann je nach Produkt, Kampagne und Zielgruppe zu Reaktanz führen und sich dann negativ auf das Image des Werbetreibenden sowie mögliche Verkäufe auswirken. Ein gutes Monitoring der quantitativen und auch der qualitativen Wirkung ist wichtig, um die positiven Effekte dieser Kampagnen optimal auszuschöpfen."
Alternativen aus seiner Sicht sind:
- Variation der Werbemittel (in Sequenz geschaltete Werbemittel)
- Bessere zeitliche Steuerung des Retargeting
- Maximale Anzahl ausgelieferter Werbemittel pro Person (Frequency Capping)
- Werbeträgerübergreifendes Frequency Capping
- Berücksichtigung möglicher Transaktionen (z. B. Kauf, Newsletter-Abonnement)
- u. v. m.