Interview:
Relaunch von HUK24: Der "harte Weg" zu Agilität und User Centricity
Deutschlands größter Kfz-Direktversicherer HUK24 hat sein Online-Angebot komplett überarbeitet, begleitet von der Berliner Agentur Edenspiekermann. Was hinter dem UX-Mantra "Einfachheit" steht - und wie der Marktführer angreifende InsurTechs auf Distanz halten will.
Seit der Gründung 2001 gehört die Tochter der HUK-Coburg zu den Online-Pionieren mit inzwischen mehr als zwei Millionen Kunden. Seitdem hat sich das Gesicht der Branche deutlich verändert: Immer mehr Menschen schließen ihre Versicherung online ab - junge digitale Angreifer wie Lemonade oder Friday haben den deutschen Markt im Visier, Amazon & Co stehen in den Startlöchern. Selbst etablierte Online-Player wie die HUK24 müssen sich daher permanent erneuern, gerade hat der Anbieter seine Website auf eine neue Basis gestellt - optisch, inhaltlich und technologisch. Wir haben mit Marketing-Vorstand Dr. Uwe Stuhldreier und Michael Wiesemann, Partner und Director Strategy von Edenspiekermann, gesprochen.
Dr. Stuhldreier, wenn sie auf den digitalen Umbruch in der Versicherungs-Branche schauen: Kommt da ein Perfect Storm auf Sie zu oder ist das eher ein laues Lüftchen?
Dr. Uwe Stuhldreier: Mit der Digitalisierung sind eine Vielzahl neuer Anbieter entstanden. Startups suchen ihr Alleinstellungsmerkmal, etablierte Versicherer experimentieren mit ihren digitalen Ventures und neue Online-Vermittler kämpfen um Marktanteile. Aber ein Sturm wird es erst, wenn Amazon & Co. oder chinesische Versicherungsriesen wie Ping An mit ihren Daten-zentrierten Ökosystemen in den deutschen Versicherungsmarkt einsteigen. Daher müssen wir uns mit der HUK24 - auch als heutiger Online-Marktführer - für die Zukunft stark aufstellen.
Wie bewerten Sie die Situation aus Nutzer-Sicht?
Michael Wiesemann: Deren Anforderungen steigen: Mehr und mehr Menschen kaufen mit einem Click bei Amazon, führen ihr Konto auf N26 und daten auf Tinder. Wenn sie mit Nutzern sprechen, und das machen wir jeden Tag in der Produktentwicklung, dann kriegen sie immer häufiger zu hören: Ich erwarte von meiner Bank und meiner Versicherung, dass das genauso problemlos läuft auf meinem Handy wie Shopping oder Musik hören.
Wie wird das neue Online-Angebot der HUK24 diesen Bedürfnissen gerecht?
Stuhldreier: Bei keinem unserer Wettbewerber soll es künftig einfacher und zugleich günstiger sein, sich digital selbst zu versichern. Zugegeben: Da sind wir bei Weitem noch nicht perfekt.
Können Sie diesen Anspruch konkretisieren?
Stuhldreier: Viele Menschen haben Vorbehalte: Versicherungen sind schwer verständlich; oft wird nicht genau verstanden, wofür eine Versicherung nötig ist und was diese absichert. Wir wollen für den Kunden Transparenz schaffen. Am Ende muss ein Wohlfühl-Gefühl entstehen, und das mit dem deutlichen Preisvorteil einer Direktversicherung.
Wiesemann: Aus unserer Sicht reichen Produktnutzen und ein guter Preis als Alleinstellungsmerkmal in Zukunft längst nicht mehr aus. Im Digitalen gewinnt derjenige Player, der die beste User Experience und Usability bietet.
Ein Mantra wie "Einfachheit", wie übersetzt sich das in die User Experience?
Wiesemann: Zum Beispiel senden wir nur eine wichtige Botschaft auf einmal, fordern den Nutzer zu nur einer Entscheidung auf. Klingt banal, ist in einem komplexen Tarifrechner mit vielen zu erfassenden Datenpunkten aber eine Herausforderung. Und ebenso erfolgskritisch, wenn wir auf die Conversion schauen.
Ich behaupte mal: Das kann Ihnen ein Startup leicht nachmachen.
Stuhldreier: Theoretisch ja. Aber unterschätzen Sie nicht, welche Rolle wir im Leben der Menschen mit der Marke HUK als Marktführer für Autoversicherungen einnehmen: Das gibt Sicherheit und Vertrauen. Konkret stehen im Schadenfall den HUK24-Kunden alle Kanäle des HUK-Coburg Schadenmanagements zur Verfügung. Schadenregulierung im großen Stil müssen die neuen Marktteilnehmer erst beweisen.
Wiesemann: Ein gutes Beispiel aus Sicht der Markenführung übrigens, wie ein traditioneller Player das Beste aus beiden Welten vereint und sich damit einen echten Wettbewerbsvorteil verschafft. Die Kunst liegt dann darin, dies in passende UX Patterns sowie Voice and Tone zu übersetzen.
Währenddessen machen sich InsurTechs Vorteile von Daten-getriebener Personalisierung zunutze. Können Sie da mithalten?
Stuhldreier: Wir begreifen uns als digitalen Versicherungsassistenten. Ziel ist eine Daten-basierte Steuerung der gesamten Customer Journey, dafür haben wir die technologische Plattform gebaut. Konkret: Eingabefelder sind beispielsweise intelligent vorbelegt, die Website passt sich dynamisch auf die jeweiligen Nutzer-Bedürfnisse an.
Wiesemann: Die Herausforderung besteht hier darin, dass sich das geschärfte Markenerlebnis an jedem Berührungspunkt mit dem Nutzer manifestiert.
Nahtloses Markenerlebnis über alle Touchpoints hinweg: Klingt nach einer Floskel.
Wiesemann(lacht): Das klingt so, ja. Aber seien wir mal ehrlich: Wem gelingt heute ein nahtloses Markenerlebnis? Damit es nicht bei einer Worthülse bleibt, ist es ein harter Weg. Die Übersetzung des Markenversprechens in Nutzer-zentrierte Design-Prinzipien gehört dazu, daraus haben wir das neue visuelle Konzept gestaltet. Von der Typografie über Icons bis zur Bildsprache. Dann erfolgte die Übersetzung in einzelne Komponenten, die in einem flexiblen Designsystem leben.
Wie gelingt in einem so hoch komplexen Projekt die Zusammenarbeit zwischen Design-Agentur und Auftraggeber?
Stuhldreier: Eine Erfahrung ist doch, dass Agenturen oft einen Bruch zwischen Strategie und Kreation haben und als Dienstleister die Anforderungen der Auftraggeber abarbeiten. Wir wollten hingegen mit Edenspiekermann einen breit aufgestellten Partner, und Partner meine ich wörtlich: Denn der Anspruch ist, dass uns die Agentur im Bereich UX herausfordert, Etabliertes hinterfragt und uns zur Vereinfachung zwingt, mit einem hohem strategischen Verständnis.
Wie zeigt sich das konkret in der Zusammenarbeit?
Wiesemann: Das sehen Sie daran, wie die gemischten Teams zusammenarbeiten, in Coburg oder Berlin: Sie diskutieren miteinander leidenschaftlich, sie kämpfen auf Augenhöhe um die beste Idee. In einem agilen Arbeitsprozess vor Ort. Wenn Fach-Knowhow der HUK-Teams und Expertise von Außen zusammenkommen, entsteht die bestmögliche User Experience.
Über agiles Arbeiten wird viel geredet. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie lässt sich das in einem Versicherungs-Großprojekt überhaupt umsetzen?
Stuhldreier: Machen wir uns nichts vor, unsere Lernkurve war gerade zu Beginn steil. Agilität heißt etwa für uns als Führungsteam: Wir lieben zwar Meilensteine und fest definierte Endergebnisse. Aber ein MVP (Minimal Viable Product, die Redaktion) hat eben nicht Perfektion zum Ziel, sondern Neues zügig live zu bringen. Und damit zu lernen, zu iterieren. Das müssen wir zusammenbringen mit dem Grundverständnis, dass der Nutzer uns bei einem Produkt wie einer Versicherung eben keine groben Patzer verzeiht. Eine echte Herausforderung!
Wiesemann: Was andere Großunternehmen davon lernen können, wenn sie agile Arbeitsmethoden einführen: Sie können noch so viele Seminare veranstalten und Klebezettel verteilen - am Ende zählt das richtige Mindset der Multiplikatoren im Unternehmen. Da arbeiten wir vom ersten Tag im Projekt gemeinsam daran. Das ist für uns heute wesentlicher Teil des Arbeitsauftrags.