
Halbjahresbilanz:
Rügenwalder: Spitzenumsatz mit Veggie-Produkten
Erstmals setzt Rügenwalder Mühle mehr mit seinen Fleischersatzprodukten um als mit seinen traditionellen Wurst- und Fleischwaren. In den vergangenen Monaten gab es teils Zuwächse von 300 Prozent.

Foto: Rügenwalder
Der Appetit auf fleischlose Leckereien wächst: Das spürt Rügenwalder Mühle aus dem niedersächsischen Bad Zwischenahn im ersten Halbjahr 2020 deutlich. Seine fleischlosen Alternativen legten um insgesamt 50 Prozent zu, ihr Umsatzanteil ist im Juli mit 53 Prozent somit erstmals größer als der des klassischen Sortiments. Im ersten Halbjahr wanderten insgesamt 14.600 Tonnen Rügenwalder-Produkte in die Einkaufskörbe. Das sind 12,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Umsatz kletterte sogar um 23,5 Prozent auf 112 Mio. Euro. Rückläufig war dagegen der Absatz der Fleischwaren.
Besonders beliebt waren die vegetarischen Convenience-Produkte. Artikel wie vegetarisches Geschnetzeltes oder vegetarische Hamburger erzielten Absatzsteigerungen von über 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Ein Trend, der zur aktuellen Situation passt. So sieht es Michael Hähnel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Rügenwalder Mühle: "Wir haben schon seit langem ein breites Angebot an vegetarischen und veganen Artikeln im Sortiment, die sich leicht in wenigen Minuten zubereiten lassen. Genau das entspricht den derzeitigen Wünschen der Verbraucher, die sich und ihre Familie auch im Home-Office oder beim Home-Schooling gut versorgen möchten".
Er ergänzt: "Wir erleben bewegte Zeiten – innerhalb wie außerhalb der Branche. Umso mehr freut es uns, dass wir unseren Erfolgskurs von 2019 in diesem Jahr fortsetzen können. Hier profitieren wir klar von unserer Markenstärke und konsequenten Verbraucherorientierung: Wir sind eine im Alltag der Menschen verankerte Familienmarke. Unsere Produkte stehen für unkomplizierten Genuss und Top-Qualität – darauf können die Menschen vertrauen, egal was in der Welt draußen passiert."
Boom startete vor einigen Jahren
Schon 2018 und 2019 verzeichneten Nahrungsmittel auf Pflanzenbasis ein starkes Wachstum, wie aus einer im vergangenen Jahr vorgestellten Studie des Investorennetzwerks FAIRR-Initiative hervorgeht. Demzufolge machen Fleischalternativen bisher zwar nur einen kleinen Anteil am weltweiten Umsatz aus, sie wachsen aber überdurchschnittlich im Vergleich zum konventionellen Fleischsektor: Dieser legte zuletzt um sechs Prozent zu, die fleischlosen Alternativen um 25 Prozent im vergangenen Jahr.
Größter Markt in Deutschland seien bislang die pflanzlichen Milchalternativen, sagt der Kommunikationsleiter des Vereins ProVeg, Alex Grömminger. Dieser werde auf rund zehn Prozent geschätzt, mit stark steigender Tendenz. Der Marktanteil von pflanzlichen Wurst- und Fleischalternativen liege noch darunter. "In den kommenden Jahren wird dieser Markt mit zweistelligen Zuwachsraten im mittleren Bereich weiter kräftig zulegen", schätzt Grömminger.
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Fleischlose Burger oder vegane Wurst sind damit keine Nischenprodukte mehr, sondern bei der Masse der Verbraucher angekommen. Alle Studien gingen davon aus, dass zehn bis 40 Prozent der tierischen Produkte durch alternative Proteinquellen ersetzt werden, sagt Godo Röben, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Rügenwalder Mühle: "Es gibt jetzt ein wahnsinniges Wachstum. Und es gibt keinen Lebensmittelhersteller, der das Thema nicht aufgreift." Jeder Zulieferer und jeder Maschinenhersteller stelle sich auf diese Marktveränderung ein.
Rügenwalder denkt vertikal
Beim Sojaanbau wolle Rügenwalder Mühle künftig verstärkt auf regionale Produktion setzen, sagt der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Michael Hähnel. Seit diesem Frühjahr baut das Unternehmen mit einem Partner eigenes Soja in Deutschland an. Nach der Ernte im September soll es veredelt und in den vegetarischen und veganen Produkten verwendet werden. Ist das Pilotprojekt erfolgreich, sei geplant, im nächsten Jahr zehn Prozent des Sojabedarfs aus heimischer Herstellung zu decken und diesen Anteil kontinuierlich zu steigern.
Der Boom pflanzenbasierter Lebensmittel dürfte einige Gründe haben. Die Klimadebatte spiele ebenso hinein wie die jüngste Diskussion über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, sagt Christian Vagedes von der Veganen Gesellschaft Deutschland: "Fleisch und andere Massentierhaltungsprodukte schädigen das Klima; mit 18 Prozent sogar deutlich mehr als der gesamte Straßen- und Flugverkehr." Auch die Corona-Krise habe die Menschen zum Nachdenken gebracht, glaubt ProVeg-Sprecher Grömminger: "Es besteht ein inzwischen unbestreitbarer Zusammenhang zwischen unserem Ernährungssystem und dem Risiko für Pandemien, wie wir sie gerade erleben."
am/mit dpa