
Porsche: Abstieg einer Marke?
Die Volkswagen AG drückt bei der Porsche-Übernahme aufs Tempo. Doch die Eingliederung von Konzernmarke Nummer zehn hat auch Risiken und Nebenwirkungen.
Die Volkswagen AG drückt bei der Porsche-Übernahme aufs Tempo. In der kommenden Woche will Europas größter Automobilkonzern 49,9 Prozent an der Stuttgarter Sportwagenschmiede für 3,9 Milliarden Euro übernehmen, sagte der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn auf der heutigen außerordentlichen Hauptversammlung in Hamburg. Ende 2011 wollen die Wolfsburger das bis dahin voraussichtlich weitgehend entschuldete Unternehmen als zehnte Marke in den Konzern eingegliedert haben.
Zwar befinden sich unter dem Volkswagen-Dach bereits noble und sportliche Marken wie Bentley, Bugatti und Lamborghini. Doch Porsche hat eine besondere Strahlkraft. Das wird deutlich, wenn man die Markenwerte von VW und Porsche miteinander vergleicht. In der aktuellen Analyse der weltweiten Markenberatung Interbrand steht VW mit einem Markenwert von umgerechnet rund 4,3 Milliarden Euro auf Platz 55 der weltweit wertvollsten Marken – bei einem Umsatz von 113,8 Milliarden Euro. Porsche hingegen hat im abgelaufenen Geschäftsjahr nur 7,46 Milliarden Euro umgesetzt, hat aber einen vergleichsweise sehr hohen Markenwert von umgerechnet rund 2,8 Milliarden Euro und steht damit auf Platz 74 der wertvollsten Marken.
Bisher galt Porsche als exklusive Marke für Individualisten. Dieses Image verstärkte das Charisma und die kraftstrotzenden Auftritte des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking. Der 57-jährige Maschinenbauer führte Porsche seit 1993 und machte aus einem pleitebedrohten Exoten ein Vorzeigeunternehmen, das mehr Gewinn abwarf, als es Umsatz machte. In der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2009 vervierfachte Porsche seinen Gewinn durch Optionsgeschäfte mit VW-Aktien. Der Umsatz sank dagegen im gleichen Zeitraum um knapp 13 Prozent. Die Spekulationsgeschäfte und die Finanzkrise brachten Porsche an den Rand des Abgrunds und machten Wiedekings Pläne zunichte, den weitaus größeren Volkswagen-Konzern zu schlucken.
Ende Juli dieses Jahres mussten Wendelin Wiedeking und Finanzchef Holger Härter das Unternehmen verlassen. Nachfolger von Wiedeking als Chef von Porsche ist Michael Macht. Doch den Takt und die Richtung gibt künftig VW-Chef Martin Winterkorn vor – in Absprache mit dem als Übervater geltenden VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch. Insider zweifeln, dass die Marke Porsche ihre Anziehungskraft auf Liebhaber und Individualisten behalten wird. Bereits in der Vergangenheit waren Kooperationen mit dem VW-Konzern immer wieder kritisiert worden. So ist der Geländewagen Cayenne im Prinzip baugleich mit dem deutlich billigeren VW-Modell Touareg. Als zehnte Marke im VW-Konzern wird Porsche künftig von technischen Entwicklungen und Einkaufsvorteilen profitieren – das ist zugleich Fluch und Segen.
Die Modellpalette von Porsche wird voraussichtlich ausgedehnt werden. Lange Zeit konzentrierte sich Porsche auf zweisitzige Sportwagen wie das Flaggschiff 911, den Cayman und den Boxster. Der Geländewagen Cayenne kam erst Ende 2002 auf den Markt. Und seit vergangenem Jahr erweitert der Panamera, eine viersitzige Limousine, das Porsche-Portfolio nach oben. Nun hat VW-Chef Martin Winterkorn angeblich bereits drei neue Modelle in der Planung.Vorstellbar sind ein neues Einstiegsmodell unterhalb des Boxster, ein kleinerer Ableger des Geländewagens Cayenne sowie eine Cabrio-Variante der familienorientierten Panamera-Limousine.
Gleichzeitig muss VW-Chef Winterkorn aufpassen, dass es keine Kannibalisierungseffekte in der Modellpolitik der Marken gibt – insbesondere mit der Marke Audi, die sich in den vergangenen Jahren eine deutliche Aufwertung erarbeitet hat und mittlerweile als Premiummarke in einigen Bereichen bereits die Konkurrenten BMW und Mercedes-Benz überholen konnte. Als Audi vor drei Jahren den Sportwagen R8 auf den Markt brachte, wurde er in der Presse als „Porsche-Jäger“ bezeichnet. Und in diesem Jahr kam die Cabrio-Variante R8 Spyder auf den Markt. Neue Produktionsverfahren wie der modulare Längsbaukasten ermöglichen innerhalb des VW-Konzerns eine stärkere Vielfalt von Modellvarianten – sie machen aber gleichzeitig die Felder im Markt enger. Marktnischen werden von Modellen verschiedener Konzernmarken besetzt. Dies macht eine deutlichere Abgrenzung der Modelle und der Marken nötig, sei es über bestimmte Features oder insbesondere das Design.
Erst vor wenigen Tagen hat der VW-Aufsichtsrat Christian Klingler und Rupert Stadler in den Konzernvorstand berufen und diesen damit erweitert. Diese Personalien verdeutlichen: Es wird komplizierter. Klingler war bisher VW-Markenvorstand für den Bereich Vertrieb und Marketing. Als Konzernvorstand wird er künftig diesen Aufgabenbereich über die Marken hinweg dirigieren müssen. Rupert Stadler, ehemaliger Büroleiter von Ferdinand Piëch, und seit 2007 Vorstandsvorsitzender der Ertragsperle Audi, hat mit seiner Beförderung zum Konzernvorstand zwar keine Aufgabenerweiterung erhalten; doch die Personalie zeigt den außerordentlichen Stellenwert der Marke Audi im VW-Konzern.