Gelber Engel:
PR-Gau im Spiegel-Interview: Welche Chance dem ADAC noch bleibt
Die Krisenkommunikation des ADAC war nicht so miserabel, wie häufig behauptet – das meinte zumindest Christian Maertin, Geschäftsführender Gesellschafter der PR-Beratung Siccma Media. Bis zu einem Interview des ADAC-Geschäftsführers Karl Obermair mit Spiegel Online. Wie er diesen PR-Gau bewertet und wie Krisenkommunikation eigentlich laufen sollte, erklärt der PR-Experte in seinem Gastbeitrag für W&V Online.
Die Krisenkommunikation des ADAC war nicht so miserabel, wie häufig behauptet. Das meinte zumindest Christian Maertin, Geschäftsführender Gesellschafter der PR-Beratung Siccma Media - bis er das Interview des Geschäftsführers Karl Obermair mit Spiegel Online las. In seinem Gastbeitrag für W&V Online erklärt Maertin, wie er diesen PR-Gau bewertet und wie Krisenkommunikation eigentlich laufen sollte.
Ich muss gestehen: Als ich mir die ersten Gedanken über diesen Beitrag machte, wollte ich eigentlich einen bewussten Gegenpunkt zur weit verbreiteten ADAC-Häme und der Kritik an seiner Kommunikation setzen. Natürlich hat der Club mit der Manipulation der Teilnehmerzahlen am Wettbewerb "Gelber Engel" und der anschließenden Beschimpfung der Medien zwei unverzeihliche Fehler begangen. Als Michael Ramstetter am Freitag seine Fehler zugegeben hatte, handelten die Verantwortlichen jedoch schnell: Sofortige Trennung vom Kommunikationschef, Pressemitteilung, Pressekonferenz, viele persönliche Gespräche mit Journalisten, umgehende interne Ermittlungen und nicht zu vergessen: Umfassende Entschuldigungen bei Medien und Mitgliedern. Vor dem Hintergrund der extrem knappen Zeit und des massiven Drucks der Medien waren dies die richtigen und wichtigsten Schritte. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass mit dem Kommunikationschef ausgerechnet derjenige von Bord gehen musste, der im Kern eigentlich für solche Aufgaben zuständig und verantwortlich ist. Es wäre vermessen, zu erwarten, dass die in Sachen Krisenkommunikation völlig unerfahrenen Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung einen Sturm dieses Kalibers in so kurzer Zeit alleine auffangen können.
Vor diesem Hintergrund konnte ich die massive Kritik an der Kommunikation des ADAC und Vorwürfe wie „Trutzburg-Mentalität“ oder „Dialogverweigerung“ nur bedingt nachvollziehen – bis Mittwoch Nachmittag. Da veröffentlichte Spiegel Online ein Interview mit ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair, das wohl mit dem Begriff „ultimativer PR-GAU“ richtig bezeichnet ist. Bedenkt man, dass es zum jetzigen Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung wäre, Führungsstärke und Entschlossenheit zu demonstrieren, beschreibt Obermair in diesem Gespräch wortreich, wie er seinen selbstbewussten Kommunikationschef über Tage nicht zu sprechen bekam und sich auf diese Weise tagelang von ihm am Nasenring durch die Manege führen lies, um abschließend am Donnerstag auf großer Bühne zur Lachnummer degradiert zu werden. Die Kernaussage des Gesprächs haben die Profis von Spiegel Online natürlich in die Überschrift gepackt: „Herr Ramstetter war für uns nicht greifbar.“ Führungsstärke und Entschlossenheit klingen anders. Selbst die wohlwollendsten Beobachter müssen damit wohl feststellen: Die Krisenkommunikation des ADAC ist gescheitert, bevor sie richtig begonnen hat.
Widmen wir uns daher der Frage, was der ADAC hätte besser machen können. Wie hätte die Kommunikation im Idealfall organisiert werden müssen und welche Lehren kann man für die Zukunft aus dieser Krise ziehen? Folgende fünf Punkte sind aus meiner Sicht entscheidend:
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Krisen präventiv vorbereiten
Für die meisten großen Unternehmen ist es heute eine Selbstverständlichkeit, umfangreiche und detailliert ausgearbeitete Krisenkommunikationspläne in der Schublade zu haben. Gerade Organisationen, aber auch hochrangige Manager, die über viele Jahre unangefochten, erfolgsverwöhnt und wenig kritisiert im Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung standen, bereiten sich jedoch für den Ernstfall häufig kaum vor. Der ADAC ist dafür das perfekte Beispiel. -
Kritische Berichterstattung nicht unterschätzen
Die Geschäftsführung des ADAC hat sich wohl nur deshalb so lange von ihrem Kommunikationschef vertrösten lassen, weil sie den Kommunikations-Tsunami am Horizont nicht hat kommen sehen. Dies ist umso schwerer zu verstehen, da die "Süddeutsche Zeitung" die Vorwürfe natürlich nicht zufällig zwei Tage vor der großen Gala zur Preisverleihung des "Gelben Engel" veröffentlicht hat. Gute Krisenkommunikation hätte bedeutet, die Vorwürfe noch am gleichen Tag intern zu prüfen, umgehend ein erfahrenes Krisenteam zu engagieren, das noch am gleichen Tag (oder in der Nacht) die Situation diskutiert und innerhalb kürzester Zeit ein erstes Paket akuter Maßnahmen beschließt. -
Öffentliche Äußerungen genau abwägen
Es wird vermutlich immer ein Rätsel bleiben, wie sich der ADAC-Präsident und seine Geschäftsführung am Donnerstag zu einer derartigen Medienschelte hinreißen lassen konnte, ohne zu wissen, was der Verantwortliche zu den Vorwürfen überhaupt sagt. Richtig wäre gewesen, nach Klärung der Vorwürfe jede öffentliche Äußerung sorgfältig abzuwägen und von Kommunikationsprofis prüfen oder sogar entwickeln zu lassen. Wäre dies beim ADAC geschehen, hätte der Club wohl kaum versprochen, den Auswahlprozess für den "Gelben Engel" zukünftig von einem Notar überwachen zu lassen – um wenige Tage später den Preis ganz einzustellen. Auch das Interview mit Spiegel Online hätte in dieser Form nie stattgefunden. -
Berechtigte Vorwürfe umfassend zugeben
Das Prinzip „Angriff ist die beste Verteidigung“ mag im Sport gelten, nicht aber in Krisensituationen. Organisationen, die erkennen müssen, dass sie mit berechtigten Vorwürfen konfrontiert werden, sollten alle Verfehlungen uneingeschränkt zugeben, mit Hochdruck alle Fakten ermitteln und größtmögliche Transparenz schaffen. Aber auch hier gilt: Keine Schnellschüsse, nicht von den Medien treiben lassen und auf die Hauptaufgaben konzentrieren. Mitunter neigen Unternehmen dazu, Journalisten voreilig alle Türen und Tore zu öffnen, in der Hoffnung, dass dann der Druck nachlässt und die Berichterstattung wieder etwas freundlicher ausfällt. Diese Strategie führt in vielen Fällen dazu, dass plötzlich Randthemen diskutiert werden, die zuvor eigentlich niemand auf dem Radar hatte.
Keine Salami-Taktik
Den Verantwortlichen beim ADAC steht eine arbeitsreiche Zeit bevor. Denn hunderte von Journalisten werden den Club in den kommenden Wochen bis in den letzten Winkel seines Kellers durchleuchten. Wer wissen will, was das bedeutet, kann zum Beispiel mal bei der Ergo-Versicherung in Düsseldorf oder auch der Debeka in Koblenz nachfragen. Organisationen, die eine solche Phase schnellst- und bestmöglich durchstehen wollen, sollten alle brisanten Themen intern schnellstmöglich aufarbeiten und dann aktiv in die Öffentlichkeit gehen.
Dazu gehört viel Mut, der letztendlich aber belohnt werden wird. Die Ergo-Versicherung zum Beispiel hat sich während ihrer schweren Krise entschieden, selbst Bewirtungsbelege ihrer Vertreter ins Netz zu stellen – leider erst, nachdem die Medien bereits monatelang scheibchenweise immer wieder neue Aspekte der Incentive-Reisen veröffentlicht hatten. Als dann irgendwann alle Informationen für jeden einsehbar im Netz standen, ließ der mediale Druck schlagartig nach. Denn Exklusivgeschichten waren ab sofort nicht mehr möglich.
Im Gegensatz zur Ergo, deren Krise zu einem schweren, nachhaltigen Imageschaden führte, hat der ADAC jetzt noch die Chance, schnellstmöglich aufzuräumen und alle kritischen Themen auf den Tisch zu legen. Je schneller und entschlossener der Club das tut, desto geringer werden die Folgen der Krise sein.
Eine gute Entscheidung ist deshalb die Ankündigung des ADAC, sich umfassend bei Autoherstellern und Zulieferern zu entschuldigen. Gegenüber der dpa erklärte ein Sprecher des Autoclubs, dies werde auf allen Ebenen geschehen – im persönlichen Gespräch, telefonisch und auch schriftlich. Wenig hilfreich ist dagegen die Stellungnahme von ADAC-Präsident Peter Meyer, die seit Mittwoch kurzzeitig auf Youtube zu sehen war. Endlos lange Ausführungen zum Pannenservice, zur Luftrettung und zur Sicherheitsweste sind völlig unnötig. Keines dieser Themen ist derzeit Gegenstand des öffentlichen Interesses und daher in einer solchen Stellungnahme fehl am Platz. Der ADAC nutzt sie in der (falschen) Hoffnung, damit bei den Mitgliedern punkten zu können und nimmt seiner eigenen Stellungnahme damit sowohl Relevanz als auch Glaubwürdigkeit. Besser wäre gewesen, sich auf die aktuelle Diskussion und eine Entschuldigung zu konzentrieren. Dann wäre die Stellungnahme kurz, knackig und glaubwürdig und nicht mit über vier Minuten einschläfernd lang geworden.
Das zumindest hat der ADAC wohl selbst erkannt - das Video wurde am Donnerstag ausgetauscht und durch ein neues ersetzt.
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