
Ogilvy und Bubbles drehen Screwball-Comedy mit Paul Harather
Exklusiv: Der "Indien“-Regisseur Paul Harather hat für die Deutsche Bahn den neuen Werbespot gedreht. W&V war beim Dreh dabei und zeigt den Spot.
Durch die Automatiktür im neu gestylten ICE 2 schiebt sich turtelnd ein schon etwas älteres Ehepaar. Die beiden amüsieren sich wie zwei frisch Verliebte. Da springt seitlich aus der Sitzreihe eine junge Frau auf, als sich das Paar vorbeischiebt. "Mama?... Papa? Ich dachte, ihr seid krank und könnt deswegen nicht auf die Kinder aufpassen!“, ruft die junge Frau und schaut schockiert. Während der Vater "Ach Liebes, weißt du“ stammelt, reagiert die Mutter schlagfertig: "Spontanheilung“, lügt sie ihre verdutzte Tochter an. Und deren Ehemann, Typ überangepasster Kofferträger, pflichtet seiner Schwiegermutter eilfertig bei: "So was gibt’s."
"Cut!", ruft Regisseur Paul Harather, "die Stimmung war mir jetzt ein bissl zu flau bei euch. Ein bissl mehr Tempo bitte.“ Also auf ein Neues: Bubbles Filmproduktion/Harather, Klappe, die zweite - eine von unzähligen, die an diesem langen Drehtag noch folgen sollen. Drehort ist ein ICE-Zug, der auf dem Betriebsbahnhof Grunewald steht. Gedreht wird die erste Szene des Spots "Erwischt“ .
Die Bahn-Agentur Ogilvy & Mather hat Bubbles Film und den österreichischen Regisseur geholt, um den Werbespot für das Angebot "Sparpreis Mitfahrer“ zu drehen, das ab Ende August gilt. Dann können zwei Personen ab 49 Euro durch Deutschland reisen. Nach dem Werbeclip für das Familienticket für 49 Euro, der zur Ferienzeit über die Bildschirme flimmerte, will die Bahn nun erneut mit Humor punkten. "Harather hat ein sensationelles Gefühl für Timing“, schwärmt Ogilvy-Kreativgeschäftsführer Stephan Vogel.
Die Story: Vier verschiedene Paare treffen im Zug aufeinander, alle haben offenbar das Paar-Angebot der Bahn genutzt. Und alle haben deswegen gelogen: Die Großeltern Mayer haben versprochen, auf ihre Enkel aufzupassen, und werden stattdessen von Tochter und Schwiegersohn im Zug erwischt. Der brave Schwiegersohn und blasse Angestellte Weber hat seinem Chef erzählt, dass er Kinder hüten muss, und wird von seinem Chef im Zug erwischt. Doch auch Webers Chef Rosenbach hat kein reines Gewissen. Er reist mit seiner üppig geschminkten Sekretärin und wird im Zug von seiner Frau erwischt. Der hat er erzählt, er könne den Hochzeitstag nicht mit ihr feiern wegen eines dringenden Geschäftstermins. Ehefrau Sandra wiederum ist mit ihrer besten Freundin Gabi im Zug unterwegs. Ausgerechnet der Gabi, von der die Großeltern behaupten, sie würde statt ihrer auf die Kinder aufpassen.
Wie etabliert man in 20 Sekunden acht Charaktere, ohne dass es gehetzt wirkt? Die Beziehungen unter den Figuren müssen ja im Bruchteil einer Sekunde klar werden. Harathers Konzept: Gedreht wird auf einer Sichtachse innerhalb eines Zugabteils. Die Szenen, in denen neue Charaktere auftreten, sollen übergangslos ineinanderfließen, ohne Schnitte. "Transition“ nennt Harather die Methode, die er für den Spot im Stil einer Screwball-Comedy gewählt hat. Sie sorgt für Tempo und treibt die Geschichte voran. Da muss jede Pointe auf dem Punkt sitzen. "Eine Kunst, die Harather perfekt beherrscht“, sagt Vogel.
Der Spielfilmregisseur arbeitet unaufgeregt und freundlich, aber dabei äußerst genau. Als zum Beispiel der Angestellte Weber von seinem Chef im Zugabteil gestellt wird, taucht er unter den Sitz. "Cut, zu früh untergetaucht“, ruft Harather und geht mit Schauspieler Philipp Wirz die Szene noch mal durch: "Wenn du entdeckt wirst, tauchst du nicht gleich weg, du überlegst erst, was könnte ich dem Chef sagen, alle denken, da kommt noch was, du schaust den Chef an, dann fällt dir aber doch nichts ein. Erst dann beschließt du abzutauchen.“ Es ist der Bruchteil einer Sekunde mehr Verzögerung vor dem Abtauchen, die die Szene die entscheidende Spur witziger macht - Timing eben.
"Einer der Gründe, warum ich Werbung mache ist, dass sie dich zur Genauigkeit zwingt“, sagt Harather. Der Regisseur spielt verschiedene Szenen-Varianten am Set durch, auch spontane Einfälle der Schauspieler werden mit eingebaut, Ideen entstehen während des Drehs. Doch das ist harte Arbeit: "Spontaneität ist, wenn man die Vorbereitung nicht sieht,“ sagt Harather. Erst, wenn die Charaktere genau besprochen seien und die Rollen herausgearbeitet, könne auch spontan etwas entstehen.
Deswegen gibt der Spielfilmregisseur (größter Erfolg: "Indien“ mit dem Kabarettisten Josef Hader) den Darstellern eine richtige Lebensgeschichte für ihre Rollen mit auf den Weg - quasi als Subtext für die Charaktere, die sie darstellen sollen. So ist etwa Herr Mayer ein Verfassungsrichter a.D., der mit seiner Frau, sie könnte Galeristin sein, das Leben genießt. Der Schwiegersohn dagegen hat sich mühsam zum Vertriebsleiter in einer Fabrik für Kugel- und Walzlager hochgearbeitet und trägt schwer an seinem Selbstwertproblem. Sandra, die Ehefrau von Alphamännchen-Manager Rosenbach, hat seinetwegen auf Kinder verzichtet und ebenfalls Karriere gemacht. "Es ist sehr ungewöhnlich, bei einem Werbefilmdreh solche Rollenhintergründe vermittelt zu bekommen,“ sagt Schauspielerin Yvonne Hotz. Doch das helfe, die Charaktere lebensecht darzustellen.
Ob dies gelungen ist, lässt sich ab 29. August im Fernsehen überprüfen, wenn die Bahn ihren neuen Spot über den Äther schickt. Oder gleich hier bei W&V Online. Ob es im Herbst weitere Ticketangebote für 49 Euro geben wird oder die Bahncard in der Werbung Thema wird, lässt sich Konzernmarketer Peter Krämer aber nicht entlocken.
Parallel zum Spot werden Anzeigen, Großflächenplakate, Online-Maßnahmen, Infoscreens an Bahnhöfen sowie eine Bahnhofskampagne eingesetzt. Verantwortlich für die Mediaplanung ist DB Media & Buch. Bei der Agentur O&M sind neben CD Stephan Vogel verantwortlich Bent Kroggel (Text), Marco Weber (Art), Martina Huschka und Rebecca Ramershoven (Beratung). Bei der Bahn kümmern sich um die Kampagne Ulrich Klenke (Leiter Konzernmarketing), Gabriele Handel-Jung (Leiterin Marketingkommunikation und Media), Peter Krämer (Kampagnenmanagement Fernverkehr).
Am 1. September startet eine Kampagne für die Studenten-Bahncard, die W&V Online vorab zeigt.