
Marseille-Kliniken AG:
Notstand im Pflegeheim? Betreiber attackiert RTL und "Team Wallraff"
Die verdeckten Recherchen in Pflegeheimen bringen den Betreiber Marseille-Kliniken AG gegen RTL und das "Team Wallraff" auf.
Im Nachgang zur RTL-Serie "Team Wallraff" reagieren - anders als etwa im Fall Burger King - dieses Mal die von der Aufdeckung Betroffenen zügig: Die Krisen-PR-Maschinerie der Marseille-Kliniken AG läuft am Dienstagmittag umfassend an und liefert eine ausführliche Rechtfertigung. Die Betreiberin des am Montag durchleuchteten Pflegehauses Kreuzberg will Sender und Günter Wallraff in ein anderes Licht rücken. Demnach stammen die am Montagabend gezeigten Aufnahmen für die TV-Sendung aus dem Dezember 2013. "Inzwischen wurden nahezu alle der gezeigten Mängel beseitigt - und das noch weit VOR der Ausstrahlung der Sendung", heißt es aus dem Presseteam der Marseille-Kliniken. Zur Rechtfertigung heißt es, das Pflegehaus werde vor allem von Menschen bewohnt, die von der Sozialhilfe getragen werden – "darunter viele ehemalige Obdachlose und Schwerstalkoholiker, die nur schwer einen Platz in einem anderen Heim bekommen hätten". Konkret auf eine Aufnahme aus einem verwahrlosten Zimmer reagiert der Betreiber mit den Worten: "Im Beitrag wurde beispielsweise auch nicht erwähnt, dass es sich bei den gezeigten Innenaufnahmen um ein Zimmer eines ehemaligen Obdachlosen und Schwerstalkoholikers handelt." Weitere Vorwürfe, wie der eines nicht gemeldeten Ausbruchs einer Norovirus-Erkrankung oder eines "Insiders" bei den zuständigen Aufsichtsbehörden, die Kontrollbesuche vorankündigen, werden als "falsch" zurück gewiesen. Anders indes ein Münchner Heim, das in der Sendung Thema war und wo Wallraffs Team wohl voll ins Schwarze getroffen hat: Dort ziehen die Verantwortlichen nun personelle Konsequenzen.
Das "Team Wallraff" bleibt damit in aller Munde. Die Nachwirkungen der vergangenen Woche, in der die neue Staffel der RTL-Reihe zum Auftakt Unappetitliches bei Burger King enthüllte, hat eine Woche später Konsequenzen. Die Burger King Beteiligungs GmbH in München muss auf breiter Basis die Verfehlungen zugeben und teilt jetzt mit, dass nach Vorwürfen wegen Hygieneverstößen und schlechter Arbeitsbedingungen gegen einen Burger-King-Lizenznehmer das Unternehmen sechs Filialen vorübergehend geschlossen habe. Inzwischen seien die Mängel behoben und die Restaurants wieder geöffnet. Außerdem habe sich einer der Gesellschafter des betroffenen Franchisenehmers aus der Geschäftsführung zurückgezogen.
Aber der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff hat mit seiner Arbeit auch Ärger an der Backe - wegen einer angeblichen uneidlichen Falschaussage. Die Staatsanwaltschaft habe einen entsprechenden Strafbefehl am Amtsgericht Bad Kreuznach beantragt. Dieser werde derzeit geprüft, meldet "dpa" am Dienstag. Die Behörde habe den Antrag im Februar dieses Jahres gestellt. Sie wirft Wallraff vor, 2012 in einem Prozess gegen den Betreiber einer Großbäckerei aus dem Hunsrück falsch ausgesagt zu haben. Das Amtsgericht hatte den Unternehmer damals freigesprochen. Wallraff selbst sagte der dpa, er sei überzeugt, dass der Antrag, wie auch andere Verfahren gegen ihn, eingestellt werden müsse. Dem Brotfabrikanten war vorgeworfen worden, dass Mitarbeiter sich an einer veralteten Anlage mehrfach an den Armen verbrannten. Wallraff hatte das Verfahren mit Undercover-Recherchen in dem Betrieb ins Rollen gebracht und im Prozess als Zeuge ausgesagt.
Fest steht: Der kommerzielle Enthüllungsjournalismus kommt beim Zuschauer an. Die verdeckten Recherchen in deutschen Pflegeheimen von "Team Wallraff - Reporter Undercover" interessierten am Montag ab 21.15 Uhr bei RTL 4,40 Millionen Zuschauer (16,3 Prozent Gesamtmarktanteil), rund 600.000 mehr als bei Folge eins in der Vorwoche. Die Kölner spielen das Thema in allen aktuellen Magazinen durch und schüren selbst die Diskussion. Kein Wunder, dass das ZDF versucht, auf diesen Themenwellen zu surfen.