
Nie mehr "DDR-Nostalgiker": Sinus überarbeitet die Milieus
Um die neue Alltagswirklichkeit der Gesellschaft abzubilden, hat das Sinus-Institut die altbewährten Milieus nach zehn Jahren einem umfassenden Update unterzogen.
Deutschland verändert sich. Arbeit und Privatleben sind heute deutlich flexibler als noch vor zehn Jahren, klassische Familienstrukturen lösen sich auf, die Digitalisierung des Alltags schreitet voran und ebenso auch die Wohlstandspolarisierung. Um diesem Wandel gerecht zu werden, legt das Sinus-Institut, das seit drei Jahrzehnten die Lebenswelten der Menschen erforscht und die bekannten Sinus-Milieus als Tool für die Zielgruppen-Segmentierung entwickelt hat, jetzt ein Update seines Lebenswelten-Modells vor.
Die typische "Kartoffelgrafik" ist geblieben, sie veranschaulicht die Position der Milieus in der deutschen Gesellschaft nach sozialer Lage und Grundorientierung. Die Achse der Grundorientierung wurde dazu jetzt allerdings ausdifferenziert: Sie kann nun in sechs Bereiche geteilt werden, anstatt bislang nur drei.
Darüber hinaus lassen sich große Segmente wie das "Traditionelle Milieu", das "Hedonistische Milieu" und die "Bürgerliche Mitte" jetzt in weitere Submilieus zerlegen, was der Fragmentierung der Gesellschaft Rechnung tragen soll.
Der Anteil der traditionellen Milieus ist geschrumpft, dafür ist das moderne Segment gewachsen. Die stärksten Veränderungen finden sich in den gehobenen Milieus, wo eine kosmopolitische Elite enstanden ist, aber auch im jungen Segment. Dort hat Sinus ein ganz neues Milieu definiert, in dem ein bunter "Wertecocktail" herrscht, das "Expeditive Milieu".
Wer "DDR-Nostalgiker" oder "Postmaterielle" als Zielgruppe definiert hat, muss sich umorientieren: Diese Milieus wurden nicht nur umbenannt, sondern sind komplett in anderen Segmenten aufgegangen. Damit man seine Zielgruppe jetzt wiederfindet, hat Sinus eine Grafik bereitgestellt, die zeigt, woher die neuen Milieus kommen.
Media-Experten, die in der täglichen Planung mit dem Modell zu tun haben, finden, ein Update war zwar an der Zeit, gehen aber zunächst von einer langwierigen Umstellung aus. "Die Umstellung führt für alle Beteiligten erst einmal zu mehr Arbeit und Unsicherheit", sagt Ulrike Höper, Manager Media Strategy & Buying bei InBev Deutschland. Denn: Bisher bewährte Zielgruppen sind in anderen aufgegangen und verwässern die altbekannten. Und, so Höper, "die Potenziale ändern sich" - und das hat wiederum Auswikrungen auf die Mediakosten.
Und das sind die neuen Sinus-Milieus:
"Konservativ-Etablierte": Hier findet sich das "klassische Establishment" wieder.
"Liberal-Intellektuelle": Die aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung.
"Perfomer": Die effizienzorientierte Leistungselite.
"Expeditives Milieu": Die individualistisch geprägte digitale Avantgarde.
"Bürgerliche Mitte": Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream.
"Adaptiv-pragmatisches Milieu". Die mobile zielstrebige junge Mitte.
"Sozalökologisches Milieu": Idealistisch, konsumkritisch, mit einem sozialen Gewissen.
"Traditionelles Milieu": Die Sicherheit- und Ordnung liebende Kriegs- bzw. Nachkriegsgeneration.
"Prekäres Milieu": Teilhabe und Orientierung suchende Unterschicht.
"Hedonistisches Milieu": Spaß-orientierte moderne Unterschicht.
Wie Media-Experten mit dem neuen Modell umgehen und was die Umstellung für die Werbungtreibenden bedeutet, lesen Sie in der aktuellen Werben & Verkaufen (EVT 02.09.2010).