Privatsphäre im Netz:
New York Times macht Schluss mit Programmatic Ads
Die New York Times verabschiedet sich von Programmatic Advertising und kündigt eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre an. Dazu gehöre ein Werbe-Ökosystem ohne "Überwachung" der Leser.
"Du kannst denjenigen erwischen, der durch dein Fenster späht - aber die meisten Menschen sehen nicht den Code, der sie überwacht." Mit diesen Worten umschreibt, Robin Berjon den Zustand, dem sein Arbeitgeber den Kampf angesagt hat. Die renommierte New York Times will künftig auf Programmatic Advertising auf ihren Websites verzichten.
Das kündigte Berjon, VP Data Governance bei der NYT, in einem Blogpost an. Die Zeitung habe eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um die Privatsphäre ihrer Leser zu schützen. Dazu gehöre eine überarbeitete Datenschutzerklärung, die nun so einfach formuliert sei, dass ein Siebenjähriger sie verstehe. Auch ein neuer FAQ-Abschnitt soll den Lesern mehr Transparenz über die Verarbeitung ihrer Daten bieten.
Überwachung des "gesamten vernetzten Lebens"
Bereits im April 2019 entfernte die NYT datensammelnde Drittanbieter von ihren Seiten mit Ausnahme des Marketing- und Abo-Bereichs. Eigenen Angaben zufolge konnte dieser Schritt den Datenaustausch mit Dritten um 90 Prozent reduzieren. Diese Zahl soll noch weiter steigen, schreibt Berjon, der gleichzeitig zugibt, dass die Werbemaßnahmen für Abos der Zeitung aktuell noch auf Dritte angewiesen seien.
Die Zeitung arbeite aber bereits an Lösungen, um potenzielle Abonnenten auch ohne den kritisierten Datenaustausch zu gewinnen. Ein Beispiel sei das Tool TAFI, das Inhalte der Zeitung auf Social Media bewirbt.
In Europa und weltweit in den eigenen Apps verzichte die NYT bereits auf sogenanntes "Open Market Programmatic Advertising", das persönliche Nutzer-Daten an dutzende Dritt-Firmen weitergebe. Verlage hätten hier nur wenig Kontrolle über die Verarbeitung dieser sensiblen Informationen.
Aus diesem Grund entwickele die Zeitung zusammen mit Partnern ein Werbe-Ökosystem, um Anzeigen auszuspielen, die nicht auf der Überwachung des "gesamten vernetzten Lebens" der Leser basieren, so Berjon.
Sulzberger kündigte "Privacy Project" an
Die NYT will mit der Neuausrichtung ihrer Online-Vermarktung ein neues gesellschaftliches Bewusstsein für Privatsphäre im digitalen Zeitalter schaffen. Sie will Vorreiter sein und andere Akteure mitreißen. Berjon schreibt: "Die Times hilft dabei, Normen zu schaffen, damit das Internet ein Umfeld wird, dem Nutzer vertrauen können."
Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres kündigte NYT-Herausgeber A.G. Sulzberger den neuen Weg, das sogenannte "Privacy Project", der Zeitung in einem Gastbeitrag an. Wie ein Politiker, der gegen hohe Arzneimittelpreise wettert und gleichzeitig Wahlkampfspenden von großen Pharmakonzernen annimmt, schrieb Sulzberger damals, könne auch eine Nachrichtenorganisation nicht über die Privatsphäre im Internet berichten, ohne dass die Leser zu Recht skeptisch werden und Praktiken der Medienhäuser auf Anzeichen von Heuchelei untersuchen. Nun sei es an der Zeit, zu handeln.