Netzpolitischer Abend: der Zoff um die Cookie-Richtlinie
Erster Netzpolitischer Abend des BVDW: Experten, Politiker und Wirtschaftsvertreter diskutieren, wie viel Datenschutz die Gesellschaft braucht und die Digitale Wirtschaft verträgt.
Schlagabtausch: Beim ersten "Netzpolitischen Abend“ des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) in Berlin gab es eine Kontroverse um die Frage, ob auch Tracking-Cookies für Internet-Werbung nur mit ausdrücklicher Zustimmung der User gesetzt werden dürfen. Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe, die der BVDW laut seiner Berliner Vertreterin Lena Herrling von nun an mehrmals im Jahr durchführen will, waren rund 120 Besucher in die Bundespressekonferenz in Berlin gekommen, um die Podiumsdiskussion mit Politikern, Netz-Experten und Wirtschaftsvertretern zum Thema "Innovationen in der digitalen Wirtschaft – Handlungsanforderungen an die Politik?“ zu verfolgen. Mit der Veranstaltungsreihe will der BVDW seine Präsenz in Berlin und das Agenda-Setting für digitale Themen weiter ausbauen.
Wie viel Datenschutz braucht die Gesellschaft, das war das Thema des Abends. Moderiert von W&V-Autor Raoul Fischer diskutierten Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs und Sachverständige der Enquete Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages, Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Konstantin von Notz, Sprecher für Netzpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, sowie Matthias Ehrlich, Vizepräsident des Bundesverbandes digitale Wirtschaft und Vorstand von United Internet Media. Dabei ging es zu Beginn um die aktuelle Datenschutzdebatte mit Blick auf die so genannte Cookie-Richtlinie der EU. Zudem diskutierte das Podium, ob sich in einer globalisierten Welt noch nationale Gesetzesregelungen durchsetzen lassen und welche Chancen eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft bietet.
"Von Cookies geht eine gewisse Gefahr aus, die aber im Wesentlichen darin besteht, dass die Nutzer keine Ahnung davon haben, wie sie mit Cookies umgehen sollen“, sagt etwa Constanze Kurz. Sie sieht Bedarf für eine gesetzliche Regelung, die dem Nutzer über ein direktes opt-in die Chance gibt, das Setzen auch von so genannten Tracking-Cookies abzulehnen. „Es geht um den Schutz der Privatsphäre vor der Kommerzialisierung intimster Lebensbereiche. Die Menschen müssen eine Wahlmöglichkeit über die Nutzung ihrer Daten für die Aussteuerung von Online-Werbung haben“, sagt auch Konstantin von Notz.
„Wir brauchen internationale Spielregeln und eine starke Selbstverpflichtung der Internetwirtschaft“, fordert dagegen BVDW Vize-Präsident Matthias Ehrlich. Viele Politiker seien zwar begeistert, dass im Netz vieles umsonst zu haben sei, was anderswo Geld koste – Online-Werbung dagegen betrachteten sie kritisch, merkt er an. Laut Ehrlich sind Tracking-Cookies eine wesentliche Voraussetzung für die zielgerichtete Auslieferung von Online-Werbung im Rahmen des so genannten Targeting – ein wichtiges Kriterium für die Werbekunden. "In Deutschland stehen wir vor der entscheidenden Frage, ob wir hektisch versuchen mit nationalen Gesetzen zu regulieren oder ob wir mit vielerlei Instrumenten den Dialog mit der digitalen Wirtschaft aufnehmen. Ein striktes Opt-In-Verfahren würde viele Business-Modelle und die Dynamik im Markt der digitalen Wirtschaft stark beeinträchtigen“, pflichtet ihm Staatssekretär Hans-Joachim Otto bei.
Im Vorfeld hatte Ibrahim Evsan, Gründer von Fliplife und Sevenload, in seinem Impulsreferat ein Bild von der weiteren Entwicklung der Internetwirtschaft gezeichnet. Ein Fakt: Die digitale Wirtschaft in Europa hinkt mit Blick auf Investitionen gewaltig hinter dem US-amerikanischen Markt hinterher. Zum Beispiel habe Google 2009 nur für den Server-Aufbau allein in Deutschland doppelt so viel investiert, wie im selbern Jahr in Venture Capital für neue Unternehmen geflossen sei. Die "Big Four" der Internetwirtschaft – Google, Apple, Facebook und Microsoft – schafften Fakten, die auch Gesetze aus Europa nicht mehr einfangen könnten. Am Ende war man sich auch auf dem Podium dahin gehend einig, dass ein entscheidender Faktor weniger die Kontrolle als die Medienkompetenz der User ist. Die Nutzer müssten verstehen, dass sie globale Technologien nutzten, die nicht nur nach nationalen Regeln funktionierten, so Evsan nach der Veranstaltung.