Konkurrenzkampf:
Neidische Werber: Schlechte Verlierer sind auch schlechte Gewinner
Es hat was von Branchenritual: Eine große Agentur gewinnt einen Pitch und kaum ist das Ergebnis verkündet, beklagen die Unterlegenen Schiebung, Preisdumping oder überziehen die Kreation mit Häme oder Plagiatsvorwürfen. W&V-Blogger Peter Breuer über missgünstige Werber mit Minderwertigkeitskomplexen.
Es ist mittlerweile zum Ritual geworden: Eine große Agentur gewinnt einen Pitch und kaum ist das Ergebnis verkündet, beklagen die Unterlegenen Schiebung, Preisdumping oder überziehen kurzerhand einfach die Kreation mit Häme oder Plagiatsvorwürfen. Eine ideale Zeit selbst für komplett Unbeteiligte, rasch aus der Kulisse aufzutauchen und sich gratis an der ohne eigenes Zutun entstandenen Aufmerksamkeit zu bedienen.
Das Perfide daran ist das Gemunkel von Andeutungen und die Leichtigkeit, mit der sich in Kommentarfeldern und Facebook-Posts die Arbeit anderer kritisieren lässt, ohne die eigene Kreation herzeigen zu müssen oder zu dürfen.
Nun ist das dezente Schweigen über die Arbeit anderer etwas in Vergessenheit geraten und öffentliches Loben gilt in der Branche ohnehin wahlweise als Schwäche oder Heranwanzen. Dabei sollte der kompetitive Teil der Werbung doch eigentlich an der Kasse mit den beworbenen Produkten der Klienten stattfinden. Eigentlich – denn die Realität ist leider eine andere.
Ein Problem könnte die Selbstwahrnehmung der Werbetreibenden sein, die vom Minderwertigkeitskomplex ihres Tingeltangel-Images getrieben zu sein scheint. Es gibt so viele Berufsstände und in keinem gibt es so viele Rankings der Größten, Kreativsten und Effizientesten wie im Werbebusiness. Das Geschäft des Fußpflegegewerbes zum Beispiel ist ebenfalls einigermaßen komplex – Hammerzehen, Hallux valgus, Warzen und Hornhaut sind ernste Probleme, die eine große Zielgruppe brennend interessieren. Von rauschenden Ballnächten und goldenen Awards der Fußpflegebranche hört man allerdings vergleichsweise selten. Aber vielleicht feiern die einfach heimlich.
Kommunikation ist in ihrem Wesen definitiv keine Kampfsportart und die Zeit, die mit verkniffenem Gesicht verschwendet wird, um seinem Mitbewerber nachzuweisen, dass es diese eine Kampagnenidee schon so ähnlich in einer guatemalischen Fernsehzeitung und zwar vor gerade mal 28 Jahren gab, könnte sinnvoller mit dem Erarbeiten eines eigenen Gedankens verbracht werden.
Je länger man das Geschäft betreibt und je mehr Ideen man in dieser Zeit hatte, desto häufiger wird man zwangsläufig festgestellt haben, dass viele Gedanken schon einmal gedacht wurden. Die einzige gesunde Art, als Kreativer damit umzugehen, ist die Freude, Seelenverwandte zu entdecken, die schneller waren. Vielleicht schreibt man sich mal und lernt sich sogar kennen. Alles andere macht bitter und lähmt den Spaß an der Arbeit ungemein.
Nebenbei ist es deutlich schöner, in einem Pitch gegen jemanden zu bestehen, dessen Arbeit man schon lange ernsthaft bewundert, als gegen eine ausgemachte Lusche zu gewinnen. Und umgekehrt heißt es: Zwar möchte man gewinnen, aber wenn man einem Besseren unterliegt, ist die Masche alternder Fußballtrainer, nach einer Niederlage in der Pressekonferenz pauschal alle zu beleidigen, keine gute Idee.
Sich stattdessen neidlos über das zu freuen, was einem gut gefiel, würde alle voranbringen. Es ist ein Lob für den Produzenten und es ist ganz uneigennützig ein Ansporn für sich selbst, besser zu werden. Wohlwissend, dass zu einer guten Kampagne ohnehin nicht nur der Kreative gehört, sondern auch die Überzeugungskraft der Strategen und Berater, die für die Realisierung kämpfen, Kunden, die ihr Geld darauf setzen und schließlich noch ein Publikum, das das Ergebnis goutiert.
Peter Breuer ist Texter und Konzeptioner in Hamburg. Für W&V schreibt er regelmäßig über Kreationen und Kreativität.