Kulthemd für den Britpop:
Mode und Musik: Die Marke Ben Sherman
Britpop ohne die Mode von Ben Sherman? No way. In 50 Jahren einträglicher Symbiose mit dem Musikgeschäft ist die Modemarke selbst zum Teil der Pop-Kultur geworden. Markenschau-Autor Heiko Kunzmann über erfolgreiche Männermode, die so "extrovertiert wie nötig und so introvertiert wie möglich" daherkommt und keine großen Werbebudgets braucht.
Die beste Werbung für ein Modelabel ist noch immer, wenn junge hippe Bands die Klamotten so schick finden, dass sie damit auf die Bühne gehen und Trends lostreten. Der britischen Marke Ben Sherman passiert das seit der Gründung vor 50 Jahren andauernd. Britpop ohne das schmal geschnittene Button-Down-Hemd von Ben Sherman – no way! Viel Eigenwerbung hat das Label scheinbar nicht nötig – das erledigen schon diverse Gesangshelden.
Es klingt wie eine Märchenstory, denn alles fing mit einem Baumwoll-Hemd an. Dessen ungewöhnlicher Schnitt, seine pastelligen Farbtöne und Streifen machten 1963 in Großbritannien Furore. Vor allem die Mods mochten den frischen Stil – junge Männer, oft aus dem Arbeitermillieu, die auf ihren frisierten Motorrollern durch die Gegend brausten. Was der junge Ben Sherman in seiner gerade aufgekauften Bekleidungsfabrik im südenglischen Brighton kreiert hatte, machten sie zum Kult. Doch auch Punks, Ska-Fans, Skinheads und nicht zuletzt Britpop-Anhänger streiften sich seine Sachen über. Heute ist Ben Sherman eines der imageträchtigsten Modelabel der Insel: Berühmt für seinen leicht retrogewandten Stil in guter, erschwinglicher Qualität. "So extrovertiert wie nötig und so introvertiert wie möglich", charakterisiert Gert Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Modeinstituts, das Erscheinungsbild der Marke.
Ben Sherman-Stücke sind häufig kleine Kulturbotschafter: Big Ben, der Mini, Londoner Taxis oder die Farben des Union Jack tauchen als Aufdruck, kleines Accessoire oder Muster auf der Tasche auf. Mit dem Flair der Insel spielt die Company auch stark in ihrer Werbung. Neue Klamotten werden in einem Umfeld abgelichtet, das klar erkennbar britisch ist. So wurde die Herbst-Winter-Kollektion etwa in Brighton präsentiert.
"Damit bekräftigen wir die starke, bodenständige britische Ästhetik unserer Marke", erläutert Mark Maidment. Der Mann mit dem markanten Bart ist seit April Geschäftsführer, zuvor war der studierte Designer mehr als zehn Jahre lang der Creative Director des Hauses. Sein Headquarter in London steuert auch das Marketing, die Umsetzung der verschiedenen Kampagnen sowie alles, was mit Werbung zu tun hat. Um die Anzeigenschaltung auf dem hiesigen Markt kümmert sich die in Berlin ansässige Agentur Häberlein & Maurer.
In seiner Marketingstrategie verlässt sich Ben Sherman auf die, die das Haus schon früher erfolgreich gemacht haben – auf die Musikszene und Köpfe der Popkultur. "Wir verfolgen einen Grassroot-Ansatz, etwa indem wir neue Bands ausstatten oder junge Schauspieler", erklärt Maidment. Hinzu kommen Events im Einzelhandel und die Zusammenarbeit mit dem "Teenage Cancer Trust", einer Hilfsorganisation für jugendliche Krebskranke. Bei Printanzeigen gilt quasi das Prinzip "One fits all": Die Britstyle-Marke wirbt nur in internationalen Titeln wie "GQ" oder "Men's Health" und macht zwischen einzelnen nationalen Märkten keinen Unterschied. Wer in ausschließlich deutschen Zeitschriften nach Sherman-Anzeigen blättert, findet also kaum etwas.
Auch im Web betont das Label seinen kulturellen Spirit. Der wöchentliche Newsletter, den Ben Sherman selbst produziert, ist ein Link-Mix zu den eigenen Kollektionen, Filmtrailern, neuen Bands oder Artikeln über laufende Kunstausstellungen - für Britannien-Fans also sehr interessant. Im Social Media-Bereich aber spielt das Modehaus nicht in der ersten Liga: Bei Facebook landet im Schnitt pro Tag ein Post – meist in englisch, seit kurzem ab und an auch in deutsch - bei den gut 163.000 Followern. Zum Vergleich: Das Modelabel Fred Perry, das ebenfalls den britischen Indiestyle pflegt, zählt mehr als 1,1 Millionen Likes, die gehobene Marke Burberry sogar 16,6 Millionen. Man arbeite dran, erwidert Mark Maidment auf eine Frage dazu sinngemäß.
Und: Manches, was online beworben wird, ist offenbar schon wenige Tage später ausverkauft oder noch nicht lieferbar. So fragte Ende Oktober ein enttäuschter Facebook-Fan, ob er einen Herbst-Parka nun wohl zu Weihnachten kaufen kann. Als kurz darauf ein Foto der neuen Kollektion gepostet wurde, wollten einige Fans einen abgebildeten grauen Mantel bestellen. Den, so vertröstete man, gebe es etwa zwei Wochen später.
50 Jahre ist "Ben Sherman" inzwischen und plant noch einiges. Auf wichtigen europäischen Märkten will man sich 2014 ausweiten, kündigt Mark Maidment an. Deutschland zählt dazu: Hier eröffnete "Ben Sherman" vor kurzem bereits zwei brandneue Shop-in-Shops, im KadeWe Berlin und im Alsterhaus Hamburg. Zu seinem "Golden Jubilee" gönnt sich das Label ein eigenes Buch. Und die Kollektion der "Icon Shirts", bei der fünf britische Musiklegenden aus fünf Jahrzehnten einem Hemd ihr Design verpasst haben: Unter anderem "The Who"-Sänger Roger Daltrey, "New Order"-Mitbegründer Bernard Sumner oder Jarvis Cocker von "Pulp". Musik und Mode waren schon immer ein gutes Team – besonders bei "Ben Sherman".