
Merkel und Steinmeier erreichen weniger Zuschauer im TV-Duell
2005 haben sieben Millionen Zuschauer mehr zugeguckt, als sich Angela Merkel mit Gerhard Schröder duellierte. Die Marktanteile der einzelnen übertragenen Sender sind sehr unterschiedlich.
Zwar haben 14,21 Millionen Zuschauer das "TV-Duell" zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Sonntagabend ab 20.30 Uhr bei ARD, ZDF, RTL oder Sat.1 gesehen. Von einem Rekord ist die eher müde Veranstaltung aber weit entfernt: Den verbalen Schlagabtausch vor vier Jahren zwischen Merkel und Gerhard Schröder hatte noch 20,98 Millionen Menschen vor den Bildschirm gelockt. Rund sieben Millionen Zuschauer weniger gegenüber 2005 sind eine herbe Bilanz.
Die ARD scheint jedenfalls von den meisten politisch Interessierten angesteuert zu werden: Den stärksten Einzelwert für das "TV-Duett", wie politische Gegner das Stelldichein in Berlin-Adlershof schnell tauften, meldet die ARD mit 7,76 Millionen Zuschauer ab 3 Jahren und einem Marktanteil von 22,7 Prozent. Das ZDF kommt auf 3,47 Millionen aus dem Gesamtpublikum (10,3 Prozent), RTL auf 2,19 Millionen (6,8 Prozent) und Sat.1 auf magere 0,79 Millionen (2,3 Prozent). Zum Vergleich: Den Animationsfilm: "Die Simpsons" sahen auf ProSieben 3,45 Millionen Menschen (10,3 Prozent).
Die 14- bis 49-Jährigen haben das "TV-Duell" links liegen lassen. Sie bevorzugten dann doch ProSieben mit "Die Simpsons – Der Film". 2,87 Millionen werberelevante Zuschauer sprechen für sich. Den stärksten Wert für das Polit-Gekuschel erzielt das Erste bei den Jüngeren mit 2,31 Millionen Zuschauern aus der Zielgruppe und einem Marktanteil von 15,6 Prozent. Kein Wunder: Twitternde TV-Zuschauer waren sich schnell einig, dass das Spannendste in 90 Minuten Duell Maybrit Illners neue Bezeichnung für eine mögliche schwarz-gelbe Koalition auf Bundesebene: die "Tigerenten-Koalition".
Die teils flaue Zuschauerbeteiligung ist sicher auch auf die unterschiedlich gute Performance der Sender zurückzuführen. Sabine Christiansen etwa, für Sat.1 im Einsatz, moderierte die Sendung vor 20.30 Uhr an, ohne offenbar eine Uhr vor Augen zu haben. Sie musste von der Regie mitten im Satz um 20.30 Uhr ruckartig ausgeblendet werden. Auch die anschließenden Analysen kamen sehr unterschiedlich daher. Das ZDF setzte Oberforscherin Bettina Schausten ein und glänzte immerhin mit ersten Zahlen und Analysen der Forschungsgruppe Wahlen. Interviews mit dem Volk indes wirkten etwas glanzlos. Die ARD-Idee, Anne Will danach unter anderem mit "Bunte"-Chefredakteurin Patricia Riekel, Claus Peymann, Theaterregisseur und Intendant des Berliner Ensembles oder auch Edmund Stoiber parlieren zu lassen, war nur zum Teil gelungen und spiegelte überwiegend deren parteipolitische Gesinnung wider. Peymann zumindest war sich echter Kritik an den beiden kuschelnden Akteuren nicht zu schade und betonte: "Während ich zugesehen habe, habe ich auf einmal einen Sarkozy vermisst und einen Berlusconi, das sind Leute mit Profil." RTL-Gesicht Günter Jauch war auch zugegen und resümierte: "Wähler, die bereits vorher nicht wussten, wen sie wählen sollen, wissen es nun noch weniger."
Schon melden sich die Medienexperten zu Wort. Lutz Hachmeister, Direktor des Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, sagt der Nachrichtenagentur "dpa": ”Sat.1 sollte sich schon aus Selbstschutz vom Duell verabschieden." Der Initiator der unabhängigen Expertenkommission mit Journalisten und Wissenschaftlern nach dem Vorbild der US-amerikanischen ”Commission on Presidential Debates“ betont: ”Für den Sender war die Veranstaltung ökonomisch und publizistisch ein Reinfall. Auch RTL sollte sich fragen, ob das Ganze aus wirtschaftlichen Gründen noch Sinn macht.“
Bürger, die sich nach der breit gestreuten Sendung im TV immer noch nicht entschieden haben, können in den nächsten Tagen noch den Hörfunk als Impulsgeber nutzen. Im ARD-Hauptstadtstudio stellen sich Angela Merkel am 16. September um 13 Uhr und bereits am Dienstag Frank-Walter Steinmeier um 14 Uhr den Fragen der jungen Hörer aus dem ganzen Bundesgebiet. Für den "Kanzlercheck" haben sich die neun jungen Radios der ARD zu einer besonderen Art der politischen Berichterstattung zusammengeschlossen. Zudem werden am kommenden Wochenende unter dem Titel "Merkel gegen Steinmeier - Das Duell in Radio" rund 30 Privatradios aus dem gesamten Bundesgebiet jeweils halbstündige Interviews mit dem Herausforderer und der Kanzlerin zeitgleich übertragen.