Kirsch: Oder: Müssen wir es zielgruppenspezifisch ausgeben? Es gibt Zielgruppen, die wir heute nicht erreichen. Die ganz Jungen sitzen zwar vorm Fernseher, aber in den Pausen und teils auch während der Sendungen sind sie auf einem anderen Screen unterwegs. Diese Zielgruppen erreichen wir vor allem durch unsere Online Werbung. Und die Älteren jenseits der 60, die viel Geld haben und auch viel Geld für unsere Produktgruppen ausgeben, das sind die klassischen ZDF-Gucker. Dort machen wir aber kaum Werbung. Weil die Über-60-Jährigen gerade so eben aus der Zielgruppe rausgefallen sind, was in in einer Zeit definiert wurde, als die 60-Jährigen sich für unsere Produktgruppen angeblich kaum mehr interessierten. Das ist heute anders. Die Folge daraus wäre unter anderem, dass wir unsere Spots zielgruppenspezifischer ausrichten  müssten. Das machen wir schon in den unterschiedlichen Kanälen, aber innerhalb des gleichen Kanals ist das derzeit nicht unsere Vorgehensweise.

In jüngster Zeit wird kontrovers über die Effizienz digitaler Werbung diskutiert. Ist das vielleicht eine falsche Diskussion? Geht es eigentlich nicht eher um die Strategie, also wie digitale Werbung eingesetzt und im Mediamix abgestimmt wird, als um die Frage, wie effizient sie im Einzelfall ist?

Haas: Die Kritik an digitaler Werbung höre ich auch. Und es ist interessant zu sehen, wie viel Gewinn Google am Ende des Quartals gemacht hat, denn da ist auch etwas von unserem Geld dabei. Aber das ist mit Flyern nicht anders. Da sind wir wieder bei dem uralten Spruch von Henry Ford, der sagte, er wisse die Hälfte seines Marketinggeldes sei verschwendet, er wisse aber nicht welche  Hälfte.. Wer geglaubt hat, das sei Dank digitalem Marketing vorbei, und er könne nun hundert Prozent seines Budgets richtig einsetzen, erwacht aus einem Traum. Willkommen in der Realität!

Kirsch:  Aber im Affiliate-Bereich weiß ich ganz genau, was ich zahle, weil ich nur zahle, wenn ich etwas bekomme. Im Performance-Marketing weiß ich ganz genau, dass ich nur zahle, wenn der Kunde auch klickt und auf die Anzeige reagiert. Das kann man schon sehr gut messen und da wissen wir genau, wie viel Geld wir in den Kanal investieren müssen und wie viel Umsatz dafür rauskommt. Aber viele andere Bereiche kann man so nicht messen.

Aber wenn der Kunde auf die Anzeige klickt, hat er noch nicht gekauft.

Kirsch: Da stellt sich die Frage, wie die Verträge mit den jeweiligen Werbepartnern aussehen. Wann zahlt man? Wenn der Kunde kommt? – Oder wenn er kauft.

Haas: Aber man muss die Kirche im Dorf lassen. Bei der Fernsehwerbung heißt es ja auch nicht: Ich zahle nur, wenn der Kunde nicht nur geschaut, sondern auch gekauft hat. Tatsache ist: Wir haben neue Möglichkeiten und werden dadurch viel kritischer. Aber dass wir keine hundert Prozent Trefferquote erreichen, wundert mich nicht. Wir müssen manches beachten. Zum Beispiel, dass sich nicht Media Markt, Saturn und Redcoon gegenseitig in die Höhe bieten, um das gleiche Adword zu kaufen. Da hoffen wir, dass Herr Koch eine Gesamtstrategie einbringt. Wir müssen nicht wie die Blinden hintereinander her laufen. Da haben sich die Regeln des Spiels verändert und das ist gut.

Sie haben gesagt, der Flyer funktioniert. Aber mit den Flyern machen Sie eine reine Preis-Kommunikation. Und Preis-Kommunikation in einem Print-Medium ist doch nicht zeitgemäß.

Haas: Vor zwei Jahren haben wir eine Studie mit Google in Österreich gemacht. Da war die Frage: Wenn man nur ein Medium wählen müsste und sein ganzes Marketinggeld in dieses Medium investieren würde – welches Medium hätte dann den höchsten Return on Sales? Es ging um den Bereich Unterhaltungselektronik. Und das Ergebnis hat uns  verwundert,  denn es war eindeutig der Flyer aus Papier. Ein Flyer mit Produkten und Preisen ist nach wie vor der beste Weg, Umsatz zu generieren. Das ist aber nur ein Teil der Gesamtkommunikation. Wenn es zum Beispiel um Markenaufbau geht, dann braucht man dafür andere Instrumente. Hier sind wir an einem interessanten Punkt. Wer sich einen Flyer anschaut, nimmt die Service-Angebote nicht wahr. Das Instrument Flyer hat nur ein sehr eingeschränktes Ziel. Aber das funktioniert. Wenn wir jetzt an unserem Markenbild bauen und neue Botschaften haben werden, müssen wir lernen, diese Botschaften im jeweils richtigen Kanal zu kommunizieren. Im Tech-Lab von Saturn auf Youtube zum Beispiel sieht man keinen einzigen Preis. Da sprechen wir nur Produkt-Erklärungen und Lösungen von Technik-Problemen. Der Flyer hat eine durchschnittliche Lese-Dauer von 35 Sekunden. Das wird durchgeblättert und nicht gelesen wie ein Magazin. Für Hintergrund, für Inspiration, buchen wir Zeitschriften. Oder wir binden den Kunden über unsere eigenen Kanäle und Medien an unsere Marken, wie beispielsweise über das Magazin „TurnOn“ von Saturn. Da steigt die Lesedauer auf eine halbe Stunde. Dafür brauche ich aber anderen Content.

Nochmal zum Flyer: Ich als Kunde schaue mir das Produkt und den Preis an und gehe dann zu Amazon und vergleiche den Preis. Das ist doch Werbung, die verpufft.

Haas: Wir sorgen dafür, dass die Preise stimmen. Damit tun wir auch etwas für die Marke. Wenn der Kunde die Preise im Flyer mit denen im Netz vergleicht und sieht, dass das wirklich ein gutes Angebot ist, baut das den Markenwert auf. Das Versprechen von Media-Markt und Saturn stimmt.

Werden die Daten von Media-Markt-Kunden auch von Saturn genutzt und anders herum?

Haas: Darüber haben wir lange diskutiert. Natürlich gibt es zunächst einmal gesetzliche Regelungen, an die wir uns halten werden. Aber davon abgesehen: Nein, wir haben uns entschieden, das nicht zu tun. Unsere höchste definierte Ebene ist jeweils die Marke. Wir wollen nicht, dass zum Beispiel Redcoon die Kundendaten von Saturn auswerten kann, um spezifische Angebote daraus zu entwickeln. Wir wollen das auch nicht mit Media Markt und Saturn. Wir halten die Daten der Kundenstämme getrennt.


Autor: Rolf Schröter

Rolf Schröter ist Chefredakteur der W&V und interessiert sich nicht nur deshalb prinzipiell für alles Mögliche. Ganz besonders für alles, was mit Design und Auto zu tun hat. Auch, wenn er selbst gar kein Auto besitzt.