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Markenschau Manufactum: Zurück in die Zukunft
Es gibt sie noch, die teuren Dinge - auch wenn die Produktqualität schon mal zu wünschen übrig lässt. Markenschau-Blogger Christian Gehl über die Strategie der Retromarke Manufactum und ihren Umgang mit nutzlosen Luxus-Fahrradschlössern und berstenden Glasbehältern.
So nostalgisch sind sie gar nicht, die Macher von Manufactum. Zwar haben in sie ihren jüngsten Warenkatalog, der wieder Tausende von "arbeitsaufwendig gefertigten" Produkten für Wohnung und Garten vorstellt, auch eine original badische Kuckucksuhr aufgenommen, hergestellt von einem "feintechnischen Traditionsbetrieb in Triberg". Und der 395 Euro teure Schreibtischsekretär aus Nussbaumholz würde durchaus auch englischen Aristokraten des 19. Jahrhunderts gut zu Gesicht stehen. Doch wenn es darum geht, ihre handgemachten Artikel "aus klassischen Materialien" zu verkaufen, verlassen sich Manfred Ritter und Christopher Heinemann beileibe nicht nur auf die guten, alten Vertriebswege.
Recht traditionell hat 1988 zwar alles angefangen, mit einem Versandkatalog, den der Gründer und Grünen-Politiker Thomas Hoof mit feuilletonistisch angehauchten Produktbeschreibungen derart geschickt aufpeppte, dass er wie die auf Zigarettenpapier gedruckten Zweitausendeins-Kataloge schnell zum Gesprächsthema in linksliberalen Akademikerkreisen wurde.
Elf Jahre später lieferte dann der erste Laden, eingerichtet am Stammsitz im Ruhrgebietsstädtchen Waltrop, die Blaupause für die spätere Eroberung der Großstädte. Ein wenig sehen sie ja aus wie Kolonialwarenläden, die Manufactum-Läden in Hamburg, Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Köln – alles ehrliches Handwerk hier, denkt der Kunde beinahe zwangsläufig, wenn er sich inmitten all der adrett geordneten und sauber übereinander gestapelten "guten Dinge" befindet, die das Firmenmotto verspricht. Von der Abdeckrosette bis zum Zwirnknopf findet sich bei Manufactum wirklich alles, was selbst die schärfsten Konsumkritiker (wenn auch nur die besser verdienenden darunter) mit gutem Gewissen einkaufen lässt.
Zudem setzte Manufactum schon recht früh schon auf einen eigenen Online-Shop, damals noch unter der Führung von Thomas Hoof. Am meisten geholfen hat der Marke aber wohl, dass Retro in den Nullerjahren zum allesbeherrschenden Trendthema wurde. Statt altmodisch zu wirken, war Manufactum plötzlich hip.
Ritter und Heinemann, die seit der Übernahme durch Otto vor fünf Jahren die Geschäfte des Einzelhändlers führen, wissen das sehr gut. Als Konzept von vorgestern zu wirken, wäre der Tod der Firma. Daher gibt es seit einigen Monaten eine exzellente App für das iPad: übersichtlich, gut strukturiert und flüssig zu bedienen. Wie überhaupt das Thema Kundendienst sehr hoch aufgehängt zu sein scheint bei Manufactum. Als die Stiftung Warentest vor drei Wochen ein teures Fahrradschloss als 2überteuerten Sperrmüll" entlarvte – Bolzenschneider und Säge knackten das US-Produkt mühelos – begann Manufactum umgehend damit, allen Käufern des TiGr Lock das Geld zurückzuerstatten.
"Als wir uns davon überzeugt hatten, dass die Kritik berechtigt war", erklärt Ritter, "war eine schnelle und umfassende Reaktion für uns eine Selbstverständlichkeit. Zum Glück war die Zahl der verkauften Schlösser überschaubar und offenbar noch keinem Kunden ein mit diesem Schloss gesichertes Fahrrad gestohlen worden."
Dass die hauseigene Qualitätssicherung hier keine gute Figur gemacht hat, gibt Ritter offen zu: "Natürlich hätten wir in diesem Fall durch einen einfachen eigenen Versuch die Aussagen des Herstellers, die durch Unterlagen und ein entsprechendes Produktvideo untermauert waren, selbst überprüfen müssen. Üblicherweise geschieht dies auch vor Aufnahme eines solchen Produkts in unser Sortiment, hier war es aber unterblieben und nicht aufgefallen."
Besser lief es bei zwei Produkten, die derzeit auf der Website zurückgerufen werden. Eine Prüfung habe ergeben, dass kohlensäurehaltige Flüssigkeiten die beiden Glasbehälter zum Bersten bringen könnten: "Sie sollten die Flasche und/oder die Karaffe deshalb keinesfalls weiter benutzen", heißt es auf der Homepage. Der Kaufpreis werde erstattet.
Fehler zuzugeben, Einsicht zeigen – dies dürfte genau jene Firmenpolitik sein, die viele Kunden in der heutigen Warenwelt vermissen. Weshalb sie dann auch gerne wiederkommen. Dass die Nische dennoch wohl nicht allzu groß ist, in der Manufactum geschätzt 80 Millionen Euro jährlich umsetzt, zeigt die vorsichtige Expansion, an der auch Otto nichts geändert hat. Acht Warenhäuser, sechs Feinkostläden (Brot&Butter) und drei Einrichtungshäuser (Magazin) gehören heute zur Firmengruppe, hinzu kommen Online-Shops für Österreich, die Schweiz und Großbritannien. Andererseits: Wachstum um jeden Preis, das wäre nun wirklich nicht die Sache von Manufactum.