TV-Nachschub :
LA Screenings: Wie Netflix und Konsorten den Programmmarkt beflügeln
Disneys neue ABC-Serien "Twisted", "Scandal" oder "Betrayal" überzeugen auf den LA Screenings - immer mehr auch Netzplattformen wie Netflix.
Die 1500 Verschworenen sind in Los Angeles eingetroffen. Die Verschworenen, das sind die internationalen TV-Senderchefs mitsamt ihrer Entourage aus Programmeinkäufern, die alljährlich für eine Woche im Mai nach LA zu den so genannten Screenings reisen. Sinn und Zweck der LA Screenings: Die Delegationen kommen, um die neueste Programmware der US-Majors zu begutachten. Ein guter Teil der Verschworenen reist aus Deutschland an, alle wichtigen Sendervertreter sind da. Verschworen ist diese Gemeinschaft, weil die LA Screenings wie keine andere TV-Messe weltweit vor allem im Geheimen stattfindet: Die Programme werden nur in kleinen Kinosälen auf den Studiogeländen von Disney, Warner und Co. gezeigt - und zwar meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Außer den Fernsehbossen und ihrer Programmeinkäufer hat nur ausgewähltes Publikum Zutritt. Journalisten nur in absoluten Ausnahmefällen.
Die Deals machen in LA nicht die Deutschen. Nicht, weil sie nicht wollen oder können, sondern weil die Verträge in der Mehrzahl schon unterschrieben sind. Die heimischen TV-Sender sind durch mehrjährige so genannte Output-Deals an einzelne Studios und deren Serien und Filme gebunden: ProSiebenSat.1 etwa an Warner Bros., CBS Studios und Fox. Die Mediengruppe RTL Deutschland an Disney und Sony Pictures Television. Die deutschen TV-Manager werfen in LA vor allem einen Blick darauf, was sie erwartet. Passen die Programme tatsächlich zum Sender? Output-Deals bedeuten immer ein bisschen: die Katze im Sack kaufen.
Ihre Tage verbringen die Fernseh-Mächtigen in den auf gefühlte zehn Grad herunter gekühlten Kinosälen der Studios. Die kalifornische Sonne draußen können sie nur selten genießen. Meist sind es nur die Mittagspausen, in denen man Senderchefs in den angesagten Lokalitäten wie dem Nobel-Italiener Il Fornaio in Beverly Hills beim Fachsimpeln beobachten kann. Wenn es wieder ins Kino geht, heißt es: länger durchhalten als noch in den Jahren zuvor. Das Programmangebot der US-Majors hat sich wieder deutlich erhöht, berichten Teilnehmer. Grund für die Vielzahl an neuen Formaten und weiteren Staffeln etablierter Serien seien auch die neu hinzugekommenen Plattformen im Internet wie Netflix.
Abends wird zu großen Events und Partys auf den Studiogeländen geladen - die allerdings genau durchgetaktet sind. Spaß bitte nicht bis weit nach Mitternacht. Schließlich will man am nächsten Morgen wieder ausgeschlafene Programmeinkäufer in den Kinos haben. Den Anfang der Abend-Events macht traditionell Disney mit seiner International Upfront-Party am Sonntagabend. In einer großen schmucklosen Halle auf dem Studiogelände in Burbank liefert der Konzern die große Show, in der Disney-Obere wie Alan Horn, Anne Sweeney oder Michael Piley vor zwei überdimensionalen Leinwänden die neuen Disney-Serien vorstellen. Unzählige Male fallen die Worte "fantastic", "amazing" oder "excellent". Jeder ist "so proud" für Disney arbeiten zu dürfen. Von diesen bekannten Amerikanismen abgesehen wird am Sonntagabend einmal mehr klar, wie breit dieser Konzern aufgestellt ist und wie viel Programmware geboten wird. Die neuen ABC-Serien wie "Twisted", "Scandal" oder "Betrayal" etwa sind erstklassig gemacht.
Nach der einstündigen Bilderflut lädt Disney noch für ein Stündchen ans Buffett und an die Bar. Bei Sushi und Longdrinks bleibt noch Zeit für einen lockeren Plausch über das Gesehene. Ab 23 Uhr ist spätestens Schluss, dann heißt es: Heimfahrt in die Nobelherbergen wie das "Montage", in dem die RTL-Manager nächtigen. Unklar ist, ob sie gut schlafen. Denn auf die Top-Serien von Disney hätte man zwar Zugriff, nur wollen sie von der Programmfarbe her so gar nicht zu RTL oder Vox passen. Auf welchen Deal hat man sich da bloß eingelassen?