Kundenbindung nicht vergessen:
Kunden und Händler im Sog des Black Friday
Der Handel rechnet mit einem Rekordumsatz am Black-Friday-Wochenende. Aber nicht nur Rabatte machen Kunden glücklich, sondern auch die Qualität der Angebote und ein gutes Gespür für ihre Customer Journey.
Wer in diesen rabattigen Tagen nach Bluetooth-Kopfhörern sucht und selbiges bei Google eintippt, dem fällt eine prominent bezahlte Platzierung von Teufel ins Auge. Das Berliner Hifi-Unternehmen wirft sich kurzerhand selbst ins Getümmel rund um den Black Friday und bietet vier Tage lang Rabatte auf ein ausgewähltes Sortiment. Direkt vom Hersteller, ohne Umwege.
Und das Postfach ist gefüllt mit Newslettern, in denen die Worte "Black", "Friday", Cyber" oder "Week" prominent platziert sind.
2,4 Mrd. Euro Umsatz erwartet
Es ist offensichtlich: Am Konsumzirkus Cyber Monday und Black Friday kommt keiner mehr vorbei, der im Vorweihnachtsgeschäft mitmischen will. Der Deutsche Handelsverband rechnet mit einem Umsatz von 2,4 Mrd. Euro am Black Friday Sale Wochenende, dem "größten Ausverkauf des Jahres". Das würde eine Umsatzsteigerung von rund 40 Prozent zum Vorjahr bedeuten.
"Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Rekordergebnis", erklärt auch Konrad Kreid, Geschäftsführer der Black Friday GmbH. Die Plattform www.blackfridaysale.de bündelt die Angebote vieler Marken, Händler und sogar Banken und schaltet am 22. November um 19 Uhr tausende Deals frei. Zu den Angeboten zählen z.B. 70 Prozent Rabatt auf Nike-Schuhe oder 55 Prozent auf Samsung LED-Fernseher 4K.
"Die Zugriffszahlen auf unserem Portal sind um rund 55 Prozent höher als im Vergleich zum Vorjahr." Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei groß. "Signifikante Preisreduktionen sind der Grund weshalb der Shoppingtag dazu verwendet wird, die Weihnachtseinkäufe zu erledigen", sagt Kreid. "Insbesondere bei den unter 30-jährigen ist der Black Friday Sale bereits fix im Kalender eingetragen. Das Berliner Marktforschungsinstitut Ipsos hat erhoben, dass fast die Hälfte dieser Gruppe am Black Friday Sale shoppen wird."
Mehr Männer auf Schnäppchenjagd
Auch Mydealz.de beobachtet ein steigendes Interesse der Verbraucher am Black Friday und Cyber Monday (siehe Infografik unten). Die in diesen Tagen hoch frequentierte Plattform befragte im Vorfeld 5000 Verbraucher zu ihren Erfahrungen und Plänen: "Erklärten 2017 noch 62,3 Prozent der Deutschen in einer repräsentativen Statista-Studie, am Cyber Weekend etwas kaufen zu wollen, gehen dieses Jahr bereits 66,3 Prozent der von Mydealz.de Befragten auf Schnäppchenjagd."
Vor allem Männer sind in Einkaufslaune: "67,5 Prozent der Männer, aber nur 64,9 Prozent der Frauen möchten dieses Jahr am Cyber Weekend etwas einkaufen. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil der schnäppchenbegeisterten Männer damit um 3,7 Prozent, der Anteil der Frauen sogar um 4,1 Prozent gestiegen."
Vor allem Online-Shops profitieren von der wachsenden Popularität, so das Fazit von Mydealz.de: "Zwar planen 26,0 Prozent der Frauen und 22,4 Prozent der Männer am Cyber Weekend sowohl im klassischen als auch im Online-Handel auf Schnäppchenjagd zu gehen. Ausschließlich im klassischen Handel möchten aber nur 1,3 Prozent der Frauen und jeder Hundertste Mann (1,0 Prozent) einkaufen. Online-Shops stehen dahingegen deutlich stärker in der Gunst der Verbraucher. Nur online wollen am Cyber Weekend drei von vier Verbrauchern (74,7 Prozent) einkaufen – 72,8 Prozent der Frauen und 76,6 Prozent der Männer."
Rabatte schalten den Verstand aus
Die Rabattmasche zieht einfach, die Verbraucher freuen sich auf den Kaufrausch und sind empfänglich für entsprechende Botschaften, wie die Bilanzen der Vorjahre beweisen (zu sehen etwa im Black Friday Dashboard von Criteo). Auch wenn fraglich ist, ob die vermeintlichen Schnäppchen wirklich Schnäppchen sind. Eine Auswertung des ZDF-Magazins "WISO" ergab nämlich, dass mehr als zwei Drittel der beobachteten Preise unverändert bleiben. Echte Schnäppchen sind demnach rar gesät.
Wobei laut der Mydealz-Umfrage nicht mal ein hoher Rabatt den größten Einfluss auf die Kaufentscheidung hat. Der "Preis" lag bei den Frauen (66,4 Prozent) und Männern (65,8 Prozent) auf Rang zwei der meistgenannten Kauffaktoren. Am häufigsten wurde die "Produktqualität" als wesentlicher Grund genannt. 67 Prozent der Männer und sogar 73,3 Prozent der Frauen machen ihre Kaufentscheidung auch am Black Friday vor allem von der Qualität des Produkts abhängig.
Trotzdem entsteht ein Konsumrausch, dem man sich kaum entziehen kann. Und man ertappt sich dabei, im Internet plötzlich Dinge mit Interesse zu studieren, die man a) nicht braucht, b) auch in Zukunft nicht brauchen wird und c) in der Vergangenheit nicht vermisste. Und trotzdem irgendwie spannend findet, weil daneben steht: "Sie sparen 40 Prozent". Dabei spart man 100 Prozent, wenn man gar nicht kauft.
Dieses Phänomen freut Verkäufer und beschäftigt Hirnforscher. Wissenschaftlich untermauert haben sie schon vor Jahren bewiesen, dass Sonderangebote den Verstand ausschalten.
Das Online-Shopping-Netzwerk Bazaarvoice fasst es so zusammen: "Der Erwerb eines Produktes, oder auch nur der Gedanke daran, aktiviert das Belohnungszentrum. Beim Anblick des Preises wird allerdings das Schmerzzentrum, die sogenannte Insula, aktiv. Rabatte machen nun nichts anderes, als diesen Schmerz abzumildern. Oder anders gesagt, das Geld, das wir sparen hat ebenfalls einen belohnenden Effekt. Je größer der Preisnachlass, desto größer ist also auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt gekauft wird."
Dazu kommt: An den Aktionstagen fühlen sich die Verbraucher auch noch unter Druck gesetzt und so steigt die Gefahr für Fehlkäufe. Ein Teufelskreis: Man will sich selber belohnen, fügt sich damit Schmerzen zu, die durch Rabatte gemildert werden, was aber auch nicht viel hilft, wenn sich das Produkt als Fehlkauf herausstellt und die Belohnung ausbleibt. (Lesetipp auf Lead-Digital: Tipps, wie man Fehlkäufe verhindert)
Fehlkäufe bringen dem Kunden nichts und langfristig auch nicht dem Händler.
Auch am Black Friday auf Kundenzufriedenheit achten
Der Rat von Bazaarvoice an Kunden und Händler: "Konsumenten können an Rabatttagen wie Black Friday oder Cyber Monday durchaus gute Deals machen, wenn sie sich nicht unter Druck stellen lassen und genügend Zeit für Preis- und Produktvergleiche einplanen." Händler dagegen sollten beachten, dass viele Menschen die Aktionstage dafür nutzen, um ihre Weihnachtsgeschenke zu kaufen.
"Deshalb sollten diese auch bei Rabattaktionen auf eine langfristige Kundenbindung achten und nicht nur möglichst viel Ware an den Mann zu bringen. Eine Strategie der Händler mit der Einstellung, dass es ihnen egal ist, dass Kunden falsch kaufen, solange sie kaufen ist zu kurzfristig gedacht."
Aufhorchen lassen in dem Zusammenhang auch die Daten des Portals MyDealz: "30 Prozent der Verbraucher haben in den Vorjahren am Black Friday und Cyber Weekend bereits schlechte Erfahrungen gesammelt." Keine passenden Angebote, falsche Rabattangaben, lange Lieferzeiten und Bestellungen, die der Händler im Nachhinein wieder stormiert - die Mängelliste ist lang.
Auch während der Rabattschlachten dürfen Händler also die Customer Centricity nicht aus den Augen verlieren. Ihnen sollte daran gelegen sein, "dass ihre Kunden die Produkte kaufen, die zu ihnen passen", so Bazaarvoice. Gerade im mittleren Preissegment drohe insbesondere vor der Weihnachtszeit nämlich die Gefahr, Kunden an Discounter oder Luxusmarken zu verlieren, so eine aktuelle Bazaarvoice-Studie. "Händler aus dem mittleren Preissegment können Konsumenten aber durch Qualität, ein positives In-Store-Erlebnis und Produktbeschreibungen überzeugen und sollten ihre Strategie insbesondere vor der Weihnachtszeit überdenken."
Auch Tim Schwarz, Partner Manager bei der Berliner Digitalagentur Neofonie rät zu Sorgfalt im Umgang mit Kunden, um neben Dickschiffen wie Amazon, Alibaba, Media Markt und Saturn bestehen zu können. Online-Händler sollten mehr auf "Individual-Commerce" setzen, so sein Rat, also individuelle Produkte anbieten und auf emotionales Storytelling setzen.
"Am Black Friday-Wochenende werden Milliardenumsätze erzielt. Rabatte können helfen Kunden zu gewinnen, aber helfen kaum um diese dauerhaft zu binden", so Schwarz. "Storytelling, intelligente Empfehlungssysteme und Produktkonfiguratoren bieten Onlinehändlern Möglichkeiten, sich im Wettbewerb zu differenzieren. Im Fokus stehen dabei immer die individuellen Bedürfnisse des Nutzers - ganz im Sinne des Individual-Commerce".
Erfolgsfaktoren am Black Friday
"Unternehmen, die am Black Friday besonders erfolgreich sind, kennen die Customer Journey ihrer Benutzer in und auswendig", ist ein Fazit von Thomas Weyand, Vice President DACH von ContentSquare. Die Plattform hat erfolgreiche Strategien der Vorjahre analysiert und rät Händler zur intensiven Vorbereitung. Sie sollten die eigene E-Commerce-Plattform auch aus Sicht des Kunden genau kennen. Der Rat: "Analysieren Sie proaktiv und systematisch: Was zündet beim Kunden? Und was hindert ihn am Kauf?". Die Unternehmen sollten immer in Tuchfühlung mit den Kunden bleiben.
Ein weiteres Fazit: "Legen Sie den Fokus auf die Kundenzufriedenheit – gerade am Black Friday!". Denn: "Fehler haben in der Hochsaison besonders gravierende Auswirkungen." Die hohe Besucherfrequenz führe am Black Friday in vielen Online-Shops zu längeren Seitenladezeiten. Was fatale Folgen hat, denn 40 Prozent der Nutzer verlassen eine Webseite, wenn sie länger als drei Sekunden zum Laden braucht. Und 79 Prozent der potenziellen Käufer werden nicht zurückkehren, wenn sie einmal zu lange warten mussten, so eine Erkenntnis von ContentSquare. "Daher sollten Händler schon im Vorfeld sämtliche Schwachstellen ihrer E-Commerce-Plattform kennen und weitmöglich beheben: Gibt es unnötige Schritte im Kaufprozess? Warum schließen Kunden, die ihren Warenkorb bereits gefüllt haben, den Kauf nicht ab?"
Auch sollte es Strategien geben, um unentschlossene oder enttäuschte Kunden zurückzugewinnen – etwa eine Mailingaktion, die an "vergessene" Posten im Warenkorb erinnert oder ein besonderes Angebot an Besucher, deren Wunschprodukt ausverkauft war.
Einen Anreiz für Händler, sich in das Getümmel zu werfen, bietet eine Big Data Analyse von Impact & Emotions. Insgesamt 5,7 Millionen Seitenaufrufe in drei Märkten (Frankreich, Deutschland Vereinigtes Königreich) wurden über den Zeitraum von 3 Monaten (Oktober, November, Dezember) analysiert. Demnach springen die Kaufabschlüsse am Black Friday verglichen mit den normalerweise getätigten Onlinekäufen massiv an. Viel besucht: Die Seiten von Mode-Labels.
Aber auch spezielle Rabattseiten haben in diesen Zeiten viele Fans: "Auffällig ist, dass das Suchverhalten zum Thema Black Friday sich in Deutschland weniger direkt auf die Händlerseiten bezieht, sondern die Rabattseite MyDealz höher rangiert als Amazon." Ebenfalls ganz vorne: Otto, Samsung und Zalando. Laut Mydealz stehen auch in diesem Jahr Elektronikartikel, Mode und Sportartikel hoch im Kurs.
Die Anti-Black-Friday-Fraktion
Und dann gibt es noch die Unternehmer, Händler und Dienstleister, die bei dem Black-Friday-Rabatt-Wahn nicht mitmachen wollen, das Umfeld aber trotzdem geschickt für ihre Zwecke nutzen. So packt die Drogeriemarktkette dm eigens für den selbsternannten "Giving Friday" Influencer-Boxen und spendet 5 Prozent der Tageseinnahmen für gute Zwecke. Das Berliner Start-up Grover nutzt die Gunst der Stunde, um Kaufgestresste auf seine Mietangebote für Technikprodukte hinzuweisen. "Black Friday-Panik ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Michael Cassau und ruft stattdessen den "Black Try-Day" ins Leben. Damit brauche man "sich nicht mehr auf die nervenzehrende Suche nach den besten Deals zu machen oder eventuelle Fehlkäufe fürchten". Ganz ums Dealen kommt aber auch Grover nicht herum und bietet eine Black-Friday-Aktion: Die "Black-Try-Day"-Angebotswoche läuft noch bis zum 26. November. Natürlich mit Rabatten.
Schlüssig auch der Ansatz des Versicherungs-Tech-Startups Coya, das eine "Black-Friyeah"-Kampagne startet. "Gerade am Black Friday und Cyber Monday sichern sich Menschen hochwertige Gegenstände wie Fernseher, Schmuck oder Möbel. Unsere Botschaft: Wer sich etwas Hochwertiges kauft, sollte auch über die entsprechende (Hausrat)Versicherung nachdenken." Für Neukunden gibt es, natürlich, Gutscheine.