Interview mit Katharina Pelka:
Kreativquartier Heidelberg: "Investoren standen Schlange"
Eine alte Feuerwache wandelte die Stadt Heidelberg ab 2013 in ein Kreativquartier um. Katharina Pelka von der zuständigen Stabstelle spricht im Interview über Hintergründe und Entwicklung des Viertels.
Kreativquartiere erobern Industriebrachen: verwaiste Bahnhöfe, verlassene Fabrikhallen. Oder eine alte Feuerwache wie in Heidelberg. Nur ein Beispiel von vielen: In München, Hamburg, Leipzig entstehen etliche solcher Viertel, in denen Kreativer aller Disziplinen zusammenarbeiten und sich gegenseitig inspirieren sollen. Der Agenturszene kommt dabei eine Schlüsselrolle zu – als Mittler zwischen brotloser Kunst und kaufmännischer Denke. Unser Autor Martin Bell hat zur aktuellen W&V-Titelgeschichte Katharina Pelka interviewt, die über ihr Kreativquartier in Heidelberg spricht. Sie arbeitet in der zuständigen Stabstelle.
Frau Pelka, vor vier Jahren machte Heidelberg aus einer ausgedienten Feuerwache ein Kreativquartier. Eine Verlegenheitslösung?
Überhaupt nicht. Investoren standen Schlange. Das Gelände liegt im Stadtteil Bergheim nahe der Altstadt, fünf Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Eine ausgezeichnete Lage. Im Bieterwettbewerb hätte die Stadt einen guten Preis erzielen können. Stattdessen aber entschied sie sich, der örtlichen Kreativwirtschaft ein Zuhause zu geben.
Als Hotspot der Kreativszene gilt Heidelberg nicht eben.
Immerhin gehört jedes zehnte Unternehmen zur Kreativwirtschaft. Die Unternehmen verteilen sich über das ganze Stadtgebiet. Mit dem Kreativwirtschaftszentrum gibt es nun einen Kristallisationspunkt der lokalen Kultur- und Kreativwirtschaft. Heute sind mehr als hundert Betriebe und Selbständige in der Alten Feuerwache ansässig, Startups, Designer, Künstler, Programmierer.
Eine bunte Szene. Dass die sich heimisch fühlt, ist kein Selbstzweck. Stadtplaner heben die Bedeutung von Technologie, Talent und Toleranz für die urbane Prosperität hervor. Wollen sich Städte für morgen wappnen, sind sie auf diese drei Ts angewiesen – und damit auf eine lebendige Kultur, in der sich Angehörige zukunftsträchtiger Wirtschaftszweige wohlfühlen. Die alte Feuerwache, inzwischen besser bekannt unter dem Namen Dezernat 16, macht hier den Anfang.
Widerstände gab es nicht?
Es gab Bedenken in Öffentlichkeit und Politik: Welche Kreativen kommen da jetzt mit spinnerten Geschäftsmodellen? Doch das Gros sind bodenständige Unternehmer. Die Betreiber des Zentrums achten auf einen guten Branchenmix unter den Mietern. Das Dezernat 16 ist weder Künstlerkolonie noch Agenturghetto. Die ansässigen Kreativ- und Kulturschaffenden bilden vielfältige Bereiche ab und befruchten sich im Idealfall gegenseitig. Die Bereitschaft, mit anderen zusammenzuarbeiten, ist ein wichtiges Auswahlkriterium, wenn es darum geht, freiwerdende Räume wieder zu vermieten.
Bewerben darf sich jeder?
Jeder, der in der Kultur- und Kreativwirtschaft erwerbswirtschaftlich tätig ist. Die Warteliste ist allerdings lang. Die Mieten sind mit fünf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter sehr günstig für Heidelberger Verhältnisse. Wie die Mieter ihre Räume gestalten, bleibt ihnen überlassen. Die einen schätzen den Industrial Chic mit abgewetzten Steinböden und Ölflecken, die anderen polieren ihre Räume auf Hochglanz. Die Stabstelle Kreativ- und Kulturwirtschaft verfügt zudem über ein kleines Budget zur Förderung von Unternehmen. 20000 Euro stehen im Jahr bereit, um etwa die Erstvermarktung neuer Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen oder neue Zielgruppen anzusprechen.
Das Kreativquartier hat sich bewährt?
Keine Frage. Seit 2014 findet jedes Jahr ein Tag der offenen Tür statt, der auch Skeptikern Gelegenheit gibt, das Kreativwirtschaftszentrum kennenzulernen. Im leerstehenden Gebäude gegenüber hat kürzlich eine Galerie eröffnet, die Umgebung wird lebendiger. Zurzeit planen wir ein zweites Kreativwirtschaftszentrum in einer ehemaligen Nato-Kaserne südlich der Innenstadt. Die liegt etwas weiter weg als die Feuerwache, ist aber mit Rad und Bahn in wenigen Minuten zu erreichen. Ende des Jahres ziehen hier womöglich die ersten Firmen ein.
Katharina Pelka (35) ist seit 2013 Ansprechpartnerin in der Stadt Heidelberg für das Thema Kultur- und Kreativwirtschaft. Das Team der Stabsstelle Kreativ- und Kulturwirtschaft dient als Schnittstelle zwischen Stadt und Kreativwirtschaft.