Interview:
Kommentar-Unwesen: "Im Social Web ist der Ton milder und die Qualität höher"
Wissen die Kommentatoren bei Online-Medien sich immer weniger zu benehmen? Oliver Stock, Chef von Handelsblatt Online, im Gespräch mit W&V-Online über anonyme Pöbler, den richtigen Umgang damit und was Shitstorms eigentlich bewirken: Eigentlich nichts.
Wissen die Kommentatoren bei Online-Medien sich in ihren Äußerungen immer weniger zu benehmen? Oliver Stock, Chef von Handelsblatt Online, im Gespräch mit W&V-Online über anonyme Pöbler, den richtigen Umgang damit und was Shitstorms eigentlich bewirken: Eigentlich nichts.
Haben Sie den Eindruck, dass sich derzeit die negativen Kommentare häufen?
Wir stehen für eine offene Kommunikationskultur und freuen uns über jeden Kommentar unserer Leserinnen und Leser. Dies gilt auch für drastische oder negative Kommentare, vorausgesetzt sie haben einen eigenen Blickwinkel und tragen zum Thema bei. Leider lassen Tonfall und Inhalt jedoch oft zu wünschen übrig. Das schmerzt, weil unsere große Errungenschaft im Netz doch das Gespräch ist, in das wir miteinander einsteigen können. Statt sachlich über Themen zu diskutieren, beleidigt man sich gegenseitig. Das finde ich unanständig.
Hat sich Ihrer Meinung nach der Ton verändert? Und wenn ja – wie?
Meine Erfahrung ist: Alle die, die anonym oder unter Pseudonym im Netz schreiben, sagen, sie machen dies, um sich frei und ohne Angst vor Konsequenzen äußern zu können. Tatsächlich sind davon aber viele unterwegs, die nur deswegen namenlos sind, weil sie mit Namen niemals zu ihren Äußerungen stehen würden.
Wie gehen Sie mit Kommentaren um, wenn die Redaktion / Ihre Marke beleidigt wird?
Alle Kommentare, die gegen unsere Community-Richtlinien oder die Netiquette verstoßen, werden gelöscht.
Wie filtern Sie die entsprechenden Kommentare ?
Wir haben eine eigene Redaktion, die nichts anderes macht, als sich mit den Kommentatoren auseinanderzusetzen, ihnen antwortet oder eben im Zweifelsfall Kommentare löscht. Da wird gejammert, geflucht und gelacht. Wenn niemand aus dem Team an Bord ist, schalten wir die Kommentarfunktion ab. Wir machen die Erfahrung, dass die größten Dummheiten aus der Anonymität heraus geschrieben werden, weswegen wir künftig nur angemeldeten Nutzern erlauben werden, Kommentare zu veröffentlichen. Im Social Web ist der Ton milder und die Qualität höher. Das ist ein Lichtblick.
Welche Möglichkeiten gibt es, mit unzufriedenen Lesern wieder ins Gespräch zu kommen? Funktioniert das überhaupt?
Es gibt die aus eigener Berufung unzufriedenen Leser und es gibt die, die Konkretes bemängeln. Die Kunst besteht für uns darin, die einen von den anderen zu unterscheiden, auf die zweiten einzugehen und bei der ersten Gruppe, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Ich hoffe, wir sind weiter Künstler genug, das hinzukriegen.
Keine Angst vor dem Shitstorm – wo liegt die Grenze zwischen dem, was man gelassen durchgehen lassen kann und bei dem man schnell und effektiv eingreifen muss?
Wenn ein so genannter Shitstorm geschäfts- oder rufschädigend für einen einzelnen Menschen oder eine Marke ist - dann geht es zu weit. Viele dieser Stürme sind jedoch eher wie Wellen: Sie bauen sich auf, rollen ab und hinterher liegen allenfalls die Sandkörner anders.