Knall bei der Degeto: Gesellschafter setzen Hans-Wolfgang Jurgan ab
KPMG und WDR haben bei der ARD-Produktionstochter "gravierende Mängel“ gefunden. Und Hans-Wolfgang Jurgan hat auch nicht sauber informiert. Jetzt muss er gehen.
Der umstrittene Degeto-Chef Hans-Wolfgang Jurgan muss nach dem Produktionsskandal gehen. Die Gesellschafterversammlung der ARD-Produktionstochter hat beschlossen, den Geschäftführer mit sofortiger Wirkung abzuberufen und macht dies am Dienstag umgehend per Mitteilung publik. Grund: Die Prüfung der Geschäftsabläufe der Degeto durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und die WDR-Revision habe "gravierende organisatorische Mängel ergeben, die in seiner Verantwortung lagen“. Zudem ist festgestellt worden, dass Jurgan seine Berichts- und Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat verletzt habe. "Für den Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung ist deshalb das notwendige Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben“, heißt es weiter.
Der Fall - ein weiterer in einer Reihe von ARD-Skandalen - dürfte für Jurgan auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Neben der sofortigen Abberufung habe die Gesellschafterversammlung auch arbeitsrechtliche Prüfungen beschlossen, heißt es weiter. Die KPMG soll nach dem jetzigen Zwischenbericht, der Jurgans Entlassung zur Folge hat, ihre Prüfungen fortsetzen. Weiteres Resultat der Prüfungen: Der Degeto-Aufsichtsrat hat RBB-Intendantin Dagmar Reim zur neuen Vorsitzenden gewählt. Der Aufsichtsrat hat unter ihrer Leitung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Strukturen der Degeto überprüfen soll.
Im September hat sich herausgestellt, dass Jurgan die Budgets der mächtigen ARD-Tochter offenbar bis ins Jahr 2013 bereits vergeben hat - und das bevor die neue Degeto-Chefin Bettina Reitz im Frühjahr antrat und Jurgan ihr den Platz für die Produktionsverantwortung freimachen musste. Seither kümmert sich der bis dahin mächtigste TV-Produzent Deutschlands - Jahresbudget gut 260 Millionen Euro - um das Lizenzgeschäft der ARD-Tochter. Am 20. September drückte die Geschäftsführung der Degeto in einer offiziellen Stellungnahme ihr Bedauern darüber aus, dass "die Produzenten in naher Zukunft mit einem Produktionsrückgang rechnen müssen". Neue Stoffe könnten möglicherweise erst von 2014 an wieder entwickelt werden. Wie viele Aufträge bereits für 2013 vergeben sind - das sollte die Prüfung ergeben. Offenbar muss die ARD ihrer Tochter noch in diesem Jahr mit 24 Millionen Euro unter die Arme greifen, damit kurzfristige Verbindlichkeiten bedient werden können.
Die Fragen, mit denen sich die Prüfer unter der Leitung von HR-Intendant Helmut Reitze beschäftigen mussten, drehten sich auch um den Umstand, dass zahlreiche Degeto-Produktionen von Jurgan redaktionell im Alleingang verantwortet wurden. Es ging auch um die Frage, ob einige Firmen signifikant öfter beauftragt worden sind als andere. In der Branche heißt es, das könne unter anderem für die Berliner Ziegler Film gelten, die praktisch alle Freitagsfilme mit Christine Neubauer ("Die Landärztin") produziert.
Bitter für die ARD-Tochter: Bettina Reitz steht für einen Neuanfang der Degeto wohl nicht mehr zur Verfügung. Sie soll neue Fernsehdirektorin des BR werden und damit nach München zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren. Am 8. Dezember wird BR-Intendant Ulrich Wilhelm vorschlagen, Reitz als Fernsehdirektorin zu benennen. Schön für die Münchner - schlecht für die ARD-Tochter, die Reitz jetzt nach nur wenigen Monaten verlässt. Eigentlich sollte die Managerin schon bei ihrem Antritt die Produktionsfirma auf Vordermann bringen. Jetzt hätte es die Degeto noch viel dringender nötig.