UK-Zeitungsmarkt:
Keine echte Erholung vom Corona-Auflageneinbruch
Kehren die Leser nach der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen wieder zu den Print-Ausgaben der Tageszeitungen zurück? Die Auflagenzahlen für Juni geben wenig Anlass zur Hoffnung.
"In den nächsten Monaten werden die Menschen viel Zeit online verbringen. Und bislang gibt es wenige Beispiele von Leuten, die zu den Offline-Medien zurückkehren, nachdem sie einmal die Online-Medien bereitwillig angenommen haben." Diese düstere Prognose zur Zukunft von Print stammt von Rasmus Kleis Nielsen, Direktor des renommierten Reuters Institute der Universität Oxford. Er sagte dies im März dieses Jahres, als in Großbritannien aufgrund der Corona-Pandemie die Ausgangsbeschränkungen gerade in Kraft getreten waren und damit die Verkaufszahlen der überregionalen Tageszeitungen massiv einbrachen (W&V Online berichtete).
Nachdem inzwischen ein Großteil der Beschränkungen wieder aufgehoben wurde, scheint sich seine Einschätzung zu bestätigen. Zwar konnten nach Angaben des britischen Medienkontrolleurs ABC fast alle überregionalen Tages-, Sonntags- und Gratiszeitungen im Juni ihre Auflage gegenüber dem Mai steigern – allerdings lediglich in einer Größenordnung von einem bis drei Prozent. Dies bedeutet aber, dass im Vergleich zum Juni des vergangenen Jahres der Rückgang der verkauften Auflage oftmals im zweistelligen Minus-Bereich liegt.
So verkaufte beispielsweise die Daily Mail im Juni knapp eine Million Exemplare. Dies ist gegenüber dem Mai zwar ein Plus von zwei Prozent, gegenüber dem Juni 2019 aber ein Minus von 15 Prozent. Der Daily Mirror verzeichnete im Juni 383.000 verkaufte Exemplare, ein Plus von drei Prozent gegenüber Mai, aber ein Minus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Auch der Daily Express legte im Juni gegenüber dem Mai um zwei Prozent auf 247.000 Exemplare zu, verlor aber im Jahresvergleich 20 Prozent. Noch schlimmer traf es die Kompaktzeitung i. Im Juni stieg die verkaufte Auflage gegenüber dem Vormonat um zwei Prozent auf 140.000 Exemplare, im Vergleich zum Juni 2019 ist das allerdings ein Minus von 38 Prozent.
Gratistitel deutlich unter Vorjahresniveau
Nicht viel besser sieht es bei den Sonntagstiteln aus. Relativ gut schlägt sich dabei noch die Mail on Sunday, die gegenüber Mai um drei Prozent auf 903.000 Exemplare zulegen konnte, womit sich der Rückgang gegenüber dem Vorjahresmonat mit minus acht Prozent noch in Grenzen hält. Der Sunday Mirror hat gegenüber dem Vormonat bei einem Plus von zwei Prozent auf 323.000 Exemplare dagegen im Jahresvergleich jeden fünften Käufer verloren.
Besonders hart betroffen von der Coronakrise waren und sind die Gratiszeitungen. Der Evening Standard steigerte seine verteilte Auflage im Juni gegenüber Mai zwar wieder um acht Prozent auf 489.000 Exemplare. Damit liegt sie jedoch 42 Prozent unter der im Juni 2019. Der Kostenlostitel Metro erhöhte seine Auflage geringfügig um ein Prozent auf inzwischen wieder 313.000 Exemplare. Dies ist allerdings ein happiges Minus von 78 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Komplett eingestellt hat im März der kleinere Titel City AM seine Print-Auflage. Er will erst wieder im September an die Verteilstellen in der Londoner City zurückkehren.
Die ABC-Auflagenübersicht ist inzwischen nicht mehr vollständig. So lässt die Telegraph Media Group mit dem Daily Telegraph und dem Sunday Telegraph seit Anfang des Jahres ihre Auflagen nicht mehr von der ABC prüfen. Und nach dem Umbau des Meldesystems Anfang Juni werden die Auflagenzahlen von News UK mit der Sun und der Times sowie deren Sonntagsausgaben zwar weiterhin von der ABC geprüft, die Daten aber nicht mehr veröffentlicht.