Bundesverfassungsgericht:
Karlsruhe knöpft sich die Politik rund um das ZDF vor
Im ZDF-Fernsehrat sitzen Vertreter aller 16 Landesregierungen und drei Vertreter des Bundes - das Bundesverfassungsgericht könnte das ändern.
Liebes ZDF, wie verhält es sich auf dem Lerchenberg mit dem Einfluss der Politik? Die Gretchenfrage hat am Dienstag erstmals das Bundesverfassungsgericht gestellt. Die Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg haben in Karlsruhe gegen den ZDF-Staatsvertrag geklagt. Sie sind der Meinung, dass Staat und Parteien zu viel Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender haben. Am ersten Verhandlungstag hat nun das Karlsruher Gericht die Besetzung der Aufsichtsgremien kritisch unter die Lupe genommen. Skeptisch scheinen die Richter, was den Einfluss der informellen politischen "Freundeskreise" angeht, in denen sich die meisten Mitglieder der Aufsichtsgremien organisiert haben. Verfassungsrichter Andreas Paulus fragt zudem, ob die Kompetenz der Gremien nicht auch gewahrt werden könne, wenn die Landesregierungen dort nicht mehr vertreten wären. Im ZDF-Fernsehrat sitzen Vertreter aller 16 Landesregierungen und drei Vertreter des Bundes; weitere Mitglieder werden von Parteien entsandt. Dazu kommen Vertreter von Kirchen, Verbänden und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Nach der Rechnung der Antragsteller sind von den 77 Posten im ZDF-Fernsehrat - der unter anderem Programmrichtlinien aufstellt - mehr als 45 Prozent dem Staat zuzurechnen.
ZDF-Intendant Thomas Bellut betont dagegen, es würden jeden Tag "zahllose Entscheidungen" getroffen, an denen kein Gremium mitwirke - vor allem solche, die direkt das Programm betreffen. "Ich kann aus meiner bisherigen Amtszeit sagen, dass die Unabhängigkeit der Programmverantwortung gewahrt ist", so Bellut. Er ist seit März 2012 im Amt. Eine "dauerhafte Dissonanz mit den Gremien" würde allerdings die Wiederwahl des Intendanten unmöglich machen, meint der ZDF-Chef. Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck – zugleich Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats - sagt, die Mehrzahl der Entscheidungen falle im Konsens. Es gebe aber Ausnahmen, in denen eine "konzentrierte politische Einflussnahme" stattfinde. Als Beispiel nennt er die Verlängerung von Direktorenverträgen. Beck hat die Klage gegen den Staatsvertrag ins Rollen gebracht.
Hintergrund: Die Regelungen des Staatsvertrags sind in die Kritik geraten, nachdem 2009 CDU-nahe Verwaltungsräte unter Führung des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) den Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender nicht verlängert hatten - obwohl sich der Intendant für eine Verlängerung ausgesprochen hatte. Nachdem sich die Länder nicht auf eine Reform des Staatsvertrags verständigen konnten, hatten Rheinland-Pfalz und Hamburg in Karlsruhe geklagt. Bayern, Sachsen, Hessen und das Saarland sind der Klage entgegengetreten. Sie halten die derzeitige Regelung für rechtens. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr verkündet.
ps/dpa