Frank Dopheide:
Kai und der Kapuzenpulli: "Was bei uns übertrieben wirkt, ist bei Diekmann passend"
Bart, Kapuzenpulli, schnürlose Turnschuhe: "Bild"-Chef Kai Diekmann inszeniert seinen Imagewandel im aktuellen "Spiegel". Wie authentisch ist das? Und wie sinnvoll? W&V hat Frank Dopheide dazu befragt. Der frühere Grey-Chef und "Handelsblatt"-Kolumnist hat sich mit seinem Projekt "Deutsche Markenarbeit" auf Imageberatung spezialisiert.
Bart, Kapuzenpulli, schnürlose Turnschuhe: "Bild"-Chef Kai Diekmann inszeniert seinen Imagewandel im aktuellen "Spiegel". In der Homestory ist zu lesen, wie Diekmann im Silicon Valley in einer Art Manager-WG haust, am Wochenende zu seiner Familie einen Block weiter pendelt und wie er die großen Vordenker der digitalen Welt trifft. Diekmann als Nerd: Wie authentisch ist das? Und wie sinnvoll? W&V hat Frank Dopheide dazu befragt. Der "Handelsblatt"-Kolumnist, Chairman von Scholz & Friends Düsseldorf und ehemalige Grey-Chef hat sich mit seinem Projekt "Deutsche Markenarbeit" auf Imageberatung spezialisiert.
Herr Dopheide, im neuem "Spiegel" sehen wir Kai Diekmann im Kapuzenpulli und mit gefalteten Händen vor dem MacBook. Eine passende Inszenierung?
Auf jeden Fall ist auf dem Bild alles drauf, was wir sehen sollen. Im Zentrum der Zukunft kniet der Chef der "Bild"-Zeitung vor dem Altar der digitalen Welt und blickt andächtig auf die Ikone neuen Glaubens. Wir sehen einen Mann, der einen massiven persönlichen Wandel durchlebt, inklusive Gesichtsbehaarung, Leisure Wear und unfrisiertem Haar. Er hat sich mit Haut und Haaren seiner Mission verschrieben. Wer es noch nicht wusste, sieht es hier auf den ersten Blick: Das Leben in der Welt von Morgen hat Kai Diekmann geprägt und verändert. Ein starkes und medienwirksames Bild.
Wie inszeniert wirkt auf Sie dieser "Spiegel"-Artikel? Hat Diekmann eher den "Spiegel" instrumentalisiert oder profitiert der "Spiegel" hier von Diekmanns Drang zur Selbstdarstellung?
Der "Spiegel" lässt sich nicht instrumentalisieren. Und Diekmann ist klug genug, dass nicht zu probieren. Der Artikel ist gut gedacht, skeptisch in seiner Betrachtung und wunderbar formuliert. Ein gutes Lesestück. Obwohl Diekmann und Kollegen nicht glänzen und als alte Männer einer neuen Welt bewertet werden, wird der Artikel doch seine Wirkung entfalten. Denn er beweist der meinungsbildenden Öffentlichkeit und der werbetreibenden Industrie, Diekmann meint es ernst und ist wild entschlossen. Er ist zwar in Palo Alto ein Alien, aber wenn er zurück kommt, ist er uns "Medienexperten" eben doch um einige Monate und 8000 Kilometer voraus. Wir reden zwar alle mit, aber waren nicht vor Ort. Das macht einen Unterschied.
Hätten Sie Diekmann zu so einem Artikel geraten?
Kai Diekmann weiß alles besser, er braucht keine Ratschläge. Der Artikel schmeichelt ihm nicht, ist aber auf Sicht wert- und wirkungsvoll. Getreu nach dem Motto: Ihr redet - ich mache es.
Wie authentisch ist dieser Springer-Trip überhaupt? Die Männer-WG der Top-Manager, der freitägliche Umzug zur Familie ein paar Wohnblocks weiter, die Kleidung.... Muss man sich als Medien-Manager heutzutage als Digital-Nerd verkleiden, um als innovativ durchzugehen?
Wenn man es ernst meint, muss man sich auch auf die Community mit Haut und Haaren einlassen. Dort mit Einstecktuch und Krawattennadel auf- und abzulaufen riefe nur Kopfschütteln und Abwehrverhalten hervor. Außerdem sind die Zugänge besser und das Erlebnis höher, wenn man sich als Teil der "Auserwählten" fühlt. Das scheint mir richtig und nachvollziehbar. Für die Glaubwürdigkeit ist es sogar noch wichtiger. Das dokumentiert: 'Ich habe das Alte hinter mir gelassen und verändere mich'. Als Chefredakteur (selbst im Sabbatical) ist das ein starkes Bild, das auch die Medienmarke selbst in der Wahrnehmung verändert.
Im Sommer kommt Diekmann wieder nach Berlin. Wie muss er sich dort geben? Zurück in den Anzug oder zwingt ihn das neue Image jetzt auf Dauer in die Chucks? Wird er tatsächlich der Digital-Innovator oder bleibt er der ewige "Bild"-Chef?
Er bleibt "Bild"-Chef, das ist schließlich sein Job. Wobei "Bild" mehr ist als die Zeitung. Er ist der Mann, der mit seiner Redaktion den Mehrwert schafft, der sich verkaufen lässt. Mit der Redaktion kippt auch das Geschäftsmodell. Was nun folgt ist nur die Verlängerung der Dareichungsform und Entwicklung neuer Erlösstränge. Er wird zurück ins seinen Anzug schlüpfen. Neben der Kanzlerin mit Sneakers und 4-Tage-Bart gibt man kein gutes Bild ab. Schon gar nicht, wenn man Größe und Zukunftsfähigkeit darstellen will.
Welche Rückkoppelung sehen Sie darin für die "Bild"? Schadet oder nutzt der exzentrische Auftritt dem Blatt als Marke?
Die Leser am Büdchen werden kaum was davon mitbekommen - da gibt es keine Gefahr. Aus Markensicht passen Diekmann und "Bild" wunderbar. "Bild" ist ja selbst eine sehr extrovertierte Marke. Die befruchten sich gegenseitig. Dass ein Medienmensch die mediale Darstellung liebt, ist nachvollziehbar. Hätte er sonst diesen Job? Was bei uns übertrieben wirkt, ist bei Diekmann passend. Aber natürlich wird der Großteil der Meinungsbildner den Kopf schütteln ob dieser Nabelschau und sich doch heimlich im stillen Kämmerlein wünschen, sie könnten auch mal ein Jahr auf der gegenüberliegenden Straßenseite von Steve Jobs wohnen. Stellen wir uns einmal vor: Diekmann und Co. hätten diesen großen Aufwand gemacht und niemand hätte jemals davon erfahren. Das wäre für die Marke "Bild" eine traurige Geschichte.