Kolumne:
Jetzt sind die Zuschauer selbst aktiv geworden
Nico Lumma und Christoph Hüning vom Next Media Accelerator beschäftigen sich mit Themen, über die man im Laufe der Woche sprechen sollte. Diesmal: Video wächst weiter und wird immer interaktiver
Seit dem Start von Youtube vor 15 Jahren wächst die Verbreitung von Video im Web unaufhörlich. COVID-19 hat diesen Trend natürlich noch verstärkt, was wir an den Nutzungszahlen von Netflix, Disney+, Amazon Prime und Co. deutlich sehen. Aber während wir in der Pandemie viel Zeit zu Hause verbringen und mehr glotzen als je zuvor, nutzen wir gleichzeitig Video anders als noch vor einem Jahr.
Es gibt kaum jemanden, der 2020 nicht an einer Videokonferenz teilgenommen hat. Je mehr sich die Arbeit dieses Jahr flexibel gestaltet hat, desto normaler wurde es, mal kurz mit Kolleg:innen einen Videocall zu machen. Wo früher noch kurz zum Telefonhörer gegriffen wurde, wird jetzt “gezoomt”. Wenn dann doch einmal eine Telefonkonferenz ansteht, wirkt diese bereits anachronistisch, so normal sind Videokonferenzen geworden. Wir haben uns auch daran gewöhnt, dass Menschen nicht mehr im Büro sind bei Videokonferenzen und durch virtuelle Hintergründe das häusliche Chaos zu kaschieren versuchen. IKEA hat jüngst darauf reagiert und Backgrounds by IKEA vorgestellt, eine Sammlung von Hintergründen für alle Video-Lebenslagen. Damit sind also auch Backgrounds endgültig im Mainstream angekommen.
Neben Videokonferenzen ist dieses Jahr TikTok durch die Decke gegangen mit kurzen, knackigen Videos, die jeden feuilletonistisch angehauchten Kulturpessimisten erschaudern lassen, aber eine junge Zielgruppe global in ihren Bann ziehen. Die Tagesschau hat in unserem Spotlight Event anschaulich erklärt, wie traditionelle Marken hier ihr Publikum finden. 840 Millionen Nutzer:innen sind begeistert und werden zu TikTok Creators, denn das Veröffentlichen eigener Videos ist so einfach wie nie zuvor.
2020 wird Video interaktiver als jemals, was mit Snapchat begann, wird von TikTok perfektioniert. Video-Shopping zum Mitmachen ist der nächste Trend, der vor der Tür steht, auch wenn Eltern hierzulande eigentlich darauf hoffen, dass hybrides Lernen endlich flächendeckend verfügbar ist und sich interaktive Klassenzimmer per Video etablieren. TikTok ist übrigens ein großer Fundus von Anleitungsvideos für alle Lebenslagen geworden und wird zu einer echten Konkurrenz zu Youtube in diesem Bereich, denn Videos auf TikTok sind noch direkter und schneller als wir es von Youtube kennen, was im direkten Vergleich mittlerweile recht altbacken wirkt. Je selbstverständlicher interaktives Video im Alltag wird, desto mehr geraten hoffentlich selbst die Schulen endlich mal unter Druck, sich der Realität zu stellen und die Overhead-Projektoren zu verschrotten.
Wir haben dieses Jahr gesehen, wie Konferenzen mit Plattformen wie Hopin in digitale Formate übertragen wurden und wir haben unser Matchmaking Format NMA MediaMatch ebenfalls dreimal per Video stattfinden lassen, was immer besser funktionierte. Unser Portfolio-Unternehmen Sceenic hat mit BT Sport in UK und NPO in den Niederlanden dafür gesorgt, dass Freund:innen trotz leerer Stadien gemeinsam live Fußball genießen können.
Video ist natürlich ein Bandbreitenfresser und je interaktiver es wird, desto besser muss der Upstream funktionieren. 5G und Glasfaser werden daher immer mehr nachgefragt sein, da unsere aktuell verfügbaren Bandbreiten sehr schnell saturiert werden, wenn zu Hause die Eltern arbeiten und die Kids die Möglichkeiten von Netflix, TikTok und Co ausreizen oder noch ein wenig eSports nebenbei betreiben.
Dieses Jahr war das Jahr der karierten Augen. Wir haben so viel geglotzt wie nie. Aber die Zuschauer:innen sind selber aktiv geworden und haben Video damit aus der digitalen Form der Videothek endgültig in das 21. Jahrhundert katapultiert, mit allen Begleiterscheinungen wie Creator Houses und Ringlampen am Smartphone.