ZDF-Satiriker legt nach:
Jetzt provoziert Jan Böhmermann in der "Zeit"
"Die Zeit" gibt Jan Böhmermann die Plattform, um über den Wirbel rund um seine Erdogan Schmähkritik zu sprechen – und um neu zu provozieren.
Jan Böhmermann hat sich einige Wochen lang zurückgehalten. In der "Zeit" bricht er diese Woche sein Schweigen – und kritisiert in einem Interview zum Wirbel um sein Gedicht "Schmähkritik" Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Verhalten der Kanzlerin nach der Veröffentlichung seines Schmähgedichts über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kommentierte der 35-jährige TV-Moderator so: "Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit geht. Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht."
Passagen wie diese stoßen nicht überall auf Verständnis. "Was für eine Selbstverliebtheit", kommentierte der Politologe und Publizist Albrecht von Lucke die Statements des Satirikers in der "Hamburger Morgenpost" vom Mittwoch. "Da wagt sich Böhmermann mit einer inszenierten Beleidigung aus dem geschützten Studio auf das glatte Parkett der Weltpolitik und beklagt sich nun darüber, dass er dafür die Konsequenzen zu tragen hat. Dabei ist er nicht das Opfer Merkels, sondern der eigenen Verwechslung von Spaß und Realität."
Medienjournalist Stefan Niggemeier twitterte:
Eigentlich war das mit dem Schweigen vorher gar keine schlechte Idee gewesen. #Böhmermann https://t.co/oX7LUczKw3 pic.twitter.com/S14FFeKrjW
— Stefan Niggemeier (@niggi) 3. Mai 2016
Böhmermann selbst retweetete den Kommentar des CDU-Bundestagsabgeordneten Tino Sorge:
Böhmermann. Einfach nur armselig. Oder anders gesprochen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten. https://t.co/g4d2eG7nzU
— Tino Sorge (@TinoSorge) 3. Mai 2016
Bei Zeit Online, wo ein Auszug aus dem Interview schon am Dienstag zu lesen war, gab es am Mittwochvormittag bereits mehr als 1000 Kommentare unter dem Text, viele davon durchaus kritisch dem Satiriker gegenüber. Böhmermann übertreibe es mit der Opferrolle, ist ein Kritikpunkt, der sich dort mehrfach findet.
Auch dass sich der Satiriker im Interview mit Ai Weiwei vergleicht, der in China als Dissident im Gefängnis saß, provoziert Widerspruch. Das scheint Jan Böhmermann allerdings vorausgesehen zu haben. Er kommentierte sein eigenes Zitat aus der "Zeit" auf Twitter bereits am Dienstag selbstironisch (mit vielen Reaktionen im Nachgang:
Jetzt hält sich Böhmermann ernsthaft für Ai Weiwei. Also entweder ist der völlig verblödet oder ich!
— Jan Böhmermann (@janboehm) 3. Mai 2016
Der Satiriker und Grimmepreisträger, der das umstrittene Gedicht "Schmähkritik" Ende März in seiner ZDF-Neo-Show "Neo Magazin Royale" vorgetragen hatte, erläutert gleichzeitig erstmals seine Absichten: "Ich habe versucht, meinen Zuschauern anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert."
Auf die Frage, ob er Erdogan beleidigen wollte, antwortete Böhmermann: "Nein, Präsident Erdogan zu beleidigen ist mir zu doof. Ich denke, das hat man auch dem reichlich bescheuerten Schmähgedicht angemerkt."
Die Mainzer Staatsanwaltschaft lässt indes noch offen, ob sie das "Zeit"-Interview Böhmermanns in die laufenden Ermittlungen wegen möglicher Beleidigung einbezieht. Generell könnten aber auch Äußerungen von Beschuldigten oder anderen Personen herangezogen, die außerhalb eines Verfahrens abgegeben werden, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch der "dpa". Die Justizbehörde habe den Inhalt des Interviews noch nicht untersucht. Denn immerhin legt Böhmermann zumindest mit kritischen Äußerungen gegen Erdogan nach.
Wenn Böhmermann sein Schweigen bricht, dann richtig. Via Periscope mimt er jetzt eine Art deutschen Julian Assange ...
LIVE auf #Periscope: Aus der ecuadorianischen Botschaft in London: eine @neomagazin Mini-Konferenz https://t.co/UcbNGSE9Ya
— Jan Böhmermann (@janboehm) 4. Mai 2016
dpa/W&V Online