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Infront-Chef: Die Bühne Sport ist wichtig für gesellschaftliche Themen
Die Fußball-Europameisterschaft 2020 war in vielerlei Hinsicht ein Novum. Marco Sautner, Geschäftsführer des Vermarktungsspezialisten Infront Deutschland, über Sportmarketing in Zeiten einer Pandemie und Herausforderungen für die Zukunft.

Foto: Volkswagen
Die Fußball-Europameisterschaft 2020 ist Geschichte. Herr Sautner, wie haben Sie diese Großveranstaltung unter Pandemiebedingungen erlebt?
Rein persönlich natürlich mit viel Emotion – es war ja dramatisch vom Beginn bis zum Ende. Aus beruflicher Sicht mit einer gewissen Distanz, denn als Infront Deutschland waren wir in die Euro2020 nicht involviert. Die Akquise von Sponsoren zum Beispiel lag ausschließlich in den Händen der UEFA. Was im Vergleich zu früheren Europameisterschaften aufgefallen ist, war die hohe Präsenz nicht-europäischer Unternehmen. Von den sechs offiziellen Sponsoren der Euro 2020 kamen nur zwei aus Europa (Takeaway und Heineken, Anm.d.Red). Bemerkenswert war aber auch, dass die Strahlkraft des Sports von den beteiligten Unternehmen erstmals so prominent genutzt worden ist, um zu gesellschaftlich relevanten Fragen Position zu beziehen.
Wobei die UEFA das Bild etwas gestört hat.
Wenn Sie damit auf die Entscheidung anspielen, der Stadt München die Beleuchtung der Allianz-Arena in Regenbogenfarben zu untersagen, mag das stimmen. Allerdings haben Unternehmen wie VW (Sponsor des UEFA Nationalteams, Anm.d.Red.) einen anderen Weg eingeschlagen und sich mit Logo oder Fahnen in Regenbogenfarben deutlich positioniert. Sowohl mit Bandenwerbung sichtbar auf dem Platz und im TV als auch in den sozialen Medien. Ich finde es gut, dass sich die Sponsoren in dieser Frage von der Linie des Verbands abgekoppelt haben.
Der Ruf, dass Unternehmen "Haltung" zeigen sollen, ist in der jüngeren Vergangenheit immer lauter geworden. Hat die Fußball-EM das Thema jetzt deutlich vorangebracht?
Ich denke schon. Unternehmen wie booking.com oder eben VW haben die Euro2020 als Plattform jedenfalls gut genutzt. In Deutschland gibt es über 45 Millionen Menschen, die sich für Sport interessieren. Aber auch diejenigen, die nicht dazu gehören, haben die Diskussion um die Beleuchtung der Allianz Arena mitbekommen und registriert, dass die Sponsoren der EM Flagge zeigen. Sport ist in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt und erhält enorme Aufmerksamkeit. Diese Bühne für gesellschaftliche Themen zu nutzen, macht hochgradig Sinn und wird von den Konsumenten ja teilweise sogar eingefordert.
Die Euro2020 war in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Insgesamt zwölf Austragungsorte mit Stadien, in denen sich oft eine überschaubare Zahl an Zuschauern aufhalten durfte. Was bedeutet das für die Vermarktung?
Wenn eine Europameisterschaft in so vielen Ländern stattfindet, ist das aus Sicht eines Vermarkters aufgrund der Vielzahl an Märkten erst einmal spannend. Aus Sponsoren-Perspektive sicherlich auch. Dass die Zahl der Zuschauer generell begrenzt war und Marketing-Aktionen vor Ort damit wenig Sinn ergeben haben, ist aus Sponsorensicht natürlich ein Nachteil. Allerdings saß auch bei früheren Veranstaltungen der Großteil der Zuschauer vor dem Fernseher und nicht im Stadion.
Aber keine Frage: Bei der Euro2020 war aus Vermarktungssicht viel Kreativität gefragt. Auch Infront musste im vergangenen Jahr kurzfristig neue Wege gehen als die Eishockey-WM abgesagt wurde. Das ist ja ein Mega-Event, auf das Fans und Spieler lange Zeit hinfiebern. Um die Enttäuschung etwas aufzufangen, haben wir mit den "IIHF Esports Fan Championship" ein virtuelles Turnier durchgeführt.
Hat ein solches E-Sport-Ereignis auch dauerhaft Potenzial?
Definitiv. Es wird in diesem konkreten Fall das klassische Event natürlich nicht ersetzen können, aber um das Engagement der Fans zu erhöhen und sie selbst Teil des Events werden zu lassen, ist es ein toller Ansatz. Blickt man auf die grundsätzliche Entwicklung des E-Sports-Marktes, ist diese extrem positiv. Viele Unternehmen unterschätzen das Potenzial noch immer. Wer junge Menschen erreichen will, kommt um das Thema E-Sport aber nicht herum. Im Vergleich zu klassischen Sportveranstaltungen hat der virtuelle Sport einige Stärken. Dazu gehören neben der Ansprache junger Zielgruppen auch vielseitiger Content und eine große Bandbreite an Vermarktungsansätzen. Bei einer Fußball-Europameisterschaft zum Beispiel ist der Rahmen für Sponsoren klar abgesteckt. Im E-Sport-Bereich dagegen können Sie Influencer integrieren oder Ingame-Werbung schalten – kurzum, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Wir raten Unternehmen, sich den E-Sport-Markt genauer anzuschauen und mögliche Chancen für die Vermarktung auszuloten. Generell ist es natürlich sinnvoll, im Sportmarketing möglichst viele Kanäle auf dem Schirm zu haben und Veranstaltungen vom analogen in den digitalen Raum zu verlängern. Geschichten und Kommunikationsanlässe liefert der Sport ja en Masse. TikTok hat das als einer der Sponsoren der Euro2020 extrem gut demonstriert. Unfassbar wie viel Content und Interaktionen entstanden sind - und zwar aus dem Zusammenspiel von Fans, Influencern, Verbänden, Sportlern und Brands.
Mit Ende der EM geht es ja eigentlich schon wieder Richtung Fußball-Bundesliga-Start. Wie sehen die nächsten Monate aus? Wie stellen Sie sich auf die kommende Saison ein?
Wenn es so kommt, wie es derzeit diskutiert wird, dann sind die Stadien wieder zu Hälfte mit Zuschauern besetzt. Wir haben die Verträge mit Sponsoren so geschlossen, dass wir flexibel agieren können. Natürlich gibt es Unternehmen, die erst einmal abwarten und schauen, was zum Beispiel im Hospitality-Bereich in der kommenden Saison möglich ist. Im vergangenen Jahr hatten wir natürlich einen viel größeren Aufwand und empfindliche finanzielle Einbußen, weil ein Teil der vertraglich vereinbarten Leistungen weggefallen ist.
Auf der anderen Seite hat sich der TV-Bereich positiv entwickelt. Da ist die Reichweite deutlich größer geworden. Wir sind gespannt, wie sich alles entwickelt, freuen uns aber wieder sehr auf gefüllte Stadien.