Hasso Mansfeld: "Wulff sollte Schausten einen Orden verleihen"
Trotz weiterer Ungereimtheiten rund um Bundespräsident Christian Wulff in der Kredit- und Mailbox-Affäre übt Kommunikationsberater Hasso Mansfeld Medienschelte - im Interview mit W&V-Online-Redakteurin Petra Schwegler.
Kommunikationsberater Hasso Mansfeld hat vergangene Woche bei W&V Online in der Kredit- und Mailbox-Affäre um Bundespräsident Christian Wulff harsche Kritik am Vorgehen von "Bild"-Chefredakteur Kai Diemann geübt. Nach einer weiteren Woche Wulff in den Schlagzeilen hat W&V Online nochmals bei Mansfeld nachgehakt. Und siehe da: Der Berater übt Medienschelte, sagt aber auch, dass die Fehlgriffe Wulff in die Hände spielen.
Herr Mansfeld, Sie haben vergangene Woche im Zusammenhang mit der Kritik am Vorgehen des "Bild"-Chefredakteurs Kai Diekmann zu mehr Mäßigung der Journaille im Umgang mit der Causa Christian Wulff aufgerufen. Hat sich seither der Ton in den Medien aus Ihrer Sicht verändert?
Ja. Der Hysterie ist eine Ratlosigkeit nachgefolgt, was wir denn aus dieser Sache lernen können. Man muss ganz klar konstatieren: Die Luft ist raus. Der Ton hat sich insofern geändert, als dass andere Themen wieder im Vordergrund stehen. Die "Bild" hat übrigens als Erste gemerkt, dass das Thema nicht mehr trägt. Am Freitag, den 6. Januar, zwei Tage nach dem ARD/ZDF-Live-Interview, war bei ihr Wulff nicht mehr das Hauptthema, sondern Dieter Bohlen. Da hat man sich quasi wieder auf die Kernkompetenzen besonnen, während der Rest der Medienrepublik da noch voll gewütet und nur die "taz" sich mahnend zu Wort gemeldet hat. Was jetzt an "neuen Vorwürfen” aufpoppt, sind nur noch Ausläufer der Gewitter der vergangenen Wochen.
Die "SZ" hat am Mittwoch ähnlich argumentiert wie Sie und in einer Art "Zwischenbilanz" festgehalten, dass die von der Presse am Bundespräsidenten angesetzten Maßstäbe – ZDF-Frau Bettina Schausten fordert 150 Euro für private Übernachtungen – einfach nicht mehr realistisch sind. Wendet sich das Blatt?
Das Blatt hat sich am vergangenen Mittwoch um exakt 20:31 Uhr gewendet. In dem Moment, als Frau Schausten sich darin verstiegen hat, mit ihren 150 Euro Übernachtungsgebühren einen Maßstab einzufordern, den kein Mensch mehr weder erfüllen kann und erfüllen will. Damit ist die Stimmung nicht unbedingt für Wulff, aber gegen die Medien gekippt. Denn Frau Schausten und Herr Deppendorf saßen ja in der Wahrnehmung der deutschen Bevölkerung als Vertreter der deutschen Medienlandschaft dem Bundespräsidenten live gegenüber.
Herr Wulff hätte allen Grund, jetzt Bettina Schausten für seine Rettung einen Orden zu verleihen. Die Ironie des Schicksals ist dabei, dass es gerade Frau Schausten war, die den Schmuh mit dem letzten Wulff-ZDF-Sommerinterview mitgemacht hat. Erinnern Sie sich? Wulff hatte in dieser Sendung auf die Frage von ihr, ob er "reif für die Insel” sei, geantwortet: "Ja, ich freue mich sehr auf die Tage jetzt mit der Familie, mit den Kindern, und es ist auch immer eine gute Gelegenheit, mal innezuhalten." Dabei war er gar nicht im Urlaub, und ist extra für das Gespräch morgens von Berlin nach Norderney und am Nachmittag wieder zurückgeflogen.
In Blogs wird schon mal eine Erklärung für die Hatz in den Printmedien darin gesucht, dass sich die Zeitungskollegen gerne gegenüber den schnelleren Onlinern im Hintertreffen sehen. Reicht das als Begründung aus?
Nun, im Internet-Zeitalter findet Politik in Echtzeit statt. Zudem sind durch die neuen Medien die tradierten Printformate einem enormen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Das alleine recht aber als Begründung nicht aus. Wichtig ist für das Zustandekommen dieser Dynamik, dass es sich bei dem Objekt des Skandals um die formale Spitze des Staats handelt. Höher geht es nicht. Es hat sich alles aufgeschaukelt, bis eine regelrechte Hysterie entstanden ist. Sozusagen ein kollektiver Tunnelblick, der nur eines im Sinn hatte: DER MUSS jetzt zurücktreten. Dabei ist kurzfristig aus den Augen verloren worden, dass die Medien im Wesentlichen die Funktion haben, über Ereignisse zu berichten und nicht die Ereignisse selber schaffen sollten, über die sie dann Bericht erstatten. In der Systemtheorie würde man sagen: Das Verhalten der Medien war selbstreferenziell. Für die Politik ist nun mal alleine die Politik verantwortlich, und für die Berichterstattung und die Kontrolle der Politik die Medien.
Wenn die Medien anfangen, selbst Politik zu machen - teilweise getrieben durch die Hybris Einzelner -, dann schadet es allen voran den Medien selbst und darüber hinaus unserem gesamten politischen gesellschaftlichen System. Denn man liefert all den zahlreichen Klugscheißern in unserer Republik Auftrieb, die schon immer gerne die Klo-Parolen verbreiten: DIE Medien machen eh was sie wollen und haben nur im Sinne, einzelne Personen "fertig” zu machen.
Wie aber erklärt sich, dass nun auch so seriöse Medien wie der "Spiegel" oder der BR zu "Bild-Methoden" greifen? Es macht die Runde, dass bei neuen Vorwürfen wegen eines möglichen Sponsorings eines Wulff-Buchs der nervenkranke und verwirrte Autor des Werks von diversen Medien interviewt und zitiert wird.
Das ist Ergebnis des kollektiven Tunnelblicks. Grundsätzlich hat man ja recht: Christian Wulff ist eines Präsidenten nicht würdig. Er verhält sich so, dass er immer wieder den Anlass gibt, an seinen Äußerungen zu zweifeln. Er druckst herum. Wo Konkretes zu erwarten wäre, bewegt er sich nur im Ungefähren. Seine "Schuld" ist förmlich zum Greifen nahe. Ich persönlich kann das sehr gut nachvollziehen: Der Journalist kommt sich in so einer Situation vor wie bei einer unvollendeten Symphonie. Er hört eine grandiose Ouverture, doch das ganze Spektakel verliert sich nach dem 3. Satz. Da ist es nur menschlich, den vierten und letzten Satz einzufordern. Oder gleich selbst das Finale komponieren zu wollen. Indes: Das ist nicht die Aufgabe der Medien.
Der "Spiegel" befand sich in einem Bieterwettbewerb mit der "Bild"-Zeitung, wer denn dem interessierten (Online-) Zeitungspublikum das bessere investigative Programm zu bieten hat. Es ging um die Beantwortung der Frage: Wer liefert das "Finale”, welches am besten mit der Ouverture korrespondiert. Dabei hat man sich vergaloppiert.
Wie lange wird die Kredit- und Mailbox-Affäre um Christian Wulff noch die Medien beherrschen und andere brennende Themen wie etwa die Euro-Krise auf die Plätze verweisen?
Wir merken ja jetzt schon, dass die Euro-Krise und "Merkozy” wieder die beherrschenden Themen sind. Ich glaube, es ist vorbei, denn den Menschen hängt das Thema aus den Ohren heraus. Die Affäre endet jetzt so, wie sie begonnen hat: im langweiligen juristischen Geplänkel.