Kampagnen-Bashing:
Grey provoziert Nordsee mit Kaltakquise auf Facebook
Die neue Kampagne sei richtig schlecht, postete ein Grey-Mann auf der Facebook-Präsenz von Nordsee und diente seinen Arbeitgeber gleich als neue Agentur an. Das dreiste Vorgehen wird im Netz kontrovers diskutiert. W&V sprach mit den Beteiligten.
Der Seitenhieb auf die neue Kampagne von Nordsee sitzt: "Um es kurz zu machen: Das haben weder Ihre traditionsreiche und bekannte Marke, Ihre hochwertig-frischen Produkte und noch weniger aber Ihre 6.000 Mitarbeiter und Kunden verdient." So bissig formuliert Grey-Mann Christoph Pietsch seine Kampagnen-Kritik auf Nordsees Facebook-Präsenz. Der Leiter New Business Development schiebt dann noch beiläufig nach: Grey könne ja mal bei Nordsee präsentieren. Eine ziemlich dreiste Art für eine Agentur, um mit einem potenziellen Kunden in Kontakt zu kommen, finden viele Facebook-Kommentatoren. "Das hier ist der Gipfel der Unverfrorenheit", kommentiert einer, ein zweiter: "Ich würde keinen potenziellen Kunden so besserwisserisch und über das falsche Medium kontaktieren." Nur wenige springen Pietsch bei. Der verteidigt gegenüber W&V sein Vorgehen, einen Fuß in die Tür des Kunden zu bekommen. "Wenn keiner Mut zeigt und neue Wege geht, kommt auch niemand voran. Ein blaues Auge gehört zum Berufsrisiko." Dies sei lediglich ein kleiner "Testballon mit einem Augenzwinkern" gewesen.
Pietsch beklagt, dass die Wege und Mittel, um einen potenziellen Kunden auf sich aufmerksam zu machen, oft nur begrenzt und eingefahren sind. "Über Facebook zu gehen, ist ein sehr offener Weg, der für alle einsehbar ist." Abgesprochen mit der Chefetage war die Aktion wohl nicht: "Ich habe bewusst diesen Kanal gewählt und dieses Posting, im Rahmen meines Entscheidungsspielraums, geschrieben, und zwar ganz bewusst über meinen persönlichen Facebook-Account." Im Nachgang jedoch veröffentlichte Grey den provokanten Vorstoß des Chef-Akquisiteurs immerhin auf der eigenen Facebook-Seite. Auf dem Grey-Blog versucht sich Pietsch zudem noch in Schadensbegrenzung und lädt ein, mit ihm über das Thema zu diskutieren "bei einer entspannten Tasse Kaffee, telefonisch oder per E-Mail."
Und was sagt nun der umworbene Kunde dazu? "Ich freue mich, dass das Motiv schon eine solche Resonanz erzeugt", sagt Franziska Schneidewind, Marketingchefin bei Nordsee. Man sehe das eher entspannt. Auf das Gesprächsangebot eingehen will sie dennoch nicht. "Facebook ist nicht der richtige Ort, um ins Gespräch mit uns zu kommen. Ich hätte mir einen direkteren Weg gewünscht." Sie sei außerdem "sehr zufrieden mit unserer Agentur". Verantwortlich für den neuen Auftritt, der diesen Mittwoch vorgestellt wurde, ist die Düsseldorfer Agentur KMS (KMS Kreativ Marketing Service). Deren Geschäftsführer Thomas Bornemann zeigt sich befremdet: "Wir sind erstaunt, dass die Nordsee-Facebook-Seite als geeigneter Ort betrachtet wird, um dort Kundenakquise zu betreiben. Ohne Frage sind wir wettbewerbsorientiert, aber unser Handeln ist dabei stets von einem fairen und vor allem respektvollen Umgang geprägt."
Pietsch selbst findet es gut, dass eine Diskussion über neue Wege in der Kaltakquise losgetreten wurde. "Mit einer solchen Reaktion habe ich nicht gerechnet. Ich würde den transparenten Weg über Social Media aber wieder wählen, das nächste Mal wäre der Beitrag vermutlich weniger provokant." Und ganz ohne Wirkung war sein Vorstoß nicht. Auch wenn Nordsee nicht geantwortet hat, immerhin hat eine Berliner Agentur bei Pietsch angeklopft. Sollte er den Zuschlag erhalten, würde sie kostenlos ein neues Branding-Konzept für Nordsee beisteuern.