UK-Zeitungsmarkt:
Gratisblätter kämpfen ums Überleben
Die Disruption des Vertriebsmodells und stornierte Werbebuchungen aufgrund der Coronakrise machen den Gratistiteln schwer zu schaffen. Sie reagieren mit teilweise drastischen Maßnahmen.
Da infolge der Coronakrise immer mehr Menschen im Homeoffice arbeiten und der öffentliche Nahverkehr inzwischen stark eingeschränkt wurde, sind die drei Londoner Gratiszeitungen Metro, Evening Standard und City AM in eine existenzielle Krise geraten. Mit teilweise drastischen Maßnahmen kämpfen sie inzwischen ums Überleben.
Für den radikalsten Schritt hat sich dabei das Wirtschaftsblatt City AM entschieden, das seine knapp 86.000 Exemplare bislang vor allem an den U-Bahn-Stationen in der Londoner City verteilt hat. Der Titel stellt "bis auf Weiteres" seine Print-Auflage komplett ein und verordnete den Mitarbeitern von April an eine Gehaltskürzung von 50 Prozent.
In einer internen E-Mail erklärte Jens Torpe, CEO von City AM, dass die meisten Werbungtreibenden in London ihre Werbebuchungen gecancelt hätten. Dies bedeute, dass das Blatt derzeit "keine Einkünfte habe, um die Kosten zu decken".
"Die kommenden Wochen werden nicht einfach sein, für niemanden", so Torpe weiter. "Aber für das Management von City AM ist klar, dass das Print-Produkt zurückkehren wird." In der Zwischenzeit wird eine Digitalzeitung produziert, die auf der Website des Verlags aufgerufen werden kann.
Was die Gehaltskürzungen betrifft, bedauere der Verlag laut Torpe außerordentlich, eine solche Maßnahme ergreifen zu müssen. Dies sei aber "leider die einzige Möglichkeit, um das Unternehmen aufrechterhalten zu können bis sich die Situation wieder normalisiert".
"Nervöse Werbungtreibende"
Für einen etwas anderen Weg hat sich der Evening Standard entschieden, der laut Auflagenkontrolleur ABC im Februar noch 787.000 Freiexemplare ausgewiesen hat. In den vergangenen Tagen war die Auflage allerdings bereits auf weniger als 645.000 gesunken.
Von diesem Montag an wird die Print-Auflage weiter auf 500.000 Exemplare abgesenkt, die nun direkt an Haushalte in den Wohngebieten verteilt werden sollen. "Von Hampstead bis Bethnal Green, von Brixton bis Hammersmith, von Swiss Cottage bis Greenwich werden unsere Lastwagen und Distributionsteams jeden Tag Hunderttausende Exemplare an die Haushalte ausliefern", erklärte Mike Soutar, CEO des Evening Standard, in einer internen Mail an die Mitarbeiter.
Auch Soutar wies darauf hin, dass das Werbegeschäft derzeit extrem schwierig und der Markt sehr ruhig sei, da "nervöse Werbungtreibende ihre Spendings reduzieren oder aufschieben". Der Evening Standard ist im Besitz der russischen Milliardärsfamilie Lebedev, die das kriselnde Blatt 2009 für ein Pfund übernommen und kräftig in den Titel investiert hat. Dennoch verzeichnete der Evening Standard 2018 einen Verlust in Höhe von 9,5 Millionen Pfund (10,3 Mio. Euro).
Das größte britische Gratisblatt Metro mit einer Auflage von knapp über 1,4 Millionen Exemplaren hat sich bislang noch nicht offiziell dazu geäußert, wie es auf die Disruption des bisherigen Distributionswegs reagieren will. Der Verlag Daily Mail and General Trust, zu dem das Blatt gehört, erklärte gegenüber der Financial Times lediglich, dass man, falls dies notwendig sei, die "Auflage anpassen werde".