BVerwG hebt Verbot auf:
Gericht erlaubt ProSieben nun doch regionale Werbung
Regionale Werbung im nationalen Programm von ProSieben ist doch möglich - urteilt das Bundesverwaltungsgericht. Verlegern und Radiomachern schmeckt der Richterspruch nicht.
Das Thema regionale TV-Werbung bei ProSiebenSat.1 ist 2012 heftig diskutiert worden. Vor allem Verleger und Radioanbieter wie Radio NRW oder bayerische Lokalfunker stemmten sich gegen die nationale Konkurrenz der TV-AG und deren Pläne, künftig auf der Suche nach neuen TV-Kunden aus dem Mittelstand im Kabel auch regionale Werbung einzuspeisen. Nun müssen die Funker ganz tapfer sein: ProSieben darf das. Das Bundesverwaltungsgericht BVerwG hat am Mittwoch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Herbst 2013 aufgehoben, wonach Werbung ein Bestandteil des Programms sei und ProSieben für ein solches nur eine bundesweite Lizenz besitze. Die TV-AG ging vor dem Bundesverwaltungsgericht in Revision - und bekam nun recht. Laut dem BVerwG verstößt es nicht gegen die Bestimmungen des Rundfunkrechts, wenn im Rahmen eines bundesweiten Fernsehprogramms Werbespots mit regional beschränktem Verbreitungsgebiet gesendet würden.
Zur Begründung heißt es, schließlich seien nur die redaktionellen Programminhalte Gegenstand des "rundfunkrechtlichen Lizenzierungserfordernisses", nicht aber die Werbung. Hinsichtlich des "ob" und "wie" der Werbung seien die Sender frei. Allerdings müssten auch hier die werberechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Doch diese geben im Falle des Rundfunkstaatsvertrages keine einschränkenden Vorgaben zum Verbreitungsgebiet von Werbespots vor.
Hintergrund: Beide großen Sendergruppen haben vor einigen Jahren regionale Werbung als mögliches Wachstumsfeld entdeckt. Dezentrale Spots, die nur in bestimmten Regionen zu sehen sind, sollten Werbung auf großen Sendern auch für regionale Unternehmen attrativ machen – wie etwa Filialisten. Verleger fürchteten um Werbebudgets in Radio, Zeitung und TV vor Ort. Der TV-Sender hatte die Klage auf den Weg gebracht, um Rechtssicherheit zu schaffen. Die juristische Bremse, die ProSiebenSat.1 in der Folge zunächst gestoppt hatte, ist nun gelöst. Bleibt abzuwarten, wie regionale Medienanbieter reagieren. Für Sender wie ProSieben, die bereits neue Werbeformen in Kombination mit Smart-TV nutzen, dürfte das Signal des Kadi indes ein sehr wichtiges sein, um Targeting mit regionaler Aussteuerung auch über das Fernsehgerät anbieten zu können.
Update: Der Zeitungsverlegerverband BDZV reagiert wie erwartet mit harscher Kritik an der Gerichtsentscheidung. Sie sei "in keiner Weise nachvollziehbar". Dass ProSieben im Rahmen eines bundesweiten Fernsehprogramms Werbespots mit regional beschränktem Verbreitungsgebiet senden darf - das würden die Verleger fundamental anders sehen, zumal Werbung immer als Bestandteil des Programms angesehen worden sei. Hier stand ja die Frage im Raum, ob eine nationale Sendelizenz regionales Engagement abdecken könnte. Der BDZV erinnert den Gesetzgeber daran, dass ProSieben zumindest programmlich nicht mit regionalen Inhalten für mehr Vielfalt sorgen würde und fordert, den Rundfunkstaatsvertrag zu ändern. Die Funker denken ähnlich; auch die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) will ans Gesetz ran.