
Interview mit Katharina Wolff:
Geht doch: Mehr Frauen in Führungspositionen
Noch immer haben viel zu wenig Frauen in Digitalunternehmen Führungspositionen inne. Personalberaterin Katharina Wolff wollte das nicht mehr hinnehmen und startete ihre "Mission Shortlist". Stand heute: Es wurde viel erreicht, aber es gibt noch einiges zu tun.

Foto: Martin Lukaskim
Warum sind so wenig Frauen in Digitalunternehmen in Führungspositionen? Liegt es tatsächlich daran, dass sie Leadership im Digital-Sektor nicht können? Katharina Wolff, CEO der Personalagentur D-Level wollte das nicht glauben und startete im Herbst vergangenen Jahres die Initiative "Mission Shortlist: Looking for Female Leaders". Anfang September versprach Wolff öffentlich, auf jede Shortlist zur Besetzung einer Position mindestens eine Frau zu setzen. Das Ergebnis zeitigte einige Überraschungen.
Frau Wolff, das klingt tatsächlich nach einer schwierigen Aufgabe.
Ja, denn gerade im Tech-Bereich sind Frauen noch immer in der Minderheit. Aber, so meine Überzeugung, es ist durchaus möglich, vor allem mit Hilfe von außen. Daher riefen wir Unternehmen, Personalabteilungen, Gründer, Leader und natürlich auch weibliche, digitale Führungskräfte auf, sich bei uns zu melden beziehungsweise uns Empfehlungen für Frauen zu geben.
Wie viele geeignete Kandidatinnen haben Sie durch Ihren Aufruf gefunden?
Zunächst einmal: Die Ausgangslage war ziemlich erschreckend. Es hat sich herausgestellt, dass von den 200 Führungspositionen, die wir von März 2017 und September 2019 besetzt haben, gerade einmal 19 von einer Frau besetzt wurden.
Eine ernüchternde Bilanz!
Und was uns zunächst auch nicht so bewusst war: In dem ganzen Zeitraum konnten wir keine einzige Chief Technology Officer (CTO) und gerade einmal eine Tech Lead besetzen. Ich hatte eine ungefähre Ahnung davon, dass wir nicht sehr viele weibliche Führungskräfte platziert hatten. Doch diese sehr niedrigen Zahlen schockierten mich doch.
Was hat sich seither getan?
Seit dem Start der Initiative haben wir 17 Shortlists vorgelegt. Und nur auf einer, nämlich für die Position eines Director Customer Care, konnten wir unserem Commitment nicht nachkommen. Dass wir gerade für diesen Job keine Frau finden konnten, hat uns überrascht, da es doch eine Position ist, die viel Kommunikation beinhaltet. Wir nahmen an, hier sei es leichter, weibliche Führungskräfte zu finden, als beispielsweise für den Finance-Bereich.
Offenbar ein Trugschluss!
Richtig, denn für alle Finance-Positionen haben wir zu unserer Freude problemlos Frauen vorstellen können. Eine der Shortlists für diesen Bereich bestand sogar ausschließlich aus Kandidatinnen. Überraschenderweise konnten wir ebenfalls leichter als gedacht für eine IT-Position, in diesem Falle die eines Chief Information Officers (CIO), weibliche Führungskräfte finden.
In welchem Bereich gab es die größten Probleme?
Im Sales- und Product-Bereich ist es nach wie vor problematisch, erfahrene Frauen zu bekommen. Insgesamt konnten wir von den 17 Positionen, aber immerhin sieben mit Frauen besetzen. Darunter eine VP Finance, eine CMO, zwei Head of Online Expansion und eine Chief Growth Officer (CGO). Zudem haben wir bislang 121 Initiativ-Bewerbungen von Frauen bekommen, die sich aufgrund unseres Commitments bei uns gemeldet haben. 23 davon konnten wir direkt in Bewerbungsprozesse integrieren.
Branding vorn, Performance Marketing weit hinten
Wo besteht denn in den Marketing-Disziplinen aktuell die größte Nachfrage?
Für den Marketing-Bereich mit Fokus Brand scheint momentan noch ein größeres, professionelles Interesse seitens weiblicher Führungskräfte zu bestehen, als für das datengetriebene Performance-Marketing. Frauen, die ein Studium in Mathematik oder Wirtschaftsinformatik vorzuweisen haben, sind in Deutschland leider noch immer zu selten.
Ein Grund, warum Unternehmen verstärkt den internationalen Markt scannen?
Ja, denn im Ausland sieht das anders aus. Aus unserer Sicht gibt es dort nicht nur mehr erfahrene Frauen für diese Bereiche, sie sind auch öfter bereit, mit ihrer ganzen Familie für einen Job ihr Heimatland zu verlassen, als bei uns.
Tatsächlich gibt es eine verhältnismäßig geringere Bereitschaft zu pendeln. Für die örtliche Flexibilisierung von Frauen mit starken Karrieren müssen wir in Deutschland also noch sehr viel tun.
Sie haben auch Personalberatungen dazu aufgerufen, ihre Pools an geeigneten Kandidatinnen untereinander zu öffnen, um dem Commitment, auf jede Shortlist eine Frau zu setzen, nachkommen zu können. Hat das funktioniert?
Leider nein. Hier müssen wir noch weitere Überzeugungsarbeit leisten. Was uns die Arbeit an unserer Initiative in den vergangenen Monaten allerdings deutlich gezeigt hat: Personalberatungen sind noch sehr zögerlich, genauso wie viele Unternehmen in Bezug auf eine Frauenquote, sich öffentlich in diesem Kontext zu verpflichten. Viele verfolgen das Ziel, mehr Frauen auf Führungspositionen zu setzen zwar intern, nach außen wollen sie sich dennoch auf keine gültigen und messbaren Zielvorgaben festlegen.
Wie gehen Sie damit um?
Als liberale Unternehmerin kann ich die Sorge vor dem Verlust der Entscheidungsfreiheit durchaus nachvollziehen. Vielleicht spielen auch Bedenken vor kritischen Reaktionen eine Rolle, sollte die Verpflichtung nicht in vollem Umfang eingehalten werden können. Ich würde mir hier allerdings etwas mehr Mut und mehr öffentlich gelebten Willen und Ausdruck wünschen, Karrieren von Frauen wirklich fördern zu wollen.
Ist Female Leadership also ein Thema, das uns noch länger begleiten wird?
Überzeugungsarbeit braucht Zeit, das habe ich als Politikerin gelernt. Dem Weltwirtschaftsforum zufolge wird es noch fast 100 Jahre dauern, bis Frauen und Männer gleichgestellt sind. Nach wie vor gilt: Wer etwas erreichen will, der sucht sich Ziele. Wer etwas verhindern will, der sucht Gründe. D-Level bleibt auf jeden Fall dran.