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Gefallener "Engel": Autohersteller distanzieren sich vom ADAC
Der Riese ADAC hat einen Totalcrash hingelegt und die Autohersteller sind bemüht, ihre Image-Schrammen so gering wie möglich zu halten. Der gefallene "Engel" könnte auch anderen Branchenpreisen den Glamour rauben.
Auf der Presseseite von BMW ist sie noch zu finden, die Jubelmeldung, dass der Autokonzern drei "Gelbe Engel" des ADAC gewonnen hat - für Markenstärke, die Qualität und die beste Reiselimousine. Volkswagen dagegen hat die Meldung, dass der VW Golf zum "Lieblingsauto der Deutschen" gekürt wurde, längst von der Seite getilgt. Verständlich, schließlich hat genau diese Auszeichnung zum ADAC-Skandal geführt, denn die Zahlen des Publikumsvotings wurden nachweislich von Michael Ramstetter, Kommunikationschef des Automobilclubs, manipuliert.
Vor dem späten Eingeständnis des ADAC-Chefredakteurs, die Zahlen kräftig nach oben frisiert zu haben, um den Preis wertiger erscheinen zu lassen, hielten sich die Autohersteller mit Kritik zurück. Man arbeite "gut und eng" mit dem Automobilclub zusammen, hieß es auf Anfrage. Die Anschuldigungen, die in der "Süddeutschen Zeitung" erhoben wurden, seien eine interne Angelegenheit des ADAC. Und natürlich zeigte man sich bei der illustren Preisverleihung in München, um die Preise entgegen zu nehmen.
Nun ist alles anders. Der Riese ADAC hat einen Totalcrash hingelegt und die Autohersteller sind bemüht, ihre Image-Schrammen so gering wie möglich zu halten. Auf Anfrage erklärt VW-Sprecher Peter Thul: "Die Verantwortung für die Korrektheit der Verleihung seiner Preise trägt allein der ADAC. Glücklicherweise ist der Golf das meistverkaufte Auto in Deutschland und daher ganz unabhängig von Fehlern bei der ADAC-Preisvergabe objektiv das Lieblingsauto der Deutschen. Wir erwarten vom ADAC eine vollständige Aufklärung der Vorgänge. Erst danach können wir entscheiden, wie wir mit dem Preis `Lieblingsauto der Deutschen' umgehen, dessen Wertigkeit beschädigt ist."
In diesem Jahr werde nicht mit der Auszeichnung "Gelber Engel" geworben, erklärt Volkswagen gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". Entsprechende Anzeigenpläne habe der Konzern zurückgezogen. Auch eine Rückgabe des Preises, den der VW Golf nach 2009 in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal gewann, wird in Wolfsburg offenbar erwogen. BMW und Daimler, die ebenfalls den Publikumspreis im Regal stehen haben, fordern ebenfalls eine umfassende Aufklärung.
Wie wichtig der Preis war, offenbart ein Automanager in der "SZ". "Wir haben dort eine falsche Welt aufgebaut, eine Welt, die wir immer als das Hochamt der Branche gesehen haben." Es sei eine "Frage der Ehre" gewesen, beim "Gelben Engel" ausgezeichnet zu werden. Der ADAC habe immer Wert gelegt auf eine hochkarätige Gästeliste. Nun heißt es von Insidern: Je renommierter der Preis, desto wichtiger das Vorstandsmitglied, das der Konzern entsendete. Weiterer Nährboden für Verdächtigungen, die über das Manipulieren von Zahlen weit hinaus gehen.
Der gefallene Engel des ADAC könnte so mancher Preisverleihung den Glamour rauben, denn nun wird die Sinnfrage gestellt nach dem Trophäen-Sammeln. "Wie viele Preise brauchen wir denn? Sollen wir bei jedem Preis groß damit werben?", philosophiert ein VW-Vorstandsmitglied in der "SZ". "Der Verbraucher ist nicht blöd. Der merkt doch, dass es hier zugeht wie beim Bambi, der Goldenen Kamera oder dem Sonderpreis der fleischverarbeitenden Industrie: Die Veranstalter brauchen uns eher als wir die Veranstalter."
Nun muss sich der ADAC gegen Anschuldigungen und auch Pauschalisierungen wehren, die von allen Seiten auf den Club hereinprasseln. Politiker, Verbraucherschützer und Mitarbeiter fordern Aufklärung, hunderte Mitglieder drohen im Social Web mit dem Austritt. Erste Alternativen zum ADAC werden empfohlen.
Wegen der Manipulation werden nun auch andere ADAC-Tests in Zweifel gezogen, von der Pannenstatistik bis zu den Raststätten-Tests. Ein "radikaler Kurswechsel" wird empfohlen, Verkehrsminister Alexander Dobrindth fordert laut Medienberichten eine Rückbesinnung des ADAC auf den Service für Mitglieder und die Interessenvertretung der deutschen Autofahrer. "Weniger Show und Glitzer - der ADAC ist doch nicht Hollywood", zitiert ihn die "Bild". Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer schlägt in der SZ eine Zerschlagung vor, in einen Service-Verein und einen Wirtschaftskonzern. Und weitere personelle Konsequenzen werden verlangt - viele Kommentatoren äußern Zweifel an der alleinigen Schuld von Ramstetter.
Der Vertrauensverlust bedeutet einen immensen Imageschaden für den ADAC. Und die Zahlenspielereien ziehen weitere Unannehmlichkeiten nach sich. Laut dem Bayerischen Rundfunk prüft die Staatsanwaltschaft München I aufgrund der Medienberichterstattung die Aufnahme von Ermittlungen wegen möglicher Bestechung und Vorteilnahme.