Schmähkritik:
Erdogan will Totalverbot für Böhmermanns Gedicht
Neue Runde in der Böhmermann-Affäre. Das Hamburger Landgericht hatte dem Satiriker bereits untersagt, große Teile seines Gedichts "Schmähkritik" über den türkischen Präsidenten öffentlich zu wiederholen. Jetzt gibt es neue Forderungen Erdogans.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will das Gedicht "Schmähkritik" des Satirikers Jan Böhmermann komplett verbieten lassen. Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger hat daher Klage beim Hamburger Landgericht eingereicht. In einem Hauptsacheverfahren will er ein Komplettverbot des Gedichts erreichen, wie von Sprenger der Deutschen Presse-Agentur sagte. Zuvor hatte das Magazin "Spiegel" über die Klage berichtet. Ein Gerichtssprecher konnte den Eingang der Klage am Samstag zunächst nicht bestätigen.
Das Hamburger Landgericht hatte Mitte Mai auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen den ZDF-Moderator Böhmermann erlassen. Böhmermann darf den größeren Teil seines Gedichts, das er am 31. März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragen hatte, damit nicht wiederholen. Bestimmte Gedichtpassagen muss Erdogan nach Ansicht des Gerichts nicht hinnehmen. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte nach der Entscheidung gesagt, dem Hamburger Landgericht seien dabei schwere handwerkliche Fehler unterlaufen. Er hatte angekündigt, notfalls auch bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Erdogans Anwalt will nun in einem Hauptsacheverfahren ein Verbot des gesamten Gedichts erwirken. "Böhmermann kann sich nicht auf Kunst berufen, wenn er selbst behauptet, das Kunstwerk stamme gar nicht von ihm", sagte von Sprenger dem "Spiegel". Böhmermann hatte in einem mit der Wochenzeitung "Zeit" schriftlich geführten Interview auf die Frage geantwortet, ob er das Gedicht selbst geschrieben habe: "Nein. Quelle: Internet."
Von Sprenger erklärte, Böhmermann sage selbst, es handele sich um ein Plagiat: "Wie will ich mich auf Kunst berufen, wenn es nicht meine ist?" Der Anwalt betonte, es hätten sich zudem neue Gesichtspunkte ergeben, die zu einer anderen Bewertung des Gerichts führen könnten. Zu Einzelheiten wollte er sich jedoch zunächst nicht äußern - erst solle die Gegenseite reagieren.
Im Wesentlichen stütze er sich auf die Argumente, die er bereits im Verfügungsverfahren vorgetragen habe, sagte von Sprenger - etwa dass Böhmermanns Gedicht "tief unter der Gürtellinie" sei.
Im Gegensatz zu einem Verfügungsverfahren ist gegen eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren der Rechtsweg bis zum Bundesgerichtshof oder Bundesverfassungsgericht möglich, wie der Hamburger Gerichtssprecher erklärte.
Neben dem Presseverfahren in Hamburg läuft in Mainz noch ein Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann wegen des Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts. Dies wurde möglich, nachdem die Bundesregierung eine Ermächtigung wegen des Strafverlangens der türkischen Regierung erteilt hatte.
Im Verfahren gegen Springer-Chef Mathias Döpfner, der sich mit Böhmermann solidarisiert hatte, war Erdogan erst einmal unterlegen. (W&V/dpa)