ICIJ:
Entlarvte Steueroasen: So viel Arbeit steckt hinter "Offshore Leaks"
Der NDR ist dabei, die "SZ" auch: Das gigantische Steueroasen-Netz wurde durch ein internationales Projekt von Datenjournalisten aufgedeckt.
Ende März hat die "Süddeutsche Zeitung" einen ersten Vorgeschmack darauf gegeben, was in diesen Tagen die Medien bewegt: die aufgedeckten Steuertricks der Superreichen. Damals berichtete das Blatt darüber, dass diverse Spuren nach Panama führten. Dort sollen auch bekannte deutsche Medienunternehmer Verbindungen gepflegt haben. Am Donnerstag nun wird auf breiter Basis das gigantische Steueroasen-Netz enthüllt. Die "SZ" kündigt gleich auf der Titelseite eine neue Serie zu den "Offshore Leaks" an und setzt zum Auftakt zum Rundumschlag gegen das "große schwarze Loch der Weltwirtschaft" an.
Dass eine anonyme Quelle Medien weltweit einen Datensatz mit 130.000 Personen zugänglich gemacht hat – unter anderem steht der verstorbene Gunter Sachs auf der Liste -, ist "Offshore Leaks" zu verdanken: ein Projekt von Datenjournalisten und internationalen Aktivisten. An der globalen Zusammenarbeit von Medien wirken in Deutschland die "Süddeutsche Zeitung" und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) mit. Insgesamt sind 86 Journalisten in 46 Ländern beteiligt, darunter "SZ"-Investigativ-Mann Hans Leyendecker. Er hat zu "Offshore Leaks" bereits Interviews gegeben.
"Das Projekt ist aus meiner Sicht ein Gegenentwurf zu WikiLeaks", erklärt der Datenjournalist Sebastian Mondial der Nachrichtenagentur "dpa". "Wir haben von vornherein versucht, Geheimhaltung und Quellenschutz nach vorn zu stellen." Mondial wurde im Februar 2012 als Experte für die Analyse großer Datenmengen eingeladen, an dem Enthüllungsprojekt der in Washington angesiedelten Initiative International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mitzuwirken.
Der Datenbestand, der vor über einem Jahr in die Hände der Enthüller gelangte, ist riesig: insgesamt 2,5 Millionen Dokumente wie E-Mails, PDF-Dateien, Tabellen oder Powerpoint-Präsentationen im Gesamtumfang von 260 Gigabyte. Laut Mondial hat niemand bisher in den Medien "jemals mit so großen Datenmengen gearbeitet". Mit Blick auf den Quellenschutz macht das ICIJ nur sehr allgemeine Angaben zur Herkunft der Daten: Sie "sind von Servern abgeschöpft worden, die über das Internet zugänglich waren", erklärt Mondial gegenüber "dpa". Die Anzahl von Kopien der Daten sei bewusst klein gehalten worden, die Daten selbst seien sicher verschlüsselt.
Während der ersten Prüfung der Daten haben die ICIJ-Experten zunächst geprüft, dass sie nicht einer raffinierten Fälschung aufgesessen sind. "Die zweite Phase begann dann nach der Entdeckung von zwei Datenbanken, die detaillierte Angaben enthielten, welche Offshore-Firmen mit welchen Personen verknüpft waren", erklärt Mondial. Daraufhin wurden weitere Medien einbezogen - mit dabei sind etwa "Le Monde" in Frankreich, der britische "Guardian", die BBC und die "Washington Post".
Offshore Leaks zeigt die Richtung auf, wie Qualitätsjournalismus in Zukunft funktioniert: vernetzt, kritisch, analytisch. Die Datenmenge sei 150 Mal größer als der Umfang der Botschaftsdepeschen von WikiLeaks, so Bastian Brinkmann von der "Süddeutschen Zeitung". Vor der journalistischen Recherche sei daher die Arbeit der Computer-Forensiker erforderlich gewesen. Die Arbeit an den Daten ist nach den ersten Veröffentlichungen vom Donnerstag nicht abgeschlossen: Mit dem Schwung der jetzigen Veröffentlichung wollen die beteiligten Journalisten die Recherchen weiter vorantreiben. So kommt nun die Deutsche Bank ins Visier: Nach Recherchen des NDR und der "SZ" hat die Großbank im Auftrag von Kunden allein über ihre Niederlassung in Singapur mehr als 300 Firmen und Trusts in Steuerparadiesen gründen lassen.
ps/dpa