Interview mit Bettina Bunge:
Dresden-Marketing in den Zeiten der Pegida
Bettina Bunge hat den vielleicht härtesten Marketing-Job Deutschlands. Als Chefin der kommunalen Dresden Marketing GmbH will sie für eine "weltoffene Stadt der Kreativen" werben. Tatsächlich bringt die Pegida-Bewegung Dresden weltweit in Verruf. Was tun? Ein Gespräch über Stadtmarketing in Zeiten der Image-Krise.
Die Pegida-Demos haben Dresden weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Für den Ruf als Touristenmetropole sind die "Abendspaziergänge" des islamkritischen Bündnisses ein Desaster, ebenso für das Renommee als Wirtschaftsstandort. Eine harte Nuss für die Vermarkter - das gibt Bettina Bunge, die Chefin der Dresden Marketing GmbH zu. Seit 2008 kümmern sie und 16 Mitarbeiter sich um die Werbung für Sachsens Metropole - und denken jetzt auch über eine veränderte Strategie nach.
Frau Bunge, Marketing für Dresden in normalen Zeiten: Welche Attraktionen streichen Sie da besonders heraus?
Wir setzen auf die Strategie, Stärken zu stärken. Durch eine Markenanalyse von 2010 wissen wir sehr genau, was den Markenkern Dresdens ausmacht, was die Menschen an unserer Stadt besonders schätzen: An erster Stelle stehen dabei die Schönheit und große Geschichte der Stadt, die Dynamik des Ortes sowie die umfassenden Kulturangebote.
Wie wirbt Dresden für sich? Welche Märkte spielen – speziell im Tourismus - die größte Rolle?
Wir werben seit 2014 erstmals mit drei unterschiedlichen Kampagnen: für das Reiseziel, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort sowie die Kongressstadt. In puncto Tourismus setzen wir auf Jahresthemenkampagnen. In diesem Jahr werben wir mit dem Slogan "Dresden. Umwerfend anders" für Dresden als weltoffene Stadt der Kreativen. Die meisten unserer Besucher kommen aus Deutschland, aus den USA sowie aus der Schweiz und Österreich.
Seit Anfang 2015 wirbt Dresden mit "Umwerfend anders". Die Kreation stammt von der Münchner Agentur Opium Effect.
Dresden als weltoffene Stadt – manche trauen diesem Anspruch nicht aufgrund der Pegida-Demos. Rechnen Sie mit negativen Folgen für das Image der Stadt? Gibt es bereits Reaktionen, auch auf die Anschlagswarnungen zu Beginn dieser Woche?
Ja, vor diesem Hintergrund erreichen uns Anfragen zu geplanten Dresden-Besuchen. Wir antworten, stellen die Situation klar und verweisen vor allem darauf, dass die Dresdner Bürger mit ihrer allgemein bekannten Gastfreundlichkeit die vielen Gäste aus dem In- und Ausland herzlich willkommen heißen. Bei uns sind bislang keine Rückmeldungen oder Fragen im Zusammenhang mit einer Anschlaggefahr eingegangen.
Natürlich haben wir uns auch nach Auswirkungen auf das Image von Dresden gefragt. Wir glauben, dass sich das Image einer starken Marke – und das ist Dresden – nicht von heute auf morgen verändert. Und wir glauben an diese Marke, weil sie eines ist: authentisch. Dresden wird von den vielen Besuchern aus dem In- und Ausland wegen der Schönheit der Stadt, der spannenden Geschichte und nicht zuletzt auch der großen Freundlichkeit der Dresdnerinnen und Dresdner geschätzt. So konnten wir in den letzten vier Jahren in Folge touristische Rekorde verzeichnen. Dresden auch in der aktuellen Situation als attraktives Reiseziel wie auch Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kongressstandort zu vermarkten, ist eine große Herausforderung und ein Balanceakt.
Wie reagiert die Stadtmarketing GmbH auf die aktuellen Ereignisse? Entwickelt man eine Strategie zum Gegensteuern?
Wir agieren zurzeit in zwei Richtungen: Wir kommunizieren auf der einen Seite Dresden auch weiter im Sinne des Markenkerns, also mit den Facetten, die für die Menschen aus dem In- und Ausland die Stadt attraktiv machen. Gleichzeitig werden wir Schwerpunkte neu setzen: So ist die Weltoffenheit Dresdens seit Jahren Bestandteil unserer Vermarktungsaktionen. Nun werden wir noch deutlicher als bislang die Aspekte darstellen, die Dresden zu einer offenen, toleranten Stadt machen: Über unsere Social-Media-Kanäle wie auch mit anderen Maßnahmen wollen wir Geschichten erzählen, Menschen vorstellen, die Vorbild sind für ein gelungenes Miteinander der Religionen, der Kulturen. Dabei wollen wir abbilden und zugleich anregen – zu Weltoffenheit und Toleranz.
Gerade in den sozialen Netzwerken wie Facebook werden die Artikel und Nachrichten über die Pegida-Demos oft geteilt. Wie wird Dresdens Stadtmarketing hier aktiv?
Die sozialen Netzwerke sind für uns generell eine zentrale Schlüsselstelle wenn es gilt, auf aktuelle Ereignisse zeitnah zu reagieren bzw. zu agieren, allen voran der von uns betreute offizielle Facebook-Auftritt der Landeshauptstadt Dresden und der Twitter-Kanal @DD_Marketing. Hier bieten wir selbst Themen und Informationen an und verfolgen zugleich die Diskussionen und Tendenzen in den Communities, um bei Bedarf darauf zu reagieren.
Dresden will 2025 Kulturhauptstadt Europas werden. Dafür die touristische Werbetrommel zu rühren dürfte angesichts von Pegida nicht einfach werden…
Gerade jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas! Denn mit dieser Bewerbung will die Stadt nicht einfach eine bloße Bestandsaufnahme machen, sondern einen Prozess in Gang bringen – auch und vor allem unter den Dresdner Bürgern. Der Kulturbegriff der Bewerbung ist daher sehr weit gefasst – umschließt die Geschichte der Stadt, die gesellschaftlichen und damit auch kulturellen Brüche und Veränderungen und vor allem natürlich die Fragestellungen einer künftigen Entwicklung einer europäischen Großstadt. Gesellschaftliches Zusammenleben und dessen Veränderungsprozesse sind somit genauso Teil der Stadtkultur wie Architektur und Entwicklung.