Dmexco: Online-Marketer erwarten neue Messgrößen
Kennzahlen im Wandel: Neue Entwicklungen wie Social Media und Werbenetzwerke im Internet verändern die Aussagekraft von Messgrößen. Ein Gastbeitrag von Patrick Ludolph, Solution Consultant bei Coremetrics.
Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) gab Ende Juli bekannt, ihre bisherige Reichweitenangabe umzustellen. Die viel diskutierte und als zu statisch kritisierte Messgröße Page Impressions wird ab 2010 nur noch als untergeordnete Metrik angeführt. Was dann zählt, ist die Metrik „Visit“ – die Anzahl der zusammenhängenden Nutzungsvorgänge einer Webseite. Auch der etablierte TKP (Tausender-Kontakt-Preis) für Online-Werbeträger scheint in seiner Akzeptanz bei den Werbekunden abzunehmen.
Dies verdeutlicht: Die Bedeutung der Kennzahlen hat sich grundlegend geändert. Eine maßgebliche Ursache dafür ist die stetige Weiterentwicklung des Internets, speziell die wachsende Bedeutung von Social Media, die zunehmende Verbreitung von Werbenetzwerken sowie neue technische Möglichkeiten wie Targeting in all seinen Spielarten (Behavioural Targeting, Regional Targeting, Predictive Targeting).
Die wichtigste Kennzahl? Kommt darauf an!
Oft werden Web-Analyse-Experten im Rahmen des Online-Marketings gefragt, welches die wichtigsten Kennzahlen im Web sind. Die Antwort lautet: „Das kommt darauf an.“ Entscheidend ist letztlich das Ziel eines Online-Angebots. Für einen Online-Shop, der möglichst viele Kaufabschlüsse generieren will, ist vor allem die Kaufrate interessant. Für ein Nachrichtenportal, das möglichst viele Leser an sich binden muss, um seine Attraktivität für Anzeigenkunden zu steigern, sind dagegen Unique Visitors, Besuchertreue und Verweildauer entscheidend.
Die einzige Konstante, die als Indikator sowohl für den Erfolg eines Online-Angebots als auch einer Online-Anzeige oder einer ganzen Online-Kampagne dienen kann, ist der Return on Investment (ROI). Vor allem im deutschen E-Commerce-Geschäft spielt die Ermittlung des ROI eine übergeordnete Rolle. Dies belegt eine Studie von Coremetrics, einem Anbieter digitaler Lösungen zur Marketingoptimierung.
90 Prozent der Deutschen Marketing-Entscheider haben 2008 den ROI von einzelnen Online-Marketing-Maßnahmen gemessen, 52 Prozent haben den Erfolg all ihrer Online-Aktivitäten gemessen. Der Grund für die Bedeutung des ROI liegt auf der Hand. Schließlich liefert der Abgleich von Investition und Gewinn aussagekräftige Informationen über die Effizienz und den Erfolg einer jeden Marketing-Maßnahme und ermöglicht so eine exaktere Budgetplanung und -kontrolle.
Infolge der technischen Weiterentwicklung des Internets haben sich allerdings auch die Parameter der ROI-Messung verändert. Während früher jeweils nur der letzte oder der erste Klick als Erfolgsbeitrag einer Werbemaßnahme an einem Kaufabschluss gewertet wurde, wird heute jeder einzelne Kundenkontakt (z.B. Öffnen einer Mail, Besuch der Webseite, Klick auf ein Google Adword) prozentual als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Konversionsziel (z.B. ein Kaufabschluss) gerechnet. Die Herausforderung liegt dabei in der Gewichtung der unterschiedlichen Schritte und in der Identifizierung des entscheidenden Key Performance Indicators (KPIs).
Neue Medien, neue Kennzahlen, neue Spielregeln
Längst sind zahlreiche Unternehmen in sozialen Netzwerken wie StudiVZ oder Facebook, auf Video-Plattformen wie YouTube oder mit eigenen Corporate Blogs oder Twitter-Accounts unterwegs. Dieser Social-Media-Boom hat die Aussagekraft vieler Web-Kennzahlen verändert – und sogar zusätzliche Indikatoren hervorgebracht. So lassen sich beispielsweise für Twitter die Zahl der Follower und Bezüge auf den eigenen Account (Referer) messen. Für die Bewertung von Weblogs wird die Anzahl der Kommentare und Abonnementen des RSS-Feeds ausgewertet. Bei Online-Videos kommt es darauf an, die Completion Rate, also die Anzahl der Nutzer, die das Video bis zum Schluss ansehen, oder die Interaktionen während des Abspielens zu ermitteln. Grundsätzlich gilt auch hier, dass der Wert einer jeden Kennzahl in Bezug auf das spezifische Ziel eines Blogs, eines Videos oder Twitter-Accounts gesetzt werden muss.
Darüber hinaus verändern die Charakteristika der neuen Medien auch die Aussagekraft der bisherigen Messgrößen. So hat die geringere Anzahl der Page Impressions auf einem Weblog weniger mit der Attraktivität der Inhalte zu tun als damit, dass ein Weblog absteigend nach Datum strukturiert ist und der Durchschnittsbesucher nur die aktuellsten Beiträge auf der Startseite betrachtet. Auch gibt die Verweildauer keineswegs Auskunft über die wirkliche Beschäftigung des Besuchers mit der Webseite, da zur Nutzung einer Blogseite meist keine weiteren Klicks auf andere Seiten notwendig sind. Ein anderes Beispiel ist das im Social Media weit verbreitete Programmierkonzept Ajax zur Erstellung von dynamischen Webseiten. Ajax bewirkt, dass Webseiten bestimmte Bestandteile nachladen, ohne dabei ein komplettes Nachladen der Seite und somit eine Page Impression auszulösen. Um dieser Verzerrung entgegenzuwirken, kann es sinnvoll sein, zusätzliche interaktive Events (z.B. das Schreiben eines Kommentars, das Beantworten einer Umfrage oder das Downloaden einer Datei) anstatt der Page Impressions zu erfassen, um den Interaktionsgrad des Users mit der Webseite genauer zu messen.
Sinkende Bedeutung der Page Impressions
Neben den sozialen Medien sind Werbenetzwerke ein zweiter folgenreicher Trend mit Auswirkungen auf die Bewertung von Messgrößen im Online-Werbegeschäft. Ein Paukenschlag kündigte sich Anfang September 2009 an: Die FAZ meldete, dass die vier großen Online-Vermarkter Gruner + Jahr, Tomorrow Focus, SevenOne Media (ProSiebenSat.1) und IP Deutschland (RTL) eine Kooperation schmieden, um den Online-Werberiesen Google vom Thron zu stoßen.
Die Reichweiten, die durch solche neuen Publishing-Giganten entstehen, erreichen schwindelerregende Größen. Doch statt die Preise aufgrund der höheren Reichweite zu steigern, bieten derartige Netzwerke teilweise sogar deutlich günstigere Werbekonditionen an, teils durch die Vergabe ungenutzer Werbeplätze, teils aufgrund des deutlich größeren Angebots an Werbefläche. Der Tausender-Kontakt-Preis und damit auch die Messgröße Impression verlieren dadurch deutlich an Wert im Online-Werbemarkt, was auch Auswirkungen auf die Anzeigenpreise der konkurrierenden Exklusiv-Vermarkter hat. Gleichzeitig beschleunigen die Werbenetzwerke den Bedeutungsverfall der Impressions indem der Großteil Performance-basiert abrechnet und somit Werbung mit Erfolgsgarantie anbietet (z.B. Cost-per-Sale oder Cost-per-Lead).
Damit sich das Geschäft lohnt und auch die Vermarkter nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben, setzt man bereits flächendeckend auf Targeting-Technologien. Dies bedeutet, dass Besucher einer Website Werbung zu sehen bekommen, die auf ihre persönlichen Interessen zugeschnitten sind. Als Basis hierfür dienen die Web-Analyse-Daten früherer Besuche innerhalb des Werbenetzwerkes. Vergleicht man eine solche gezielte Impression (targeted ad impression) mit einer zufälligen Impression, so ergibt sich auch hier eine andere Wertigkeit von ein- und derselben Kennzahl.
Online-Händler, -Vermarkter und -Medien müssen auf die Veränderungen reagieren, die technische Innovationen, Social Media und Werbenetzwerke mit sich bringen. Insbesondere müssen sie die Bedürfnisse des Nutzers in den Mittelpunkt ihrer Strategien stellen. Das Ziel lautet: relevante Werbung für individuelle Nutzer zur richtigen Zeit und über den richtigen Marketing-Kanal. Statische Kennzahlen wie die Impression, die im Grunde nur eine technische Anforderung von Webdaten für eine Webseite zählt, verlieren, isoliert betrachtet, zwangsläufig an Bedeutung. Aussagekräftige Kennzahlen müssen stärker als bisher an der Art der Medien und an der Zielsetzung der Online-Aktivitäten ausgerichtet werden und der aktiven Rolle des Nutzers im Web 2.0 Rechnung tragen.
Flexible Softwarelösungen für neue Herausforderungen
Um die Herausforderungen eines kundenzentrierten Online-Marketings und der komplexen Aufgabe einer validen Identifizierung und Bewertung von relevanten Analyse-Daten erfolgreich meistern zu können, bedarf es einer stringenten Strategie und möglichst flexibler Technologien zur individuellen Web-Analyse. Erst wenn klare Ziele für den Online-Auftritt und die einzelnen Marketing-Maßnahmen definiert sind, können relevante Kennzahlen und KPIs identifiziert und geprüft werden. Ist der Blick für die wesentlichen Zahlen und deren Gewichtung in Bezug auf das eigene Online-Geschäft geschärft, steht einer kontinuierlichen Optimierung der Marketing-Aktivitäten nichts mehr im Wege. Autor: Patrick Ludolph, Solution Consultant bei Coremetrics GmbH