Mitarbeiter bilden - und binden

Die Digitalisierung hält aber auch Lösungen für interne Prozesse parat. Letztlich spiegelt sich im Äußeren wieder, wie ein Unternehmen in seinem Innern tickt: Neue Technologien müssen daher gerade auch intern getestet und eingesetzt werden. Gut ein Drittel der 300.000 Bahn-Mitarbeiter haben bereits digitale Endgeräte zur Hand. Damit lässt sich einiges in die Wege leiten. Zum Beispiel die Installation der THOR-App, die Arbeiten wie das Entleeren der Zugtoiletten dokumentiert.

Klingt profan – ist aber eine große Hilfe für die Mitarbeiter: Servicekräfte von DB Services nehmen für jede Zugtoilette und das Bordbistro den aktuellen Status einfach per App auf und können die Informationen dadurch schnell weiterleiten. Solche kleinen Dinge wie die Klo-App treiben laut Bahn-Manager Kai Löbig die Digitalisierung voran: "Mit der App können die Mitarbeiter flexibler arbeiten - und immer schneller." Das kommt beim Kunden auch an: Seine Zufriedenheit mit den Services der Bahn steigt.

Das geht natürlich nicht ohne die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. "Wenn Unternehmen die Möglichkeiten der Digitalisierung in Betracht ziehen, ist das Thema Weiterbildung häufig nicht auf Platz Eins", sagt Sabine Schnorr, Senior Director Europe bei Rosetta Stone. Die Firma bietet onlinebasierte Sprachlernprogramme an.

Ein einfacher, aber effizienter Kniff: Weiterbildungsangebote ziehen junge Talente an. "Mitarbeiter möchten heute Individualität, Flexibilität und Selbstbestimmung", weiß die Managerin. Die moderne Weiterbildung sollte daher auf den Einzelnen eingehen. "Wie ist sein aktueller Wissensstand? Wie sind seine individuellen Voraussetzungen?" Digitale Plattformen können seine persönlichen Interessen und seinen beruflichen Hintergrund mit einbeziehen. Auch der Zeitraum und Module beim Lernen sind invidividuell auf den User zugeschnitten. So schafft man laut Schnorr "hohe Relevanz und schnelle Lernfortschritte, die Basis anhaltender Motivation".

Nur ein Beispiel: Unternehmen wie der Werkzeughersteller Hilti oder der IT Service Provider Konica Minolta agieren international und wollen ihre Mitarbeiter auf ein einheitliches Sprachniveau bringen. Mit klassischen Methoden wie Präsenztraining lässt sich das oft nur mit hohen Kosten und erheblichen Koordinationsaufwand umsetzen, gerade wenn es verschiedene Standorte betrifft. Auch den Fortschritt solcher Projekte zu messen, ist oftmals schwierig. Digital können Entwicklungsprozesse jedoch festgehalten und Optimierungspotenziale ausgeschöpft werden. 

Gut gekühlt dank Blockchain

Abseits von den bereits gewohnten digitalen Kanälen – von der Website bis hin zu Apps – tauchen immer wieder neue Technologien auf, von denen Unternehmen profitieren können. Wie die Blockchain in der Pharma-Branche: Dort fehlte es an einem verlässlichen und skalierbaren Monitoring der Temperatur. 

Der Logistik-Dienstleister Modum aus Zürich dafür eine Lösung entwickelt. Als Basis dienen die Blockchain und das Internet der Dinge: Um zu gewährleisten, dass die Medikamente beständig gekühlt sind, werden Sensoren eingesetzt und mit kryptografischen Chips versehen. Diese gewährleisten, dass alle Daten authentisch sind und mit ihrem Ursprung verknüpft sind. Daraus entstehen die smarten Verträge für jede einzelne Sendung. "Indem der Sensor ausgelesen wird, können wir die gesammelten Daten mit den Parametern im Smart Contract vergleichen. Ist die Quelle nicht korrekt oder wurde der Sensor verfälscht, können wir das darüber erkennen", erklärt Simon Dössegger, CEO von Modum.

Das Startup zeigt: Die Digitalisierung findet nicht nur Lösungen für bestehende Business-Modelle, sondern bringt auch völlig neue hervor. Dössegger formuliert es so: "Der größte Vorteil der Blockchain liegt darin, dass geprüfte Daten mit hoher Sicherheit behandelt werden. Das macht uns zu einem Vertrauenspartner von der ersten Sekunde an." Der zweitgrößte Vorteil ist für ihn die Automatisierung durch die Smart Contracts. Das bringt die notwendige Schnelligkeit: Im Wettbewerb ist das heute ein wichtiger Faktor.

Der Vertrieb im Netz beschert neue Vielfalt

Das Hamburger Startup Foodist hat sein Geschäftsmodell ebenfalls aus der Digitalisierung entwickelt. Als Pure Player ist es auf den Markt gekommen, um auf seiner Plattform neue Produkte im Lebensmittelbereich anzubieten. Weil es viele Hersteller von Chips bis Pasta gibt, aber die Regale von Edeka, Rewe und Co. endlich sind, gibt es online Bedarf. Nach dem Start vor sechs Jahren zählt das Unternehmen gut 50 Mitarbeiter und versendet jährlich mehr als 250.000 Pakete an Kunden. Einmal pro Monat erhalten sie als Abonnent der Foodist Box sechs bis acht Lebensmittel zum Probieren.
 
Ein Prinzip der Überraschung, das auch Händler wie Douglas mit der Beauty Box nutzen. Gründer Alexander Djordjevic setzt dabei gerne auf Manufakturen, die sich durch geschmacklich herausragende Produkte und besondere Sorgfalt bei der Herstellung auszeichnen: "Gerade solchen Qualitäts-Manufakturen fehlen oftmals die für die überregionale Vermarktung benötigen Ressourcen und das erforderliche Know-how."

Die Lieblingsprodukte aus jeder Foodist Box können dann in unserem Online-Shop nachbestellt werden. Übrigens: Der Online-Store ist über Crowdfunding überhaupt erst ins Leben gerufen worden. Nachdem Djordjevic und Ole Schaumberg für ihr Geschäftsmodell erfolglos nach Risikokapital-Gebern gesucht hatten, stellten sie ihre Idee auf Companisto. Die Crowdinvesting-Plattform spielte ihnen rund 1,5 Millionen Euro von 2.399 Investoren zu – genug Kapital, um ihr Business zu starten. Und: Dank Crowdfunding bestimmen die Konsumenten quasi selbst über ihre Lieblingsangebote.

Die Kundenzentriertheit ist damit der Schlüssel zur Digitalisierung. Für Commerzbank-Managerin Stolz liegt das klar auf der Hand. "Unternehmen, die am Kunden vorbei agieren, haben auf Dauer keinen Erfolg."

Was würde Amazon tun?

Dass Händler unter Amazon leiden, ist letztlich nicht die Schuld des Online-Retailers. Sondern der schlechte Kundenservice des Wettbewerbs. Dasselbe gilt für Uber, Netflix oder Airbnb. Sie alle haben einen Markt erschlossen, der etablierten Unternehmen zu anstrengend war - bei der Preisgestaltung, beim Service und bei der Flexibiltät. Das Gute ist: Aus diesen Beispielen lässt sich lernen. Schließlich kann jeder so agieren wie Amazon oder Uber – und den Kunden in den Fokus stellen.

Wenn es nicht gleich klappt, dann sollte man nicht gleich aufgeben, sondern weiter probieren.So hat es auch Stolz gemacht. Über die Datenlese hat die Marketingleiterin zugeschneiderte Kundenerlebnisse im Online-Banking entwickelt. Da steht dann etwa "Ihr Sparplan läuft im Juli aus – legen Sie die 888 Euro in einen Wertpapersplan an". Auf Klick gelangt man zur entsprechenden Microsite. Die personalisierte Online-Seite hat der Bank einen Uplift von zehn Prozent beschert. Ein Erfolg, der sich nur über die Digitalisierung eingestellt hat  – vorher hätte man die unterschiedlichen Bedürfnisse gar nicht entdeckt.

Die To-Do-Liste für mehr Customer Centricity

1. Dem Kunden zuhören

Oft gesagt, aber nicht immer umgesetzt: Um Geschäftsmodelle erfolgreich aufzusetzen, müssen sich Unternehmen in die Situation des Kunden hineinversetzen. Welche Bedürfnisse der Kunde haben könnte, weiß man heute über die Vielzahl an Daten und deren Analyse besser denn je. 

2. Technologien nutzen

Mobile Geräte, Apps, aber auch das Internet der Dinge und die Blockchain bieten den Unternehmen die Möglichkeit Produkte und Dienstleistungen miteinander zu vernetzen und die ausgetauschten Informationen zu dokumentieren – alles automatisiert.

3. Mitarbeiter mit digitalen Tools ausstatten

Ein Unternehmen kann die Digitalisierung nur dann bewältigen, wenn es auch seine Mitarbeiter mitnimmt. Sie können neue Technologien nicht nur vortesten, bevor sie auf den Markt kommen – sie können auch für die Optimierung interner Abläufe sorgen.

4. Partner suchen

Nicht jede Idee lässt sich umsetzen – zumindest nicht alleine. Über Kooperationen können jedoch völlig neue digitale Geschäftsmodelle entstehen, die Mehrwert für den Kunden erzeugen.


Autor: Irmela Schwab

ist Autorin bei W&V. Die studierte Germanistin interessiert sich besonders dafür, wie digitale Technologien Marketing und Medien verändern. Dazu reist sie regelmäßig in die USA und ist auf Events wie South by Southwest oder der CES anzutreffen. Zur Entspannung macht sie Yoga und geht an der Isar und in den Bergen spazieren.