Handelsblatt :
Die wahre Geschichte hinter Steingart-Gate
Ein Rausschmiss wegen eines Kommentars über Martin Schulz im Morning Briefing? Mitnichten. Hauptgrund für das Aus von Handelsblatt-Chef Gabor Steingart sind Konsolidierungspläne.
Was wurde in den vergangenen Tagen alles kolportiert über Gabor Steingart, den langjährigen Handelsblatt-Herausgeber. Nein, all die schweren Vorwürfe, die von "Erpressung" bis zu "Entgleisung" und "Zerwürfnis mit dem Verleger" reichten, wollen wir hier nicht vertiefen, das war böse Nachrede, Maledicere, wie der Lateiner sagt, das waren Gerüchte, die oft genug auch in der W&V-Redaktion gestreut wurden, um uns für gewisse Interessen zu instrumentalisieren.
Offiziell war anfangs davon die Rede, dass Gabor Steingart über sein meinungsstarkes Morning Briefing gestolpert sei, das eine umstrittene Perfekte-Mord-Metapher über Martin Schulz zum Thema hatte. Doch das ist nicht der wahre Grund.
In der Handelsblatt Media Group werden die Weichen neu gestellt. Um die Richtung vorzugeben, ist ein zweitägiges Strategie-Meeting mit allen Aufsichtsräten angesetzt worden. Im Vorfeld dieser wichtigen Tagung soll Dieter von Holtzbrinck nach W&V-Informationen seinen Führungskreis zusammengetrommelt haben, zu einer Vorbesprechung, bei der auch Gabor Steingart war. In dieser Besprechung muss Tacheles geredet worden sein. Aber einen Streit gab es nicht.
Sparkurs, den die Stuttgarter vorgeben wollen?
Es ging dort um den Kurs des Verlages, um die zukünftige Ausrichtung. Soll man in Richtung Expansion gehen? Das freilich ist für gewöhnlich Steingarts Position. Oder in Richtung Konsolidierung? Das soll - anscheinend völlig überraschend - die Meinung von Dieter von Holtzbrinck gewesen sein. Heißt: Es riecht nach einem Sparkurs, den die Stuttgarter hier vorgeben wollen.
Dass Gabor Steingart nicht der Typ ist, der gerne einen Konsolidierungskurs fährt, muss nicht erklärt werden. Steingart hat den Kopf immer voller Ideen. In Richtung Politik schwebte ihm noch etwas Publizistisches vor, aber auch in Richtung berufliches Netzwerk. Er wollte investieren. Er wollte säen, um später zu ernten. Heißt es in etwa aus vertraulichen Kreisen.
Die Entscheidung, sich zu trennen, kam völlig überraschend. Für Gabor Steingart anscheinend ebenso wie für sämtliche vertraute Mitarbeiter in der Chefetage. Dort heißt es hinter vorgehaltener Hand, das plötzliche Aus liege im Bereich des Irrationalen. Denn Dieter von Holtzbrinck und Gabor Steingart können extrem gut miteinander. Auch seit dem Ende am vergangenen Freitag gehen die Beiden völlig friedfertig miteinander um. Steingart habe von Holtzbrinck überfordert, heißt es im Zentrum der Macht, "vielleicht auch manchmal überfahren".
Von Holtzbrinck möchte die volle Kontrolle wieder übernehmen, mutmaßt ein Handelsblatt-Manager. Denn längst ist alles Steingart: der neue Hauptsitz der Handelsblatt Media Group, der vor wenigen Wochen an der Toulouser Allee 27 bezogen wurde, der Digitalkurs, der Handelsblatt-Club und, nicht zu vergessen, das hohe Tempo. Auch das ist Gabor Steingart, dem immer alles viel zu langsam ging.
Was macht Gabor Steingart künftig?
Jetzt wird es eine geordnete Übergabe geben. Steingart arbeitet noch an seinem Schreibtisch. Er nimmt sogar noch Termine wahr, etwa einen mit einem Großkunden im Bankenbereich. Entgegen den Gerüchten, die geschürt werden, sollen die Zahlen stimmen. Das, freilich, lässt sich momentan schwer überprüfen. Wieso dann der Konsolidierungskurs?
In der Handelsblatt-Gruppe herrscht momentan Wehmut. Bei den meisten Mitarbeitern. "Dem Haus wird Energie fehlen", heißt es. Natürlich hatte Steingart auch Feinde. "Steingott" nannten ihn böse Zungen. Doch so etwas hat ihn noch nie gestört.
Gabor Steingart polarisiert. Er gilt als Dampfmaschine, die sich ihren Weg bahnt. Er sprudelt nur so vor Ideen, er ist wie die Unruh einer Uhr. Was er in Zukunft machen wird? Sicher irgendwas mit Medien, mit Expansion – aber definitiv nichts mit Konsolidierung.