Peter Breuer über Testimonials:
Die hohe Kunst der Promi-Werbung
Ein bekanntes Gesicht in der Werbung einzusetzen, ist gleichermaßen verführerisch wie schwierig. W&V-Blogger Peter Breuer über grandiose Beispiele und sein persönliches Waterloo.
Ein bekanntes Gesicht in der Werbung einzusetzen, ist gleichermaßen verführerisch wie schwierig. Es gibt viele Kriterien, die zwischen Produkt und Prominenz abgeglichen werden müssen, um die eigentliche Währung, nämlich die eingekaufte Aufmerksamkeit, optimal in die Waagschale zu werfen. Ist der prominente Werbeträger aktuell im Gespräch? Neigt sie/er zu Eskapaden, die im Fall der Fälle die Marke beschädigen könnten? Wie glaubwürdig ist die Person und wie affin ist sie mit dem beworbenen Produkt?
Aber selbst wenn alles passt – es kann immer noch komplett in die Hose gehen. Wie es aussieht, wenn es wirklich gut funktioniert, sieht man gerade im Coke Zero-Spot mit Manuel Neuer, den die Berliner Agentur Plantage kreierte.
Der virale Spot, der ihn als Softwareprüfer im Büroambiente zeigt, hat ein sensationelles Gefühl für Timing. Nach zwei Minuten Spieldauer müsste eigentlich eine Brüller-Auflösung folgen, um für die Länge der Herleitung zu entschädigen, aber der Film kehrt das Prinzip der Fallhöhe einfach um: Jede einzelne Sekunde ist eine virtuose kleine Pointe und dem Hauptdarsteller wurde eine Rolle auf den Leib geschrieben, die er perfekt ausfüllt.
Die ohnehin beherrschte Stimme Manuel Neuers ist noch ein bisschen weiter heruntergepegelt, seine Gesichtszüge sind kontrolliert und er bewegt sich dezent durch die Bilder mit dem leichten Grauschleier und sagt so wunderbare Sachen wie "ich bin hier zufrieden in der Gruppe, ich mach das gerne" oder das holprige "ich bin jetzt jemand, der sich vielleicht eine Dreiviertelstunde gut konzentrieren kann, aber die letzte Viertelstunde, die pack ich manchmal nicht".
Dieser Spaß am Spiel zieht den Betrachter in den Spot hinein und die Besetzung des bekannten Gesichts, das eben nicht zur monströsen Lichtgestalt überzeichnet wird, schafft eine unmittelbare Teilhabe. Dass man Jürgen Klopp die Begeisterung für Opel Kleinwagen abkauft – ebenfalls ein gelungenes Beispiel für den Einsatz von Prominenten – liegt an seiner zupackenden Persönlichkeit. Der Typ funkelt einfach, bewegt sich gut und konnte in Höchstform sogar nach einem Ligaspiel aus dem Stegreif einen Comedian wie Matze Knop an die Wand spielen.
Die Gefahr von Promis auf Plakaten und in Spots lauert dann, wenn man sich als Betrachter sofort fragt: "Warum macht der Prominente das?" und die Antwort: "Für’s Geld natürlich!" so zwingend in der Luft liegt. Zur gestiegenen Medienkompetenz der Verbraucher gehört inzwischen auch der Zweifel daran, dass sich eine 18-Karat-Schönheit schnöde Supermarktseife auf den Waschlappen packt.
Nicht wirklich gelungen sind in diesem Zusammenhang auch die aktuellen Galeria-Kaufhof-Plakate, auf denen Einkaufsberater Wolfgang Joop eine knautschige Lederjacke trägt, deren Faltenwurf mehr an einen 70-jährigen erinnert, als der abgebildete Modeschöpfer, der irritierenderweise heute jünger aussieht als noch vor dreißig Jahren.
Hat man als Texter die Aufgabe, Prominenten längere Zitate in den Mund zu legen, die in Testimonial-Anzeigen oder Kundenzeitschriften erscheinen, bleibt alles gefahrlos – man liest sich in den realen Sprachduktus der betreffenden Person ein und überlegt, ob die- oder derjenige diese Aussage oder Haltung tatsächlich so treffen würde.
Im Zweifelsfall gibt es ein Management, das sich freut, wenn das Gesagte ansprechend und recht intelligent klingt. Schwieriger wird es, den On-Sprechertext einer längeren Videoproduktion zu texten – erst recht, wenn man den Protagonisten noch nie persönlich getroffen hat und wenig über sie oder ihn weiß.
Mein persönliches Waterloo erlebte ich dabei mit einem Prominenten, der deutlich mehr Rampensau war, als ich mir aufgrund meines Vorab-Videostudiums hätte vorstellen können. Während in einer Live-Sendung auch unsaubere Halbsätze lebhaft wirken und schnoddriges Genuschel sogar sympathisch, betont die Studiosituation ohne Publikum jeden Satz doppelt – ein Fiasko, wenn der Prominente kein Schauspieler ist und dennoch versucht, seinen Text während des Sprechens noch lustiger zu machen. Was in etwa so gut funktioniert wie bei Leuten, die einen Witz durch den Austausch der Pointe verbessern wollen. Ich möchte nicht darüber sprechen...
Nicht umsonst kommt deshalb wahrscheinlich mein Allzeit-Favorit der Werbung mit Promis ganz ohne Text aus. Es ist der 21 Jahre alte Spot für das Peugeot 306 Cabrio, den Euro RSCG auf einem Salzsee drehen ließ. Dort war nicht nur das Licht gut, es war auch genug Platz, um Ray Charles das Auto lenken zu lassen. Zu Hoagy Carmichaels "Georgia on My Mind", natürlich in der bekannten Version des wunderbaren blinden Fahrers.