Agentur-Sterben:
Die Vertikom-Gruppe kämpft ums Überleben
Die Nürnberger Vertikom-Gruppe kämpft im Rahmen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens um ihre Zukunft. Mehrere hundert Mitarbeiter stehen vor dem Arbeitsplatzverlust. Gesellschafter ASM hält sich bedeckt.
Viele Jahre lang ging es für die Sales-orientierte Vertikom, die einst als Dialogfeld firmierte, nur in eine Richtung: aufwärts. Doch seit Anfang November 2020 steckt die Gruppe, die 2018 noch mehr als 650 Mitarbeiter in der DACH-Region beschäftigte, in einem vorläufigen Insolvenzverfahren. Betroffen sind offenbar alle Firmen der Gruppe. Der beauftragte Insolvenzverwalter ist Frank Schmitt von der Kanzlei Schultze & Braun in Frankfurt. CEO Gert Pieplow-Scholl hat das Unternehmen bereits verlassen. Bereits seit Ende Juni ist Niels Schiff nicht mehr Geschäftsführer. Ende Oktober wurde Szymon Karol Pikula, zugleich Aufsichtsrat bei der Mutter-Holding ASM, zum Geschäftsführer bestellt.
Doch wie ist es dazu gekommen? Dem Vernehmen nach kamen mehrere Faktoren zusammen. So verlor die Gruppe im Frühjahr dieses Jahres ihren Großkunden Samsung, mit dem sie einen beträchtlichen Teil des Umsatzes machte. Wenig später legte der Lockdown etliche Teile der Gruppe lahm. Daraufhin versuchte das Unternehmen, das im W&V-Ranking 2018 der größten inhabergeführten Agenturen mit einem Umsatz von 63,48 Millionen Euro Platz vier belegte, staatliche Unterstützungstöpfe anzuzapfen, heißt es. Allerdings ohne großen Erfolg. Daraufhin soll das Management mit Unterstützung von Roland Berger größere Restrukturierungen geplant haben, die aber nicht mehr umgesetzt werden konnten. Erschwerend kam hinzu: Auch die Unterstützung durch den polnischen Hauptaktionär soll weitgehend ausgeblieben sein.
Der Verkauf an ASM brachte Vertikom nicht voran
Im Juni 2018 hatte Vertikom die Mehrheit an die polnische ASM verkauft. ASM ist eine börsennotierte Gruppe mit Sitz in Warschau. Deren Firmen decken Felder wie Verkaufsförderung, Beratung und Outsourcing, Merchandising, Feldmarketing, Produktpräsentation und Marktforschung ab. Für Vertikom waren die Polen vor allem ein strategisch wichtiger Partner, der den Zugang zu Osteuropa und zu Italien erleichtern sollte. Ein Jahr später war allerdings von einer Aufbruchsstimmung nur mehr wenig zu spüren. Von einer umfassenden Zusammenarbeit konnte nicht die Rede sein.
Das bestätigte auch Pieplow-Scholl gegenüber dem Branchendienst "Kontakter". Offenbar lief schon damals das Geschäft nicht mehr richtig rund. Daher sah sich die Gruppe gezwungen, schlanker zu werden. Es hieß, man wolle sich aufs Kerngeschäft "Sales-Kommunikation und -unterstützung" konzentrieren. So wurden Büros zusammengefasst, darunter in Hamburg und in Nürnberg, bei Vitamin E gab es einen Management-Buy-out (Hotelgeschäft) und auch das PR-Angebot wurde eingestampft. 2020 schließlich ließ Vertikom die Tochter "Pop Up My Brand" insolvent gehen. Sie wurde als "That‘s Retail" neu gegründet. Mit an Bord: Dialogfeld-Gründer und Ex-Vertikom-Chairman Oliver Walter.
Ob und wie es weitergeht mit Vertikom, die sich einst vorgenommen hatte, die größte europäische Agentur mit Fokus Vertrieb/Sales zu werden, werden die kommenden Wochen zeigen. Aber es dürfte alles andere als leicht sein, für die Restgruppe einen Käufer zu finden - sofern ASM überhaupt gewillt ist, ihre Anteile zu verkaufen.