Ute Maria Zankl:
Die Quote ist ein Katalysator, aber nicht genug
Mit dem heute verabschiedeten Gesetz zur Frauenquote ist ein "historischer Schritt" vollzogen, so Ministerin Manuela Schwesig. Ute Maria Zankl, Director People Strategy Sapient Nitro, begrüßt das Gesetz, da sich nur so verkrustete Strukturen aufbrechen lassen. Aus ihrer Sicht kann die Quote ein Segen sein - allerdings müssen dazu auch die Bedingungen in den Unternehmen stimmen. Worauf es ihr dabei ankommt ...
Mit dem heute verabschiedeten Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräte und - in abgemilderter Form - im Management ist ein "historischer Schritt" vollzogen, so Ministerin Manuela Schwesig. Ute Maria Zankl, Director People Strategy Sapient Nitro, begrüßt das Gesetz, da sich nur so verkrustete Strukturen aufbrechen lassen. Aus ihrer Sicht kann die Quote ein Segen sein - allerdings müssen dazu auch die Bedingungen in den Unternehmen stimmen. Worauf es ihr dabei ankommt:
Frauenrechte und die Gleichbezahlung von Frauen und Männern haben es kürzlich sogar bis zur Oscar-Verleihung geschafft: So forderte Patricia Arquette bei ihrer Dankesrede für die Auszeichnung als beste Nebendarstellerin gleiche Löhne und gleiche Rechte für Frauen in den USA. Hierzulande ist die Diskussion um die Frauenförderung weniger glamourös, aber ebenfalls hoch aktuell. Denn ab 2016 wird eine Quote in Deutschland eingeführt, die einen Frauenanteil von 30 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen und öffentlicher Unternehmen vorsieht.
Diese Quotenregelung ist in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft nach wie vor heftig umstritten. Warum eigentlich? Es gibt gute Beispiele – vor allem in Schweden – die zeigen, dass eine Quote zu einer erfolgreichen Teilhabe von Frauen an Führungspositionen geführt hat. In Deutschland gab es bislang nur eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft, Frauen in Führungspositionen zu etablieren. Und diese hat in den letzten zwölf Jahren nichts gebracht.
Eine verpflichtende Quote in Deutschland wird Impulse geben und eine tatsächliche Veränderung für Frauen herbeiführen. Denn es ist Ausdruck des gesunden Menschenverstandes, dass verkrustete Systeme und Strukturen nur durch Druck von außen verändert werden können.
Unternehmen müssen investieren
Personalmanager wissen, dass der Aufstieg in einem Unternehmen immer von drei Komponenten abhängig ist: vom Leistungsvermögen, dem eigenen Wollen und der Gelegenheit. Ohne Gelegenheit gelingt keine Karriere. Und die angestrebte Quote eröffnet eben solche Gelegenheiten. Sie kann also ein Segen sein – vorausgesetzt, bestimmte Bedingungen werden erfüllt.
Eine Bedingung besteht darin, dass Unternehmen in die Vorbereitung von aufstiegswilligen Frauen investieren. Denn ohne dieses kann die Quote Nebenwirkungen haben: Wenn Frauen mehr oder wenig widerwillig und nur um einer Kennzahl Genüge zu tun, in Positionen gebracht werden, auf die sie nicht vorbereitet sind, werden sie scheitern. Und mit diesem Scheitern wird sich die Meinung zementieren, dass Frauen in der Regel für Führungsaufgaben nicht geeignet seien – gleich wie viele Männer zuvor bereits erfolglos waren.
Der Skandal: Frauen als Notnagel
Doch warum sollten Unternehmen und Agenturen Frauen fördern? Eine Begründung postuliert, dass es schlicht ungerecht ist, gut ausgebildete Frauen nicht entsprechend ihrer Qualitäten zu fördern und in Führungspositionen zu etablieren. Das ist richtig, aber Wirtschaft funktioniert nicht auf der Basis, vermeintlich armen, benachteiligten Geschöpfen unter die Arme zu greifen, sondern auf der Basis der geschäftlichen Sinnhaftigkeit eines Vorhabens.
Eine weitere, allgemein akzeptierte Begründung für eine stärkere Förderung von Frauen ist der Fachkräftemangel. Tatsächlich ist dies der eigentliche Skandal in dieser Diskussion: Frauen werden häufig nur als Ersatzpool oder Notnagel gesehen, weil sonst nicht genügend Fachkräfte vorhanden sind. Hatten wir das nicht schon mal – nach dem 2. Weltkrieg – als Frauen bewiesen haben, dass sie ihren Mann in allem möglichen Berufen stehen können und nach Beendigung der Krise sang- und klanglos ins zweite Glied zurücktraten?
Frauenförderung als betriebswirtschaftliche Notwendigkeit
Wenn Unternehmen erkennen, dass Frauen eine auch wirtschaftliche Bereicherung sind, wird der Ruf nach der Frauenquote automatisch nicht mehr belächelt werden. Bei Sapient Nitro sehen wir es als eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, Frauen einzustellen und den Aufstieg durchlässig zu machen. Ursprünglich war die Anzahl der Frauen auf einem sehr niedrigen Level. Daher haben wir uns für Recruiting, Mitarbeiterbindung und für bestimmte Meilensteine wie Beförderungen Ziele gesetzt und prüfen jährlich unser Gehaltsgefüge auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Eines unserer Programme hat uns im letzten Jahr einen Award für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschert. Zudem bietet wir den Mitarbeiterinnen über unser globales ‚Women‘s Leadership Network’ Mentoring, Coaching und Networking an. Bei Sapient Nitro ist Frauenförderung kein kurzfristiges Heilmittel, sondern eine mittelfristige Zielsetzung, bei der wir die Nadel von Jahr zu Jahr ein wenig mehr in die richtige Richtung verschieben.
Warum ist das wichtig?
Studien zufolge treffen Frauen 70 bis 80 Prozent aller Kaufentscheidungen des privaten Konsums. Für Agenturen wäre es daher eine vergebene Chance, die Projekte für deren Kunden nicht durch die Perspektive von Frauen zu bereichern. Das gilt nicht nur für die als typisch weiblich geltende Branchen wie Mode, Kosmetik oder Bücher, sondern auch für Investitionsgüter wie Autos oder Immobilien.
Zudem entscheiden auf Kundenseite immer mehr Frauen über die Budgets. Agenturen, die mit reinen Männerteams in Pitch-Präsentationen gehen, werden hier das Nachsehen haben.
Und in soziologischen Forschungen ist es unbestritten, dass diverse Teams höhere Leistungen erbringen können als homogene. Von diversen Teams sprechen wir, wenn Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe, verschiedenen Alters, fachlicher Spezialisierungen und beider Geschlechter zusammenarbeiten.
Umdenken ist notwendig
Als Voraussetzung für eine bessere Frauenförderung werden automatisch immer die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Teilzeitmöglichkeiten und Kitaplätze genannt – und natürlich gleicher Lohn für vergleichbare Positionen.
Das alles ist richtig, aber ein viel wichtigerer Aspekt wird oftmals vergessen: Ein Umdenken muss stattfinden, damit unterschiedliche Führungsstile und Kommunikationsformen nicht als negativ, sondern als bereichernd verstanden werden.
Gleichzeitig müssen Frauen in den Genuss von Führungskräfte-Entwicklung, Coaching und Mentoring kommen. Und: Sie müssen sich klar werden, ob sie den Aufstieg mit allen Unwägbarkeiten und Risiken auch wirklich wollen und sich mutig der Herausforderung stellen. Wenn dieses Umdenken durch die Frauenquote angestoßen wird, wenn Unternehmen Frauen auf ihre neue Rolle vorbereiten und ihre wirtschaftliche Bedeutung erkennen, dann wird die Quote ein Katalysator für eine größere Teilhabe von Frauen werden.