Chucks:
Die Marke Converse: "Könnte man einen Schuh heiraten, dann diesen"
James Dean hat sie getragen, Mick Jagger in ihnen geheiratet, Avril Lavigne sammelt sie und Nike verdient eine Menge Geld damit: Schuhe von Converse. Markenschau-Blogger Heiko Kunzmann über eine scheinbar unverwüstliche und ewig junge Marke.
Alle 43 Sekunden soll irgendwo auf der Welt ein "Chuck Taylor"-Paar über den Ladentisch gehen: Schuhe, modisch gesehen knapp 100 Jahre alt, im Design fast unverändert. Wer so einen Oldie heute noch reißend loskriegt, muss ein starkes Image haben – oder ein absolut praktisches Produkt. Auf die US-Marke Converse trifft wohl beides zu. Ihr Klassiker Chuck Taylor All Star und andere Schuhmodelle sind Lifestyle-Ikonen, leicht zu tragen, zu allem passend, maschinenwäschegeprüft. Dazu eine Werbestrategie, die statt des Produkts gern andere in den Vordergrund rückt: Welche Schuhfirma leistet sich schon ein eigenes Tonstudio?
James Dean hat sie getragen, Mick Jagger in ihnen geheiratet, bei Avril Lavigne stapeln sich Hunderte Paare. Dabei wirken die meisten Schuhe von Converse eher schlicht und so gar nicht für Promifüße gemacht. Zwei Drittel aller Amerikaner haben oder hatten mindestens ein Paar mit dem fünfzackigen Stern drauf, auch in Deutschland dürften es eine Menge sein. Wie viele Schuhe Converse insgesamt schon verkauft hat, kann auch Angelika Lübben nur schätzen: "Es müssen Hunderte Millionen sein". Sie ist Brand Communication- und PR-Managerin bei der ALL STAR D.A.CH. GmbH in Neuss, dem hiesigen Lizenznehmer für Converse.
1908 bereits entstanden in Massachussetts in einer Fabrik die Schuhe, die für viele heute einfach die "Chucks" sind. Der Schuhfabrikant Marquis Mills Converse, ein Manager in den Mittdreißigern, ließ in der Converse Rubber Shoe Company zunächst Winterschuhwerk herstellen. Ab 1917 schwenkte er um auf Basketball-Schuhe - das Modell "Converse All Star" war geboren. Bald mischte die damalige Ballsport-Legende Charles "Chuck" Taylor die Firma auf, und sein Schriftzug zierte das "All Star"-Label. Rasend schnell entwickelte sich Converse zum Sportschuh-Pionier, schaffte den Sprung in die Alltagsmode und gehörte zum "American Way of Life" wie Cola und Jeans. Die Ramones machten die Sneakers Punk-tauglich, Green Day traten in ihnen auf, auch Surfer und Skater ziehen sich Converse gern über – der leichte, sportive Schuh hat seine Freunde überall. In den 1970ern dann gehen die Verkäufe nach unten, neue und billigere Konkurrenz rückte an. Mittlerweile gehört das Unternehmen zum Nike-Konzern, ist wieder gut im Geschäft und hat sich sein starkes Image bewahrt.
"Converse war und ist die Marke der Rebellen", versucht Angelika Lübben das Geheimnis des ewig jungen Kleidungsstücks zu erklären. "Chuck Taylor", der schwarz-weiße Klassiker der Company, passt sich mit seinem zeitlosen Design stets an. Dazu könne jeder seinen eigenen Modestil entwickeln, meint Lübben: "Wir wollen die Leute animieren, dass sie aktiv werden". Genau so geht Converse auch Werbung an: Street Art-Sponsering, Musikwettbewerbe, Kampagnen – Hauptsache frisch und kreativ. So können sich bei den "Rubber Tracks" junge Bands um eine Studioaufnahme bewerben – in seiner Heimat hat Converse übrigens sogar eigene Tonstudios.
Für eine November-Partyreihe in München ließ die Schuhfirma mehreren Guerilla Art-Künstlern freien Lauf: Heraus kamen eingestrickte Bäume, bemützte Straßenpoller oder Winter-Graffitis mit dem Partyslogan "Get winterized". Größtes Spektakel 2013 in Deutschland war "CONS Space" in Berlin: Zwei Wochen im Oktober mit Konzerten, Kunst-Workshops und Skateboard-Ausstellungen. Durch die engen Bindungen zur Musik- und Skaterszene sowie zur Streetstyle-Kunst lädt die Marke ihr starkes Image immer wieder auf. Organisiert werde sowas zusammen mit Künstlern und Kreativagenturen, erzählt Angelika Lübben. "Wir holen immer wieder neue Macher mit frischen Ideen ins Boot, arbeiten aber gern auch mit bewährten Agenturen zusammen". Dazu zählen etwa Zeitklang Event, Schröder+Schömbs PR aus Berlin, die "CONS Space" mit organisierten und die Pressearbeit managen, oder die Dresdner Agentur Cromatics.
Der Rebellenschuh wirbt auch klassisch für sich: In Printmagazinen mit starkem Modeteil - "Maxi", "InStyle" oder "GQ" – , Musiktiteln wie "Visions" oder "Intro" beziehungsweise Sneaker- und Indie-Szenemags. Auch Außenwerbung bucht das US-Label, bei Bewegtbild setzt man ganz auf Kino. Die Kampagnen selbst werden zwecks einheitlichem Auftreten stets aus dem Mutterland übernommen, erklärt Angelika Lübben, doch jeder Markt habe gewisse Freiheiten beim Anpassen der US-Kampagnen. Derzeitiges Motto: "Shoes are boring, wear Sneakers".
Converse bringt pro Jahr zwei Haupt- und zwei Nebenkollektionen heraus. Hunderte Modelle sind’s mittlerweile, mit am besten verkaufen sich die der "Pro Leather"- und der "Jack Purcell"-Reihe. Stärkstes Zugpferd ist und bleibt aber der "Chuck Taylor All Star". "Könnte man einen Schuh heiraten, dann wäre es dieser" – so und ähnlich gibt es reihenweise Kommentare auf Internet-Portalen, Schelte findet sich da kaum.
Kritischer sind da Produkttester in puncto Umweltfreundlichkeit: So fand "Ökotest" 2010 bei einer Untersuchung von 15 Damensneakers-Paaren in allen Produkten bedenkliche Inhaltsstoffe. Auf der Website rankabrand.de, die Firmen auf Nachhaltigkeit prüft, rangiert Converse im Mittelfeld. Demnach achtet der Schuhproduzent beispielsweise darauf, dass die Schuhe kein PVC enthalten und versucht, die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben zu verbessern. Converse erhält die Gesamtnote "C" und liegt damit hinter Timberland und Veja, jedoch vor Birkenstock, Ecco und K-Swiss.