
Interview mit Sven Schnee:
Designmarke Gaggenau: Die Küche als Luxuswelt
Kein Witz: In einer Gaggenau-Küche wärmt man kein Essen auf, man regeneriert Mahlzeiten. Gaggenau ist zwar längst Teil der großen Bosch-Siemens-Hausgerätefamilie, wird aber als einsame Luxusmarke inszeniert. Was steckt dahinter? Ein Interview mit Marketingchef Sven Schnee über ganz besondere Küchen.
Innerhalb der Bosch und Siemens Hausgeräte Gruppe nimmt die Marke Gaggenau eine Sonderstellung ein: als Luxusschmiede für Küchengeräte, mit denen man das Gratin vom Vortag nicht schlicht aufwärmt, sondern regeneriert. Markenchef Sven Schnee über Werte und Zielgruppen.
Herr Schnee, wie viele Gaggenau-Küchen gibt es eigentlich in Gaggenau?
Da bin ich, ehrlich gestanden, überfragt. Unsere Marke hat ihren Sitz mittlerweile in München, am Standort der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte Gruppe, die Gaggenau 1995 übernahm. Die Keimzelle aber liegt in der gleichnamigen Stadt am Mittleren Oberrhein, wo ein Markgraf das Unternehmen vor 330 Jahren gründete. Da wir als Luxusmarke aufgestellt sind, nehme ich jedoch nicht an, dass jeder Gaggenauer in seiner Küche Gaggenau-Geräte hat.
Wir vermuten: Eine Luxusmarke ist teuer. Noch was?
Luxus entsteht aus der Geradlinigkeit des Weges, den man beschreitet. Gaggenau gilt nicht ohne Grund als Innovationsführer in Technologie und Design made in Germany. Wir fertigen von Hand und in kleinen Stückzahlen, pro Jahr verkaufen wir nicht mehr als 25.000 Küchen. Funktionalität und klare Formensprache sind grundlegende Attribute der Geräte, und das seit jeher. Diese Geschichte verschafft der Marke Relevanz und Begehrlichkeit. "Der Unterschied heißt Gaggenau“, lautet unser Claim, und das fasst unseren Anspruch, denke ich, gut zusammen. Gaggenau ist außergewöhnlich, kompromisslos, echt.
Zu diesem Anspruch gehört auch, dass Gaggenaus Dampfbackofen das Gratin vom Vortag nicht aufwärmt, sondern regeneriert?
Irre ich mich, oder ist Ihrem Unterton zu entnehmen: Sie halten das für Wortklauberei. Glauben Sie mir, ist es nicht. Man schmeckt den Unterschied, wenn man ein Gratin schonend mit Dampf regeneriert, statt es in der Mikrowelle zu martern.
Dauert wahrscheinlich auch länger. Hat der typische Gaggenau-Kunde mehr Zeit als Otto Normalverbraucher?
Vielleicht nimmt er sie sich einfach. Den typischen Gaggenau-Kunden gibt es im übrigen gar nicht. Das sind Werber und Banker, Lehrer und Künstler, sogar Journalisten.
W&V-Redakteure?
Nicht auszuschließen. Manche müssen halt einige Zeit auf ein Gaggenau-Gerät sparen. Was unsere Kunden verbindet, ist ein Sinn fürs Kultivierte: für exklusive Kochkultur und Lebensart.
Also doch keine W&V-Redakteure. Unter der Überschrift "Essays zu Kultur und Lebensart" findet sich seit gut einem halben Jahr eine opulent gestaltete Rubrik auf Ihrer Website. Eine gehobene Spielart des Kundenfangs?
Die Essays sind mehr als eine Rubrik, sie sind die Wirbelsäule unseres Internetauftritts. In ihnen vereinen sich die Themenstränge Kochkultur und Lebensart, die unseren Anspruch und den unserer Leser widerspiegeln. Das ist nicht werblich angelegt im Sinne eines auf Abverkauf zielenden Content Marketing. In den Essays findet sich kaum einmal ein direkter Bezug zu unserer Produktwelt. Vielmehr wollen wir unsere Markenwerte fühlbar machen in Geschichten, die wir erzählen, auch in Bildergalerien und Videoreportagen, ob wir uns nun spektakulären Museumsneubauten widmen oder der italienischen Winzerin Elisabetta Foradori, die Wein in Amphoren aus Ton anbaut. Wir wissen aus Analysen: Unsere Kunden erwarten, dass wir sie als Kenner behandeln und akzeptieren. Das verträgt sich nicht mit plumper Marktschreierei.
Verbannt haben Sie Gaggenaus Produktwelt aber nicht von der Website.
Das Publikum, das unsere Website besucht, kommt vorrangig über die Produkte. Gaggenau ist ja nun auch keine Essayisten-Marke, sondern Hersteller hochwertiger Küchengeräte. In den USA etwa sind es vor allem unsere Kühlschränke, die Interessierte anziehen, in Asien eher Belüftungssysteme und Kochfelder und in Europa die Backöfen. Neben den einzelnen Geräten platzieren wir vielfach Tipps, welcher Essay dem Besucher zusagen könnte. Die Essays stehen in mehr als zwei Dutzend Sprachversionen zur Verfügung. Seit dem Relaunch Ende 2012 ist Gaggenau auch erstmals mit einer Website für den chinesischen Markt präsent.
Gibt es denn auch chinesische Bedienungsanleitungen für Gaggenau-Innovationen wie den Induktions-Wok?
Die gibt es. Und wer sich mit Bedienungsanleitungen generell schwertut, dem helfen wir gern vor Ort mit einer Einweisung in die Gerätefunktionen durch einen Profikoch. Wenn Sie sich für einen unserer Dampfbacköfen entscheiden, ist das sogar im Preis enthalten.