Modo & Modo:
Design plus Content Marketing: Die Moleskine-Geschichte
Eigentlich ist Moleskine nur Papier, eingebunden in beschichteten Karton, drumherum ein Gummiband. Aber die Strategie, mit der das Notizbuch für Kreative vermarktet wird, ist Storytelling der Extraklasse. W&V-Blogger Heiko Kunzmann über eine erfolgreich wachsende Markenfamilie.
Eigentlich ist es ja nur Papier, eingebunden in beschichteten Karton, drumherum ein Gummiband. Für viele Kreative – oder solche, die es sein wollen – ist es jedoch das Nonplusultra-Notizbuch: Moleskine. Kaum eine Papierwarenfirma hat solch ein starkes Image, das mit Namen wie Hemingway und Picasso spielt und um das herum ein regelrechter Hype mit mehreren Fanblogs gewachsen ist. Werbung? Vollkommen unnötig, trotz Cloud-Zeitalter verkauft sich die analoge Kritzelkladde wie geschnitten Brot.
Schon die Firmenstory klingt wie eine Geschichte, die vielleicht ein Moleskine-Jünger in einer kreativen Stunde in sein Heft geschrieben haben könnte. Mitte der 1980er Jahre erzählt der Schriftsteller Bruce Chatwin in seinem Buch "Traumpfade" über einen Pariser Schreibwarenhändler, der tief betrübt ist über das Ende eines kleinen Familienbetriebs, der Notizbücher herstellt. "Das wahre Moleskine gibt es nicht mehr", lässt Chatwin ihn rufen. Kariert, mit Gummiband und in Samtschwarz eingebunden – so beschreibt der Reiseschriftsteller die für ihn praktischen Begleiter.
All das war Fiktion. Doch gut zehn Jahre darauf, 1997, macht ein kleines Mailänder Unternehmen daraus Realität. Die Firma Modo & Modo lässt den Namen "Moleskine" schützen und produziert Kladden, die der aus Chatwins Buch ähneln. Man habe sich beim Entwurf an berühmten Notizbüchern orientiert, erzählte die Chefentwicklerin später gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".
Künstlergrößen wie Picasso oder Hemingway sollen Hefte im Moleskine-Style geliebt haben. "Unsere Notizbücher sind funktional", erklärt Maria Sebregondi, Director of Brand and Communication. "Sie sind einfach gestaltet, haben durch ihre abgerundeten Ecken ein geschmeidiges Design, und in der Falttasche am Buchende ist Platz etwa für Gutscheine und Schecks", beschreibt die Kommunikationschefin. Abgestimmt also auf die kreativen Nomaden, Schriftsteller, Künstler – das Klientel, bei dem Moleskine seine Ursprünge sieht.
Schnörkellos und zurückhaltend wie die Notizbücher sollen auch die anderen Produkte gestaltet sein: Seit 2011 hat die Mailänder Firma beispielsweise auch Kugelschreiber, Ordner oder Taschen im Sortiment. "Während andere Hersteller mit ihren Taschen selbst Mode machen wollen, sehen wir diese lediglich als einen Behälter für die persönlichen Gegenstände unserer Kunden, die selbst kreativ werden", erklärt Sebregondi den Gestaltungsgedanken. "Wir wollen ein Low Profile Design, das nicht einengt." Entwickelt werden die meisten Produkte im eigenen Haus, hin und wieder gebe es externe Kooperationen.
Von Anfang an sagten die Moleskine-Erfinder beim Thema Werbung Nein, verkauften nur in ausgewählten Geschäften und ließen das simple Karobüchlein einiges kosten. Doch dem Kult tut das keinen Abbruch. "Magnolia", "Der talentierte Mr. Ripley", "Die fabelhafte Welt der Amelie", "Der Teufel trägt Prada" – allein schon wegen all seiner Filmauftritte dürfte Moleskine wohl das weltberühmteste Notizbuch sein. In Asien mache man hin und wieder Werbung, auch in Fachzeitschriften, erzählt Maria Sebregondi, ansonsten verzichte man bislang darauf. Google und Facebook seien starke Tools für die Kommunikation. Allein auf der Zuckerberg-Plattform verfolgen mehr als 200.000 Fans, was sich bei der Mailänder Firma so tut. Viele geben einen Einblick in ihre Notizbücher, posten Fotos mit Aquarellen oder Bleistift-Skizzen oder schwärmen von der Qualität des chlorfreien Papiers. Beschwerden, etwa über langwierige Bearbeitung von Reklamationen, liest man nur wenige. Und mit Blogs wie fuckyeahmoleskines.tumblr.com, moleskine-exchange.blogspot.de oder moleskinelovers.tumblr.com schaffen sich Moleskine-Fans ihr eigenes kleines Universum. Den Kult befeuern Sondereditionen wie die Simpsons-Notizbücher oder Ausstellungen mit Moleskine-Exemplaren, die von Künstlern illustriert wurden.
Eine starke Marke also. Trotzdem ist es bemerkenswert, das ein so simples, altmodisches Ding wie ein Notizbuch es schafft, auch im digitalen Zeitalter seinen Marktwert zu behaupten. In Mailand versucht man dies auch durch Kooperationen mit Evernote, einer Webcloud für Notizen. Hier können Moleskine-Nutzer ihr Notiertes sichern und ein Konto mit entsprechender Speicherkapazität einrichten. "Digital und analog sind aus unserer Sicht keine Gegensätze", erläutert Sebregondi. Laut Marktforschung nutzten Moleskine-Käufer auch überdurchschnittlich oft digitale Erzeugnisse und Angebote, führt die Managerin an. Auch durch die Rückbesinnung auf’s Handgemachte sehe man sich im Aufwind.
"Mit dem Voyageur Notizbuch will Moleskine vor allem Vielreisende für seine Produkte begeistern.
Mittlerweile gehört Moleskine zum französischen Konzern Société Générale. Im Frühjahr 2013 legte der 200-Mann-Betrieb einen guten Börsenstart hin. Und das Unternehmen steigerte in den letzten Jahren kontinuierlich seinen Umsatz, Deutschland ist nach den USA dabei der wichtigste Markt. Meistverkauftes Stück bleibt das kleine schwarze Notizbuch, das bequem in die Tasche passt. Das, über das quasi schon Bruce Chatwin schrieb.